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Aggregat - Publikationen - Aufsätze

Gröttrup und das Universum der erfinderischen Zwerge

Alfred Schmidt; STROUX edition; München 2022; ISBN 978-3-948065-29-4

Ich erwartete das Buch von Herrn Alfred Schmidt ehrlich mit Freude und Spannung. Hatte er doch zusätzlich initiiert, dass die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag von Helmut Gröttrup (12.02.1916 - 04.07.1981) im Festsaal des Deutschen Museums in München in Schriftform gefasst, einer breiten Leserschaft zuteilwurden. Damit auch meine Erkenntnisse, die ich nur intern in meinen Vorlesungen den Nachwuchswissenschaftlern vorstellen konnte. Somit harrte ich der Dinge und war in Vorfreude auf das gewaltig mit Neuigkeiten ausgefütterte Buch, das, ich war mir sicher, einen noch größeren Leserkreis für die Geschichte um das Kollektiv von Gröttrup, auch im Ausland erreichen würde. Ist doch mein erfolgreiches Buch „Peenemünde und seine Erben in Ost und West“, zusammen mit dem leider viel zu früh verstorbenen Jürgen Michels veröffentlicht, bereits 25 Jahre „überholt“[1].

Eingedenk der sensationellen Veröffentlichungen von Irina Petrowna Suslina aus dem Jahre 2009 war es also langsam Zeit, eine umfassende Richtigstellung der Einordnung der Ergebnisse der deutschen Raketenexperten im unfreiwilligen Exil niederzulegen, auch zu den anderen bisherigen Veröffentlichungen, deren Historiker-Autoren anscheinend technische Abhandlungen nicht begreifen vermögen.

Dann kam das Buch heraus - und ich war regelrecht schockiert...

Eigentlich wollte ich meine Rezension dann so anlegen, dass ich kurz zu den neuen Erkenntnissen etwas niederschreibe und mich nicht länger an Fehlern etc. aufhalte. Leider sind aber die Ausführungen des Autors grundlegend so falsch und mit Totschlagargumenten ausgefüttert, die nicht kurz mit wenigen Sätzen zu begegnen sind und ich musste eine scheinbar ausufernde Faktenkette kommentierend aufbauen. Damit wurde es eine lange, mehrseitige Mängelliste ohne, dass ich alle Makel, wie ich sie erkannte, detailliert herausarbeiten vermochte. Grundlegend hat aber somit dieses Buch bewirkt, dass ich mich nach vielen Jahren wieder intensiver mit den einzigartigen Resultaten der deutschen Spezialisten in der Sowjetunion befassen, deren Erkenntnisse wichten und einordnen konnte in die Entwicklungen der sowjetischen wie auch amerikanischen Raketentechnik.

Ich habe mich notwendigerweise viele, viele Stunden mit diesem Buch „herumgeschlagen“ und nun insgesamt schon zwei Jahre lang am Text gearbeitet, da ich permanent über die Darstellungen des Autors mit den falschen Fakten stolperte. Es offenbarte sich mir leider ein düsteres Bild bezüglich des leichtfertigen Umgangs mit den Fakten, woher auch immer. Das ist umso erstaunlicher, da in diesen zwei Jahren nirgendwo eine substanzielle Kritik auf das Buch auftauchte. Das heißt für mich aber auch im Umkehrschluss - alle nehmen das so als bare Münze hin. Und das erschüttert mich zutiefst. So MUSSTE ich eine regelrechte Gegendarstellung niederschrieben. Denn Schmidts Romanbiographie ist eine nur schwer zu ertragene Technologieverzerrung…

Thesen

Und ich bin leider immer noch nicht ganz fertig mit meiner Arbeit. Am Ende dieses Aufsatzes werden Sie Hinweise auf die noch fehlenden, vorrangig fachlichen Kapitel finden. Einige, meinen Darstellungen belegende Berechnungen und die Erarbeitung zugehöriger Zeichnungen, lassen noch etwas auf sich warten. Denn ich musste auch feststellen, dass alle Historiker nur Bewertungen werteten. Niemand hat sich scheinbar bisher mit den technischen Lösungen der deutschen Spezialisten detailliert befasst und sie dann mit den weiteren Entwicklungen der sowjetischen Raketentechnik verglichen…

Ich möchte den verehrten Lesern aber schon jetzt die Neugier wecken auf das, was noch kommen wird. Dafür habe ich nachfolgende Thesen formuliert, die das ganze Drama der nicht publizierten, fünfzehn Jahre „alten“ Fakten im hier kritisierten Buch aufzeigen sollen:

  • Ein Großteil des Buches ist aufgrund längst überholter Tatsachen nicht lesenswert. Hätte der Autor sich auf den Teil der Informatik beschränkt, wäre ihm allein dafür eine Anerkennung sicher gewesen.
  • Die von den verschleppten Deutschen unter Leitung von Helmut Gröttrup auf Gorodomlja[2] entwickelte konstruktive Lösung „Kegelstruktur einer Rakete“ und betretenes technologisches Neuland der „geraden Antriebsbahn“ setzen Gröttrup ein bleibendes Denkmal.

  • Der Autor verbreitet unrichtige Fakten und damit falsches Wissen. Seit der Veröffentlichung von Irina Suslina aus dem Jahre 2009 lagen endlich auch die Beweise in Form von ehemals streng geheimen fotografischen Belegen und erläuternden Dokumenten vor, die die revolutionären ausgeführten Arbeiten des Kollektivs um Gröttrup bestätigen und die der Autor durch komplette Nichtbeachtung quasi sowjetnostalgisch verleugnet.

  • Ich werde nachweisen, dass Gröttrups „gerade Antriebsbahn“ für die Genauigkeit der Flugbahn startender Raketen in Verbindung mit einer Auswahl der erstmals hier vorgestellten einzigartigen Bordgeräten für die Stabilität des Fluggerätes in der grundlegenden sowjetischen Raketentechnikentwicklung essentiell waren. Diese Lösung eines bodengesteuerten Starts einer Rakete wurde fester Bestandteil der Entwicklung aller Raketen in der Sowjetunion bis in die 60er Jahre hinein und damit ein weltweites, wenn auch beschämendes, weil bezeichnendes, Alleinstellungsmerkmal.

Vorbemerkungen

Diese als Romanbiographie bezeichnete Veröffentlichung gliedert sich in die vier Kapitel „I Verhängnis“ (1916 – 1945) auf den Seiten 14 bis 79, „II In der Falle“ (1945 – 1953) zwischen den Seiten 83 und 193, „III Neuorientierung“ (1953 – 1964) ab Seite 196 bis 257 und „IV Erfolge“ (1965 – 1981) bis Seite 341. In mehreren nachgestellten „Anmerkungen“, in denen die „mitspielenden“ Personen kurz beschrieben werden, bekommt man die Geheimdienste erläutert und kann Quellen verbal ohne Bezug nachlesen (ob als Text- oder Bildherkunft). Vorangestellt sind ein „Vorwort“ und der „Prolog im Jenseits“. Mir klingeln heute noch die Ohren im „Epilog im Jenseits“. Die letzte Seite ist dem Dank vorbehalten.

