Suche | Sitemap | Home

Rakete - Großbritannien

Die Entwicklung der Großraketentechnik in Großbritannien

Reste der V2-„Division zur besonderen Verwendung“, die ab März 1945 zur Panzergrenadierdivision umgestellt wurde, verteidigte bis Ende April die Reichshauptstadt Berlin im Raum Fehrbellin. Nachdem deutsche Führungsoffiziere mit den Amerikanern Übergabeverhandlungen abgeschlossen hatten, kam am 1. Mai der Befehl, sich vom russischen Gegner zu lösen, im Raum Lenzen die Elbe zu überqueren und sich den amerikanischen Streitkräften mit möglichem V2-Material und -Unterlagen zu ergeben.
Am 9. Mai 1945, mit der amerikanischen Übergabe von rund einhundert deutschen V2-Kriegsgefangenen in einem Lager bei Ostende an die Briten, beginnt die aktive englische „Raketenzeit“.

Mit der unter den Alliierten angestimmten „Operation Backfire“, wollten besonders die Briten, die die psychologische Hauptlast beim Beschuss durch die V2 trugen, das Funktionieren einer Flüssigkeitsgroßrakete vom Typ Aggregat 4 verstehen. So entstand Anfang Juli das „Versuchskommando Altenwalde“ (AVKO) im Raum Cuxhaven. Aufgabe sollte es sein, 30 V2 zum Start vorzubereiten, deren Einzelteile man in den westlichen Zonen zusammen sammelte. Unter militärischer deutscher Leitung (ab 20. Juli gab es im Lager keine Kriegsgefangene mehr, man erhielt sogar Wehrsold), ab Ende Juli mit Verstärkung durch 79 Zivilisten aus dem Entwicklungs- und Mittelwerk, die die Amerikaner „ausborgten“, und in Einbeziehung von mehreren hundert deutschen Soldaten als Hilfskräfte, konnten schließlich 8 Raketen im September klar gemeldet werden. Daneben erstellte das Kommando eine umfangreiche Dokumentation über die Rakete. Nach drei Starts (02., 04. und 15.10.45), an dem 591 Deutsche und dreimal so viele Engländer teilnahmen, beendete man „Backfire“ und die meisten Beteiligten gingen ihrer Wege.

Zeugnis des Steuerungsexperten Dr. Müller über seine Arbeit beim englischen MOSEC nach „Backfire“. Mitte 1946 wird er einen französischen Arbeitsvertrag unterzeichnen und für immer in Frankreich bleiben.
Einige Dutzend Peenemünder jedoch blieben im englischen Dienst und arbeiteten im Ministry of Supply Establishment Cuxhaven (MOSEC) an Weiterentwicklungen von Raketenbaugruppen bis die persönlichen und erst recht politischen Bedingungen es im Frühjahr 1946 nicht mehr zuließen. Man suchte sich im ersten Falle einen anderen Arbeitgeber und die anderen wurden als „German Scientist“ über den Ärmelkanal gebracht. 20 deutsche Techniker der Großrakete (u.a. Ober-Ing. Walter Riedel, Dr. Oswald Lange, Dr. Schirmacher) gingen nach Farnborough zum Royal Aircraft Establishment (Entwicklung des englischen Nachfolgeprojektes der deutschen Fliegerabwehrakete „Wasserfall“). Hier hatten bereits im Oktober 1945 die ersten 20 Experten der Aerodynamik aus der Aerodynamischen Versuchsanstalt in Göttingen ihre Arbeit begonnen. Ca. 10 Personen der Kieler Hellmuth Walter KG um Dr. Johannes Schmidt wirkten in Aylesbury beim British Aerospace Royal Ordnance Rocket Motors (Flugzeug-Starthilfe-Triebwerksentwicklung). Prof. Hellmuth Walter arbeitete selbst zwischen 1946 und 1950 in England.

Von den Ergebnissen sind die Auswirkungen nicht so spektakulär wie die der Amerikaner oder der Russen, vereinzelt aber doch sehr entscheidend. Besonders in der Überschallforschung konnte man Ergebnisse vorlegen, die grundlegend für das Flügelprofil der CONCORDE waren. In der Raketenantriebstechnik blieb man bis Mitte der Sechziger dem „Walter-Antrieb“ (Grundlage Wasserstoffperoxyd) treu, obwohl es Ende 1947 damit eine verheerende Explosion gab, die Dr. Schmidt und 5 weitere deutsche Mitarbeiter tötete.
Insgesamt müssen über 100 Deutsche in Großbritannien kurz- und langfristig gearbeitet haben.

 

Ein deutsches Zeugnis des Versuchskommandos Altenwalde. Zu hunderten wurden sie nach Auflösung der AVKO ausgestellt. In Verbindung mit der englischen Empfehlung stellten sie für den Betreffenden die Grundlage für einen Neuanfang in Deutschland dar.

Die typische zweisprachige EMPFEHLUNG des britischen Oberkommandos nach dem Ende von „Backfire“.
 

Bescheinigung über einen ersten Besitz nach dem Krieg. Die Küchenbaracke ist später sicher „versilbert“ worden.