Es befremdet gleich zu Beginn, wenn man nicht einmal ein Inhaltsverzeichnis vorfindet.

Und um es gleich vornweg zu nehmen: Uneingeschränkt Neues konnte ich einzig aus dem Kapitel III extrahieren, worin Schmidt über die Arbeit Gröttrups als Erfinder und Konstrukteur der datenverarbeitenden Systeme zur Höchstform aufläuft. Auf den vielen anderen Seiten finden sich leider wiedergekäute, längst überholte Thesen wieder oder es steht einfach nur Falsches. Und wenn man schon auf dem vorderen Klappentext das Statement des Autors, das einer „unheilvollen Raketentechnologie“ vorfindet, so ahnt man im Weiteren nichts Gutes…

Es hat sich leider ein dem Ukrainer Sergej Pawlowitsch Koroljow (12.01.1907 – 14.01.1966) in den Mund gelegter zynischer Ausspruch aus dem berühmten russischen Film „Bändigung des Feuers“ von 1972 sehr eindringlich in die Gehirne der Sowjetbürger eingebrannt, der vermittels der sozialistischen Bruderkette bis ins westliche Ausland hinüberschwappte und heute überall noch Dogma ist: „Ich habe nichts von den Deutschen zu lernen, ich habe von Ziolkowski gelernt[3].

Aber Koroljow liebte scheinbar die deutsche Kultur, was ich auch an Hand der vielen Dinge mit deutscher Herkunft seines täglichen Lebens entdecken konnte, die heute noch seine museale Erinnerungsstätte in Moskau schmücken. Meines Erachtens sind die Übernahmen der Arbeiten der deutschen Spezialisten in die Raketentechnik Koroljows „Rache an das sowjetische politische System“, als er klug verdeckt der politischen Elite die „neue sowjetische Rakete“ auftischte und vermied zu erwähnen, dass das alles auf „deutschem Mist“ wuchs… Nur so kann ich mir das als Quintessens erklären, wie meine Überlegungen in den nachfolgenden Ausführungen zeigen werden…

Vor wenigen Jahren schien endlich Asif Siddiqi der Voreingenommenheit nicht auf den Leim gegangen zu sein. Er formulierte sein Analyseergebnis so: Die sowjetische Administration wusste die „… Deutschen als „weniger nützlich“ umzudeuten und sie nach Hause zu schicken. Hier führte die Schnittstelle zwischen Erfordernissen des Kalten Krieges, Technologietransfer und nationaler Identität zu einem Zustand, in dem das endgültige Schicksal der Deutschen weniger mit ihrem Fachwissen … als vielmehr mit der Wahrnehmung ihres Fachwissens zu tun hatte. Letzteres war leichter zu manipulieren und überschattete schließlich Ersteres. … Als die V2[4] von Deutschland nach Russland wanderte, wurde sie weniger deutsch und mehr sowjetisch. Sie ist heute die Quelle, aus der die große Geschichte der russischen Weltraumforschung hervorgeht: Russische Historiker bezeichnen die R-1[5] immer noch als die erste „heimatliche“ sowjetische Rakete. Den deutschen Wissenschaftler, die nach Russland kamen, durfte in dieser Geschichte kein Platz eingeräumt werden“ [6].

Da der Autor Schmidt solcherart logische Analysen von vornherein ausschließt, wurde also nichts Neues publiziert. Und so las sich für mich seine so genannte Romanbiographie insgesamt sehr gewöhnungsbedürftig und sie erscheint mir recht einseitig betrachtet angelegt. Es springen einem fast auf jeder Seite die Ansichten des Autors Alfred Schmidt, die eines scheinbar ethischen Ingenieurs, in die Augen. Damit verurteil er die Entscheidungen und Taten seiner Romanhauptfiguren losgelöst von der jeweiligen historischen Situation oder den persönlichen Zwängen, ohne die damals wirklichen Beweggründe des Einzelnen zu kennen oder ergründen zu wollen. Und er verwickelt sich in Widersprüche. So empfinde ich, dass diese von ihm vorgeführten Personen aus der ganz privaten Sicht des Romanschreibers Schmidt nach seiner Fasson vorverurteilt werden.

Ich hatte mich ja kürzlich ebenfalls in die prosaischen Gefilde der Glättung oder dramaturgischen Überhöhung einer Abhandlung begeben, wobei ich als „Klammern“ zwischen den authentischen Zitaten meine, einer Person in den Mund gelegten, Bemerkungen integrierte[7]. Ich werde es aber wieder bleiben lassen – damit verfälscht man nur den Anspruch auf eine faktenorientierte Darstellung. Denn damit begibt man sich in „Teufels Küche“ wie hier ebenfalls m.E. Herr Schmidt, weil ein überaus großer Teil seines Buches prosaisch nur Ausgedachtes oder anhand irgendwelcher nie zertifizierter Wikipediaeinträge Zusammengereimtes ist. Aber ich wollte mehr FAKTEN über Gröttrup erfahren und weiß nun nicht, was ist Dichtung und was ist Wahrheit. Es war mir letztlich eine sehr „schwere Kost“.

Warum nur, gab Schmidt keine eindeutigen Quellen an, die man nachrecherchieren könnte?

Ist also doch das meiste Ausgedachte künstlerische Freiheit? Dann ist dieses Buch sofort als für mich uninteressant wegzulegen. Märchenstunden braucht die nach Fakten dürstende Welt nicht. Oder aber ein anderer Verdacht spulte sich bei mir immer schneller von der Verklärungsrolle ab. Will hier jemand die Person Gröttrup im Nachhinein der breiten Leserschaft irgendwie „reinwaschen“, nur weil sie zu Lebzeiten vielleicht keine „richtige“ Anerkennung erhielt und dafür müssen beteiligte Zeitgenossen richtig „madig“ gemacht werden? Für mich zog sich dieser fade Beigeschmack immer stärker werdend durch das gesamte Werk. Aber das ist doch nicht notwendig gewesen, Herr Schmidt! Gröttrup war einer der anerkannten Steuerungsexperten aus Peenemünde, wobei er bei der tieferen praktischen Raketentechnik vielleicht nicht so mithalten konnte wie andere. Auch Wernher von Braun war nicht DER „Überingenieur“. Zumal Tschertok behauptet, von Gröttrup gehört zu haben, „von Braun sei tatsächlich ein sehr guter Ingenieur, ein talentvoller Konstrukteur und Organisator mit Ideen[8].

Gröttrup begründete besonders mit seiner „geraden Antriebsbahn“ eine revolutionäre Steuerungsgrundlage für alle sowjetische Raketen der Anfangsjahre, wie ich nachweisen werde. Und das alleine zählt. Der Autor scheint das und vieles andere mehr nicht gewusst zu haben. An der aktuellen Faktenwahrheit muss sich aber jeder Autor oder Wissenschaftler messen lassen und dazu stehen. Ignorantia legis non excusat!

Eine Romanbiografie ist eine Mischung aus Fakten und Fiktion. Der Fiktionsanteil las sich teilweise witzig. Doch viele der herangezogenen „Fakten“ gingen leider komplett an der Realität vorbei und wurden zum Fake. Und das darf man nicht tolerieren…

Falsche allgemeine Äußerungen

Die nun nachfolgend aufgelisteten Fehler und Unzulänglichkeiten könnte man als Peanuts im Gegensatz zu den noch zu erwähnenden Weglassungen der wahren Leistungen der Deutschen in der Sowjetunion abtun. Und doch erscheinen sie mir erwähnenswert ohne „Besserwisserei“. Im Kontrast dazu hat Herr Schmidt mit seinem Buch der Person Gröttrup und den ganzen deutschen Raketenspezialisten wegen der Negierung ihren wirklichen grandiosen revolutionären Lösungen und Leistungen einen unverzeihlichen Bärendienst erwiesen…

Ich komme nicht umhin, zuerst im Einzelnen die mir sofort ins Auge stechenden, auch technisch, falschen Äußerungen zu bemängeln. Nachfolgend die wichtigsten Dinge, herausgelöst aus meinem nachfolgenden mir auferlegten Sach- oder Kapitelzwang und ohne meine nachfolgende fachliche Einordnung im Kontext zur wahren Faktenlage.

 

S. 7: Schon einleitend entrückt uns Herr Schmidt in ganz komische Sphären. Wernher von Braun „flaniert im Fegefeuer der Christen“– was will uns der Autor damit als Rätsel aufgeben? Wovor wird von Braun geläutert werden? Als Atheist konnte ich es nicht auflösen…

Erst auf S. 339 kommt ein wenig die „Erlösung“. Bis dahin wird von Braun in die Ecke eines unverbesserlichen Opportunisten geschoben mit mehr Schein als Sein: Von Braun „gibt sich … demütig und gottgläubig“ (S. 237). Aber doch nicht nur auf Kongressen, Herr Schmidt! Er war von Kindesbeinen an bis zum Tode ein gläubiger Christ, wie auch der Briefwechsel mit seiner Kindheitsfreundin, der späteren Diakonieschwester Hildegard, belegt[9]. Und gerade erst die Inschrift auf seiner Urnengrabplatte „Psalms 19.1“ könnte es uns doch eindeutig vermitteln:

Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes,

vom Werk seiner Hände kündet das Firmament[10].

S. 8: Gröttrup mit von Braun „entwickelte … die Vergeltungswaffe V2“. Natürlich nicht! Im Auftrag des Heereswaffenamts entwickelten tausende hochintelligente Ingenieure die Weitstreckenrakete Aggregat 4, die nur eine „Zwischenstufe“ zu angedachten viel weiter reichenden Raketen war[11]. „Vergeltungswaffe“ stammt aus der Goebbelsschen Demagogiemaschinerie. Der Namensvorschlag für „Vergeltungswaffe“ stammt übrigens von Hans Schwarz van Berk erst vom 17.06.1944[12] für die so zuerst vorgeschlagene Bezeichnung „Höllenhund“ für die Fi-103 (V1). Und da flog die Rakete mit der technischen Bezeichnung Aggregat 4 schon längst.

 

S. 8: Mit der V2 konnte man die „Einwohner Londons terrorisieren“. Auch das ist ein gern verbreiteter Irrtum: Die meisten Raketen flogen nachweislich in Richtung Hafen Antwerpen, um den Nachschub der Alliierten nach der „D-Day“-Anlandung zu behindern[13].

S. 30: Kaum einer außer Gröttrup soll „genügend Ahnung“ gehabt haben, die A-4-Steuerung zu manipulieren? Das ist einfach nur frei erfunden. Steinhoff und seine Mitarbeiter in Peenemünde wie Brützig, Wierer, Hölzer, Kirschstein, Mühlner und Steudig und erst recht die Experten um Professor Walter Wolman von der TH Dresden waren die Spitzen des personellen Rückgrats der Steuerung des A-4.

 

S. 32: „Aber wenigstens konntet ihr den Treibstoff als hochprozentigen Alkohol trinken. … Es war ein brauchbares Betäubungsmittel. Es hat uns aus manchem seelischen Tief geholfen, wenn wir den Druck nicht mehr aushielten.“ Das ist m.E. grundsätzlich falsch. Ethanol zu 75% wäre sicher eine köstliche Abwechslung gewesen, doch die „Mannen“ mussten ihre Tiefs anderweitig begegnen, zumal sie nachweislich dem Rotwein gern zusprachen: Der zur Verfügung gestellte „Industrie-Alkohol“ war selbstverständlich genussvernichtend in den zentralen staatlichen Treibstoffanstalten vergällt worden bzw. war später in der Truppe ein Gemisch mit 30% Methanol[14], so dass schon ein Schluck zur Blindheit und später zum sicheren Tode führte[15]. Die so schön erdachte Besänftigungskette vom Autor zerstört sich damit von selbst…

 

S. 35: „lockere Schrauben, … wackelnde Steckverbindungen“. Ich stecke fachlich sehr tief im Aggregat 4 und muss diese Aussage vehement verneinen. Jeder Techniker damals und auch Dornberger wussten selbstverständlich, wie dem zu begegnen war[16]. Nicht nur im monatlich aktualisierten „Bauzustand“ der Fertigung des A-4 im Kohnstein – der QM-Grundlage der Fachleute aus Peenemünde – kann man nachlesen, dass Schrauben und Muttern mit Sicherungsblechen oder –drähten gesichert oder Relaiskappen fixiert wurden mit Drahtbügel oder sie zusätzlich mit Lack zu vergießen waren. Mit den verwendeten Luftfahrtgerätesteckern der Bauart List (siehe weiter unten Kommentar zur S. 137) wurde generell mit einem Sicherungsbügel ein „wackeln“ ausgeschlossen.

Übrigens hatte man ab 1942 bereits mit Lochkartenverzeichnissen versucht, den Datenmassen Herr zu werden – hatte hier Gröttrup bereits seine „Finger im Spiel“? Darüber hätte Herr Schmidt vielleicht recherchieren sollen…

 

S. 38: „Heckkonstruktion mit den Grafitrudern“ – diese richtig „Druckstücke“ genannten Strahlruder, die gegen Stoß sehr empfindlich waren, wurden erst an der stehenden Rakete auf dem Starttisch angebaut. Man kann die Ruder also nicht an der liegenden Rakete beim Transport auf Waggons sehen…

 

S. 49: Wenn ich ein Gedicht zitiere, sollten schon alle Strophen erwähnt werden. Warum Herr Schmidt diese wunderschönen Verse von Irma Gohl, die ich zum 100. Geburtstag von Wernher von Braun im Rahmen einer Erinnerungsmappe zur ISS schicken durfte[17], amputierte und nicht vollständig abdruckte, ist mir schleierhaft.

 

S. 50/51: Die hier kurz gefassten historischen Ereignisse sind teilweise so falsch, dass man auch für eine „Romanbiographie“ dem Autor haarsträubende Rechercheergebnisse unterstellen muss. Nur zwei daraus:

Ø  Valier baute selbstverständlich KEINE Feststoffraketen für die Firma Heyland. Das ist komplett falsch. Valier nutzte Feststoffraketen der Firma J. F. Eisfeld, Pulver- und Pyrotechnische Werke in Silberhütte im Harz[18], und später, bei der Firma Heyland, konstruierte Walter Riedel (Riedel I) mit Valier Flüssigkeitsraketentriebwerke.

Ø  Wernher von Braun unterschrieb nicht „im Dezember 1932“ sondern am 27.11.1932 und zwar seinen Arbeitsvertrag. Das war selbstverständlich kein „Packt zu Geheimhaltung und militärischen Ausrichtung der Raketenentwicklung“ wie Schmidt meinungsbildend uns unterschieben möchte, sondern folgendes: „Entwurf, Leitung des Aufbaues und Vornahme von Untersuchungen gemäß näherer Anweisung des Wa Prw.1/I an einem Flüssigkeitsrückstoß-Prüfstand auf Hauptbatterie West in Kummersdorf[19].

Das liest sich natürlich nicht so schön reißerisch...

 

S. 59: „Dornberger trieb seine Mitarbeiter … an. Wütend beschimpfte er seine Techniker…“ Das war 1942 nicht notwendig. Es gab weder Terminzwänge noch würde der Offizier Dornberger die zivilen Techniker beschimpfen, vermute ich aufgrund meiner umfassenden Kenntnisse zur Person Dornberger. Sicher tagte man mit der Leitung der Entwickler und deren maßgeblichen Personen regelmäßig, wo es sicher auch mal laut wurde. Doch dass Dornberger als Sohn gebildeter Eltern mit hervorragender „Kinderstube“ sich in den Werkhallen entblöden und Wuttriaden von sich geben würde, davon wissen nicht mal seine Verwandten und nächsten Vertrauten...

S. 66: „Dornberger war stolz, weil ihm der Führer einen direkten Auftrag erteil hatte“. Diese aufgestellte Behauptung ist in der Falschheit nun leider kaum noch zu überbieten.

Für authentische Aussagen von Dornberger zu Hitler könnte man neben seinem Buch „V2 - Der Schuss ins Weltall“, der einzigen verfügbaren zeitgenössischen Quelle, vor allem familiäre Unterlagen und Gerichtsurteile heranziehen. Darin findet man keinerlei „Liebeserklärungen“ zum „Führer und Reichskanzler“. Im Gegenteil. Auch kritische Historiker stellen Hitler immer als Hemmklotz der Entwicklung dar, die sich in nicht erteilten „Dringlichkeitsstufen“ oder der „nicht kriegswichtigen“ Entwicklungsarbeit in Peenemünde manifestieren[20]. Hinzu kam natürlich das Grundlegendste: Mit der Machtergreifung von Hitler wurde seine Familie aufs heftigste diffamiert bezüglich der Freimaurerei seines Vaters und seines Bruders Wolfgang, der deshalb vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt a/M verlor. Ihm wurde seine leitende Stelle im Reichsnährstand wegen seiner früheren Logenzugehörigkeit gekündigt. Ab sofort stand Dornberger als Offizier sogar im Zielkreuz der Gestapo[21].

Und – auch das hatte ich schon vor Jahren publiziert – arbeitete General Dornberger meiner Meinung nach geschickt getarnt durch „unsinnige“ Befehle und Entwicklungsaufgaben gegen Hitler.[22] Beispielsweise das von „oben“ befohlene Umstellen der Ventile aus dem Sparstoff Aluminium auf Stahl, was aber aufgrund der entstandenen Massenvergrößerung der gesamten Rakete und nach sich ziehender Schussweitenreduzierung von bis zu 40 km (!) dann nicht umgesetzt wurde[23]. Das hatte ja „nur“ ½ Jahr Zeitverlust gebracht. Sollte man das vorher nicht beachtet bzw. berechnet haben, oder?

S. 66: Von Braun hatte recht zeitig seinen von Hitler verliehenen Professorentitel abgelegt. Schmidt schreibt, dass er ein Leben lang mit dem Titel „kokettierte“. Das ist frei erfunden. In den meisten Publikationen ab den fünfziger Jahren wird man den „Herrn Professor“ vergebens suchen[24]. In den mir bekannten Schreiben an Bekannte, Freunde oder auch öffentlich in der Administration findet sich nur sein Doktortitel. Nur die „Journaille“ verpasste ihm weiterhin diesen Titel, auch, um sich ihm anzubiedern. Und seine über zwei Dutzend Ehrendoktorwürden überstrahlen sowieso den aufoktroyierten Makel vom 8. Juli 1943.

Doch sogar Herr Schmidt „verfällt“ der Professorentitelmanie, als er den 1955ger Spiegel zitiert (S. 215), indem er schreibt: „Das Titelbild zeigt Professor Dr. Wernher von Braun.“ Im Gegensatz zu dieser Anmaßung lesen wir aber auf dem Titelblatt „Raketenbauer Wernher von Braun“ OHNE irgendeinen Titel…

Weiterführend frage ich mich ernsthaft, warum wird über die Professorentitel der Herren Ferdinand Porsche (sogar Träger des Totenkopfrings des Reichsführers SS) oder Claude Dornier (er trug den 1942 verliehenen Titel stolz bis zum Lebensende) kaum bis gar nichts verloren?

 

S. 70: Mich interessiert sehr wo ich nachlesen kann, welche Nachbarin die Gröttrups, Riedel und von Braun im März 1944 anschwärzte[25].

 

S. 80 (Foto) und 353 (Fotoerläuterung): Das Bild von Gröttrup und Dr. Hoch mit den drei Mannen der Startmannschaft 1947 in Kapustin Jar habe ich einzigartig auf meiner Website veröffentlicht[26], Siddiqi erhielt es von mir exklusiv für den zweiten amerikanischen Band von Tschertoks „Raketen und Menschen“[27] und sogar russische Seiten zitieren die Herkunft Przybilski[28].

Gerade bei den Copyrights bin ich immer sehr sensibel. Doch Herr Schmidt scheint es darin sehr locker zu nehmen, denn wo ist der Copyrighthinweis? Woher bekam er das Bild? Auch bei einem „Roman“ ist mir völlig unverständlich, wie lax man mit fremdem (geistigen) Rechten umgehen kann…

 

S. 83: „Die USA brauchen uns. Dort ist das Land unserer beruflichen Zukunft. Dort fließt das Geld wie Milch und Honig im Schlaraffenland.“ Wieso soll von Braun dem „Lockruf des Geldes“ verfallen sein? Er wollte doch immer zum Mond! Wieder wird hier ihm etwas angedichtet, was nur von linientreuen Journalisten und Historikern gern kolportiert wird. Scheinbar niemand von denen, sicher auch nicht der Autor Schmidt, haben den dornenreichen Weg der Entwicklung von Großraketen in den USA vom hautnah dabei gewesenen Chef der Army Ballistic Missile Agency, und damit auch dem direkten Vorgesetzten von von Braun, Generalmajor John Bruce Medaris gelesen[29]. Denn dann wüsste auch diese Personengruppe, dass ein Zivilangestellter für Flugkörperentwicklungen, ob nun im deutschen Heereswaffenamt oder bei der amerikanischen Army, nach der Pfeife des Militärs zu tanzen hat und sogar die obere Politikerebene ihn vollkommen ignorierte - anfänglich. Von Braun hätte, wenn es nach seinen visionären frühzeitigen Vorschlägen gegangen wäre, den ersten amerikanischen Satelliten vor der UdSSR gestartet und würde schon 1980 amerikanische Astronauten zum Mars geschickt haben...

Oder man beachte die entlarvende Rezension der Biographie von Michael J. Neufeld „Wernher von Braun: Visionär des Weltraums – Ingenieur des Krieges“ von Ralf Bülow, Zitat: „Die Ironie von Neufelds Buch liegt darin, dass die Details, die das Buch überreichlich ausbreitet, vor allem eines zeigen: Wernher von Braun war ein genialer Ingenieur und Technikmanager, aber ein schlechter Karriereplaner. An entscheidenden Stellen seiner Laufbahn kam die Initiative von der Reichswehr, die ihn 1932 entdeckte, von der US Army, die nach dem Beginn des Koreakriegs 1950 den Bau der Redstone-Rakete anordnete, vom Magazin Collier's, das 1951 eine visionäre Raumfahrt-Serie plante, oder vom Raumfahrtpublizisten Willy Ley, der 1954 die Walt-Disney-Studios auf von Braun hinwies.

Wernher von Brauns großer Durchbruch erfolgte erst beim chaotischen Wettlauf mit der US-Marine um den Start des ersten amerikanischen Erdsatelliten Anfang 1958, und hier hatte er mehr Glück als Verstand. Und drei Jahre später, beim Entschluss der Kennedy-Regierung für ein Mondlande-Programm, war er eine Randfigur. Michael Neufeld: ‚Letztendlich war das, was von Braun vor allem zur Apollo-Entscheidung beitrug, die Glaubhaftigkeit bei der Frage nach der Leistung sowjetischer und amerikanische Booster. ... Seine Raumfahrtwerbung in den fünfziger Jahren trug auch dazu bei, dass die Idee, zum Mond zu reisen, in den sechziger Jahren als legitim angesehen wurde‘ (S. 433). Das klingt weder nach faustischem Pakt noch nach apolitischem Opportunismus“ [30].

 

S. 91: Weiterhin ist eine „goldene Zukunft“ deutscher Experten in Frankreich nie und nirgends publiziert worden. Als ich mich vor 30 Jahren den Peenemündern, die nach Frankreich gingen, „näherte“, war von allen die Aussage getätigt worden, dass man erlöst war, nach dem Krieg wieder Arbeit in seinem Spezialgebiet gefunden zu haben[31]. Und Frankreich lag ja „gleich hinter der Grenze“. Wenn Herr Schmidt mit sich ehrlich sein würde, wäre auch ihm ein Arbeiten und Versorgen seiner Familie nach dem zweiten Weltkrieg am Wichtigsten gewesen. Und so erhält man als Kriegsverlierer ein Angebot, in dem festgehalten wird, dass man bei einer Siegermacht für gutes Geld angestellt wird und man darf sich in seinen Fähigkeiten weiter austoben, dem Sieger die Flüssigkeitsraketentechnik nahebringen. Und dazu noch in einem Land, in dem kulinarisches Essen hoch angebunden ist und die Weltstadt Paris vor der Haustür sein würde. Ist denn das so verwerflich?

 

S. 92: Es gab sicher jemand, der auch Gröttrup suchte. Doch wer war die sowjetische Agentin, die nach Gröttrup fahndete? Oder ist das wieder Seemannsgarn?

 

S. 209: Die Quintessenz der CIA war eben GANZ UND GAR NICHT die „Überlegenheit der amerikanischen Raketentechnologie“! Denn die Ausführungen Gröttrups belegten die vorherigen Aussagen und Ausarbeitungen deutscher Rückkehrer aus der UdSSR – übrigens durch General Walter Dornberger interviewt, die dann nachfolgend eine hektische Lawine auslösten in der US-Regierungsebene. Denn hätten sie „die Bedeutung vieler Konzepte nicht (verstanden) und leg(t)en die CIA-Berichte … in den Archiven ab“ wäre es nie Anfang der 50ger zum kompletten Re-Design der Atlas-Rakete nach Vorlage der deutschen R-14 mit der genialen „Albring-Sprengkopfform“ gekommen (siehe im nachzureichenden Kapitel zu den Bemerkungen ab S. 160)! Raketenlayout und Kopfform waren grundstürzend und schwerwiegend neu. Die nachfolgenden Aktivitäten ähnelten der kompletten Einstellung des westlichen und dann weltweiten Flugzeugbaus, als man über den an der TH Dresden neu er-/gefundenen Pfeilflügel des genialen Gasdynamikers Adolf Busemann nach Kriegsende Kenntnis erlangte!

Wer die History der Atlas-Evolution detailliert nachlesen will, dem sei der umfassende Bericht von Schwiebert von 1964 über die USAF-Raketenentwicklung wärmstens ans Herz gelegt[32].

 

S. 215: Wie der Autor Schmidt andere Veröffentlichungen bedienend heranzieht, um Wernher von Braun in seinem Sinne moralisch mies und abgehoben dastehen zu lassen, soll nur ein Beispiel zeigen und verdeutlichen, wie Auslassungen bei Zitaten den grundlegenden Sinn entstellen. Das Ende dieser o.g. Seite wird eingeleitet durch folgenden Vorsatz: „Im Dezember 1955 schürt das SPIEGEL-Magazin diesen Enthusiasmus (dass bald Satelliten im Rahmen des Internationalen Geophysikalischen Jahres gestartet werden) und veröffentlicht die elfseitige Titelgeschichte ‚Die Raumfahrt hat schon begonnen‘“. Das SPIEGEL-Magazin soll sich ja im Allgemeinen durch gründliche Recherche und verlässliche Qualität auszeichnen. Und dann wird aus dem SPIEGEL-Beitrag zitiert: „Wenn Wernher von Braun über sein Satellitenprojekt spricht, leuchten seine blauen Augen wie die eines teutonischen Zauberers aus der Edda.“ Das liest sich für mich wie, von Braun ist ein moderner „Rattenfänger“, dem jedes „Zauberstückchen“ Recht ist, seine „Prophezeiungen“ zu verwirklichen. Ist schon komisch, dass der SPIEGEL solcherart Formulierungen über einen der größten deutschen Persönlichkeiten auf technischem Gebiet von sich gibt.

Nimmt man sich aber den originalen Artikel zur Hand, wird man feststellen, dass dieses Zitat gar nicht die Aussage des SPIEGELs ist, sondern von einem amerikanischen Publizisten getätigt wurde (wieder einmal keine Quellengenauigkeit). Und dieser Publizist Leonhard schreibt dort nivellierend weiter: „Er spricht eindringlich mit einer nur leisen Spur von deutschem Akzent, und er macht auf deutsche und amerikanische Militär-Experten einen tiefen Eindruck. Er kann eine Zuhörerschaft begeistern, seien es nun Ingenieure, Kinder oder theoretische Physiker.“

Also NICHTS mit Scharlatan, sondern mitreißend rhetorisch gewandter Experte. Nun ergänzt der Autor des SPIEGEL-Artikels: „Von Braun ist hochgewachsen, breitschultrig, elegant, und hat Züge, die Frauen als „interessant“ bezeichnen würden. Doch das Playboy-Äußere täuscht: Er blättert die verwickeltsten mathematischen Formeln mühelos aus dem Gedächtnis auf. Er ist ein mitreißender Redner und er schreibt anschaulich. … Er scheut sich nicht, Vorträge im Stil der Volkshochschule zu halten; er tritt in Fernsehprogrammen für Kinder auf, berät Walt Disney bei der Herstellung utopischer Filme und schreibt fesselnde Magazin-Artikel.“[33]

Dies passt natürlich nicht zum „von Braun-Bild“ vom Autor. Und so setzt Schmidt verschärfend noch eins drauf und präsentiert auf der nachfolgenden Seite weiterhin aus dem SPIEGEL-Beitrag zusammenfassend den Atombombenlobbyisten von Braun: „Er wirbt für Raumstationen mit abschussbereiten Atombomben.“ Das ist so formuliert ungeheuerlich, Herr Schmidt. Im originalen Beitrag steht: „Die Raumstation kann, nach Wernher von Braun, in einen Atombombenträger verwandelt werden.“ Doch weder lese ich, dass es eine amerikanische Raumstation ist, wo doch sicher zu sein scheint, dass die UdSSR ähnliches vorhaben könnte, noch erkenne ich aus diesen wenigen Worten, dass von Braun es ist, der das fördert oder befürwortet. Letztlich KANN und MUSS ein Ingenieur aber alles denken dürfen…

Ich weiß nicht, wie verträumt man in die Vergangenheit schauen muss, um nicht zu erkennen, dass ein Zivilangestellter im amerikanischen Heer, der gerade zu dem Zeitpunkt vor wenigen Tagen die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt, sich in keinster Nuance in das atomare Prozedere des Pentagon einmischen würde, ja nicht einmal darüber Bescheid wissen dürfte.

S. 230: Die „… Silhouette eines A-9 … Amerikarakete“ ist NICHT auf dem Cover „Rocket Wife“, der englischen Übersetzung von Irmgard Gröttrups „Die Besessenen“, abgebildet. Sichtbar ist eine typische Raketenform à la A-4 mit Tragflächen, also ein als A-4b genannter Versuchsträger, der den Weg zur gleitenden Wiedereintrittsstufe A-9 ebnen sollte, aber jämmerlich versagte, weil solcherart Flügel dafür untauglich waren. Weiterhin sollte das A-9 nur die Oberstufe, also ein Teil der richtiger A-10/A-9 genannten Amerikarakete mit gewaltiger Startstufe A-10 sein, für deren Schubklasse von anfänglich 100 t (als Aggregat X) dann 180 t Massenäquivalent Dornberger visionär in Peenemünde bereits die Prüfstände auslegen ließ.

 

Nun will ich mal etwas ausholen und ergänzend kommentieren.

Fast unbekannt ist, dass bereits Anfang der vierziger Jahre in Peenemünde ein Zweistufenprojekt zur Reichweitensteigerung angedacht war[34]. Man untersuchte, auf dem A-4 eine Rakete in der Dimension des Aggregat 5 zu setzen. Für diese nun Aggregat 6 bezeichnete, mit 4 bis 6 t Schub, mit lagerfähigen Treibstoffen ausgelegte Rakete und mit einer gleich gebliebenen Nutzlast von 1 t, erarbeite man bereits etliche Grundlagen und testete Details. Anfänglich wollte man noch das fertig entwickelte und sehr gut funktionierende A-5 verwenden[35]. Doch man erkannte die Problematik der Verdampfungsverluste des flüssigen Sauerstoffs in Oberstufen, besonders auch bei der zu erwartenden Reibung an der Atmosphäre und schwenke daher und nur deshalb auf neue Raketentypen, ähnlicher Größenordnungen, aber mit hypergolen und lagerfähigen Treibstoffen um. Richtigerweise muss man aber die Sache noch in Richtung Satellitenträger weiterspinnen, denn im Krieg durfte man den Begriff Raumfahrt unter Strafe natürlich nicht äußern und deshalb kam es zum Tarnnamen Amerikarakete. Denn diese mögliche Konfiguration A-10/A-9/A-6 hätte es theoretisch zu einem orbitalen Einschuss schaffen können[36]! Interessanterweise wurde die EUROPA-Rakete mit sehr ähnlichen Schubgrößen ihrer Stufen so konfiguriert (137 t/28 t/2,3 t)[37].

Abbildung 1: Dreistufenrakete aus von Brauns Arbeiten in den USA[38].

Die ballistische Raketenentwicklung Anfang der vierziger Jahre in Peenemünde mit den zur Verfügung stehenden Berechnungsmethoden und Überschallwindkanälen hätte und hatte sicher unweigerlich erkennen lassen müssen, dass ein Sprengkopf den Wiedereintritt über New York nicht überleben würde. Die Eintauchzerleger des A-4 bestätigten dies schon Mitte 1944 in Blizna grundstürzend. Warum haben die alles wissenden Journalisten das bis zum heutigen Tag niemals betrachtet? Weil dann klar geworden wäre, dass dieser gern herangezogene Beschuss der USA mit deutschen Raketen nur unsinniges Wunschdenken war und doch so schön in die Blickweise auf die terroristischen Peenemünder passte. Noch 1950 wurde Major General John W. Sessums vor dem amerikanischen Ausschuss des Scientific Advisory Board aus dem Raum gelacht, als er große Wiedereintrittskapseln auf dem Raketenprojekt Atlas vorschlug. Deren Reaktion war tatsächlich: „Was haben Sie vor, wollen Sie uns einen Meteoriten verkaufen?“ Wirklich alle in der westlichen Welt waren damals noch der Meinung, dass die favorisierte konische Nase als Hitzesenke aus bisher verfügbaren Materialien gegenüber der Wärme beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre nicht widerstandsfähig genug sei[39].


Abbildung 2: Grafik mit der angedachten Großraketenfamilie aus Peenemünde[40].

Anfänglich sogar noch auf Gorodomlja errechnete ebenfalls der gestandene Aerodynamiker Dr. Werner Albring, dass für deren Raketenprojekte man kein Material finden könne, das den entstehenden enormen Temperaturen beim Wiedereintritt eines ballistisch weit fliegenden Körpers von über 2000°C widerstehen würde[41].

Übrigens noch 1957 versagten die entwickelten Thermalschutzsysteme der sowjetischen Köpfe alle auf der R-7! Erst der neunte Start einer R-7 am 29.03.1958 brachte die „Nutzlast“ in einer erneut veränderten Thermalschutzhülle ins Zielgebiet wohlbehalten runter. „Komischerweise“ funktionierte ein Satellitenabsetzen in die Umlaufbahn vorher: Der SPUTNIK-Start am 07.10.1957 war erfolgreich.

Und da wollte man mit einer deutschen ICBM Amerika 1945 über den Atlantik hinweg beschießen? Ich bin überzeugt, dass sich alle Ideen und Projektskizzen aus Peenemünde für weitreichende Raketen grundsätzlich (einzig?) nur der Idee eines Satellitenträgers unterordnen lassen.

Übrigens ist im obigen Beispielbild für diese Raketen Anfang der fünfziger Jahre von Braun bereits seinen Professorentitel „losgeworden“ (siehe Bemerkungen zur S. 66) und das vorherige Bild, dieser „Dreistufer“, das ist doch ein Satellitenträger, oder?

S. 233: „Gröttrup setzt sich dafür ein, dass die Raketentechnik … der Schmuddelecke der Waffenindustrie entkommt“. Ich kann nicht verstehen, wie Personen, die scheinbar die Moral gepachtet haben wollen, schon auf dem Klappeninnentext des Buches die „unheilvolle Raketentechnologie“ als Teufelszeug deklarieren und dann immer nur auf dieses hochentwickeltste Gebilde des Menschengeistes draufkloppen. Wieso lese ich nirgends, dass das Flugzeug oder das Schiff aus dieser verpönten militärischen Ecke herausgelöst werden muss? Denn auch diese „Verkehrsmittel“ waren/sind grundlegend Transportmittel sowohl ziviler als auch militärischer Systeme.

Und sie stehen im konträren Wiederspruch zu den Äußerungen, die Helmut Gröttrup sich selbst zu eigen machte! Schon sein Vorwort des Sammelbands „Der Weltraum in Menschenhand[42] ist eine Ode an die Verantwortung in unserer neuen Welt mit der bewussten Bejahung der Modernität ohne Versuch einer Bewertung! Gröttrup führt breit aus, was die Rakete als ein Transportmittel im Militärischen und im Zivilen leistet, um zu enden, „dass die nichtmilitärischen Aufgaben der Rakete bis heute noch nicht genügend gefördert werden…“ Mehr nicht.

Und auf der gleichen Seite in Schmidts Buch lese ich die gern breitgetragene Weisheit: „Die Weltraumrakete hätte es ohne militärisches Interesse nicht gegeben“. Das ist eine weit verbreitete militante Wahnvorstellung. Hätte es die Feststoffrakete von CONGREVE nicht gegeben, die übrigens im 19. Jahrhundert zu hunderttausenden startete[43] und mehr Todesopfer gefordert haben soll, als die V2 im Einsatz, wäre nicht vor 1.500 Jahren in China das Feuerwerk erfunden worden? Übrigens sollten wir mit selbst kreierten „Definitionen“ immer ordentlich umgehen. Was ist eine „Weltraumrakete“? Ein Satellitenträger oder was? Doch eher im Sinne unserer Vorträumer, wie auch Irma Gohl, ein Transportmittel, das ein bemanntes „Weltraumschiff“ mitnimmt. Also nicht diese primitiven Feststoffdinger. Nein. Nur die Flüssigkeitsrakete birgt die Sicherheit, Abschalt-Funktionalität und andere Notwendigkeiten, um in den letzten bemenschten (ich bin mal gendergerecht), in den „himmlischen Verkehrszweig“ einzuziehen. Und, Herr Schmidt, an diesen echten, notwendigerweise GROßEN Weltraumraketen, angefangen bei der sowjetischen N-1 „Herkules“ oder der Saturn 5, vorerst endend beim Starship von SpaceX, hatte das Militär wirklich kein Interesse.  

 

Auf S. 238 muss man sich schon fremdschämen, wenn Gröttrup zu von Braun sagend in den Mund gelegt wird: „Ihnen war schon in Peenemünde … der persönliche Erfolg wichtiger als das Leid der Menschen“. Ist sich der Autor bewusst, was er hier betreibt? Und es wird gruselig auf S. 339, indem er von Braun sagen lässt: „Wir alle haben gesündigt. … Daher warte ich jetzt im Fegefeuer auf das Jüngste Gericht.“ Will uns der Autor damit ehrlich etwas vermitteln?

Auch wenn dies alles vielleicht anfänglich dramaturgisch tragend fiktiv spaßig für den „Romanteil“ gemeint erscheint, so hat diese permanente „Leier“ des menschenverachtenden von Braun, der über Leichen ging, nur, um irgendwann zum Mond fliegen zu können, für den unbefangenen neuen Leser, auf dem dieses Buch abzielt, doch System. Im künstlich erzeugten Spannungsbogen der Romanbiographie zwischen von Braun und Gröttrup wird von Braun als unverbesserlicher „Bösewicht“ immer wieder als „Gegenspieler“ des braven Gröttrups „missbraucht“, einzig nur, um Gröttrup, in des Autors Augen, als „Engel“ dastehen zu lassen. Und das ist für mich einfach nur schäbig.

 

Ein starkes „Indiz“ nicht nur für mich, dass Klaus Riedel, Wernher von Braun und Helmut Gröttrup mit ihren politischen Ansichten gar nicht so weit auseinander liegen konnten, sollte doch die sicher nicht als Einmaligkeit zu betrachtenden Treffen der Familien im Vorfeld ihrer Verhaftung 1944 gewesen sein. Sind somit die dabei erträumten humanistischen Äußerungen von Gröttrup vielleicht erst recht auch von Braun „anzulasten“? Für Klaus Riedel jedenfalls waren sie Inhalt seines Lebens und deshalb wurde er möglicherweise von der Gestapo umgebracht[44]. Lade ich mir einen Bolschewistenhasser und Opportunisten, wie von Braun es sein soll, in mein Haus, genieße den Abend mit gutem Rotwein, feinem Essen, Musik und habe Spaß an allem, was man sich erzählt? Nicht einmal Michael Neufeld kann diese „negativen“ Charaktere von von Braun in seinen Werken „nachweisen“. Bei Herrn Schmidt sind im Roman der paneuropäische Menschenrechtler Riedel, der Sowjetfreund Gröttrup und der SS-Waffenentwickler von Braun „ein Herz und eine Seele“. Aber doch bitte nur abends in der geheimen Gemeinschaft! In der Öffentlichkeit lebten sie natürlich ihre Charaktere konträr aus, wie es uns der Autor nachweisen möchte. Das ist schlicht und ergreifend unglaubwürdig.


Abbildung 3: Titel der Bücher von von Braun und von Gröttrup[45].

S. 235: Im Juni 1959 erschien das Buch von Gröttrup „Über Raketen“. Von Brauns Werk „Start in den Weltraum“ kam exakt zeitgleich heraus. Es ist wie ein bewusster Schulterschluss mit Wernher von Braun: Die GLEICHHEIT beider Cover ihrer Bücher mit den spitzen Kegelraketen ist verblüffend. Ich glaube an keine Zufälle. Denn gleichzeitig veröffentlichte Gröttrup den bereits erwähnten Sammelband „Der Weltraum in Menschenhand“, worin er den sich selbst als Raumfahrtenthusiasten bezeichnenden von Braun fragen lässt: „Und sollen wir heutigen unsere Arbeiten zur Erschließung des Weltraums einstellen, weil Raketen, wie Flugzeuge, auch militärisch eingesetzt werden können? … Es ist … unfair, uns Wissenschaftler und Ingenieure für die Gräuel[46] moderner Kriege und die zeitgenössischen Krisen in der Welt verantwortlich machen zu wollen.[47] Das lasse ich doch nicht in „meinem Buch“ veröffentlichen, wenn ich so ein grundfester Pazifist sein soll…

 

Leider muss ich an dieser Stelle einflechten, dass das Fachbuch von Gröttrup „Über Raketen“, trotz des einfühlsamen Layouts und den verständlichen Texten, mit einigen gravierenden Fehlern und Unzulänglichkeiten gespickt ist. Ich will und muss die Nachfolgenden an dieser Stelle hervorheben:

 

1) Wie ich weiter unten nochmals hervorheben werde, war sich Gröttrup absolut nicht bewusst, dass durch diverse Konstruktionsauslegungen die Tanks in der kegeligen Rakete R-14 (G-4) entgegen der Anordnung des Aggregat 4 und „seiner“ G-1 (R-10) „vertauscht“ lagen. Also der Tank für flüssigen Sauerstoff lag oben, also ÜBER dem Brennstofftank. Wenn, wie bei der R-14, die Rakete aus „hauchdünnen“ Tankstrukturen konstruiert ist, die nur unter Innendruck von 5 bar[48] ohne zusätzlichen Stringer und Spanten sich selbst stabilisieren, muss es eine klare Anordnungsfolge der Tanks geben. Da wegen der lagerfähigen Brennstoffkomponente dieser immer zuerst betankt wird, muss der Brennstoff – im Gegensatz zur „Urmutter aller Raketen“, des A-4 und auch der deutschen G-1 (R-10) – unten, also in Triebwerksnähe, liegen. Ansonsten würde bei oben liegendem Brennstofftank der noch leere, unten liegende Tank für flüssigen Sauerstoff durch die große Last zerstört werden. Das ist so wie bei einer metallenen Getränke-Dose, auf die man sich draufstellen kann, wenn sie noch nicht geöffnet ist - eine leere Dose wird aber unweigerlich zum Flachmann umgeformt bei gleicher Belastung.

Und diese „falsche“ Tankanordnung macht er sich leider in allen Zeichnungen in seinem Buch zu Eigen – siehe z.B. Seite 151.

 

2) Gröttrups Überlegungen zum Wärmeaustauscher (S. 143 und 154/155) sind grundlegend falsch. Wie ich aus eigenen experimentellen Vorgängen nachvollziehen konnte, ist der umgebungswarme Brennstoff (auch Gröttrup nahm Ethanol an) untauglich zum Verdampfen des flüssigen Sauerstoffs über einen längeren Zeitraum. Sogar 100%ger Ethanol friert nach kürzester Zeit durch den kalten Sauerstoff in den Leitungen ein. Daher hatte schon 1941 der findige Klaus Riedel ein Versuchsmuster eines Wärmetauschers in Betrieb in Peenemünde vorgeführt, der den flüssigen Sauerstoff durch das „sehr warme“ Brenn-Abgas, von der Turbine kommend, verdampfen ließ[49]. An der TH Dresden am Lehrstuhl für Kraftfahrwesen und Leichtmotorenkunde unter Leitung von Prof. Robert von Eberan-Eberhorst wurden dann der serienreife Wärmetauscher entwickelt und seitdem weiß man auf der ganzen Welt, wie das geht und macht es so bis heute…

 

3) Wenn Gröttrup auf Seite 165 bemängelt, dass es für die Anordnung des „Steuerungszentrumsin der Spitze von Raketenkeinen plausiblen Grund“ gab, vergisst er glatt, dass er 5 Seiten weiter fälschlicherweise die Größe dieser Plattform kritisiert und gibt keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass nun sogar bei „seiner“ Rakete G-1 (R-10) diese Geräte praktischerweise im Heck angeordnet wurden! In seinem weiter unten herangezogenen Paper aus 1958 schreibt er eindeutig, dass sämtliche Steuergeräte im Heck eingebaut wurden[50]. Das hängt aber wiederum nur damit zusammen, dass dieses „Steuerungszentrum“ man nun nicht mehr benötigte, man die Steuerung der Rakete vom Boden aus leitete und an Bord nur noch kleine kompakte Gerätschaften unterzubringen waren…

 

4) Diese gerade angeführte Kritik von Gröttrup wird bei ihm auf Seite 170 konterkariert: Das Aggregat 4 war von Beginn der Entwicklung an mit der kugeligen, raumstabilisierten Plattform mit der Bezeichnung Steuergerät SG 66 des genialen Konstrukteurs Fritz Müller der Kreiselgeräte GmbH ausgelegt. Übrigens in Verbindung mit dem ersten analogen Bordcomputer einer Rakete, dem „Mischgerät“. Nur für diese, wie Gröttrup schreibt „große und unförmige Plattform“ MUSSTE man aber einen Raum vorsehen, der voluminös genug war, die im Durchmesser 510 mm große und 50 kg schwere Kreiselplattform[51] mit den zugehörigen Umformern und Batterien aufzunehmen. NUR deshalb entwickelte man den „Geräteraum“ zwischen Tanks und Sprengkopf und der machte selbstverständlich KEINE Schwierigkeiten, dies alles unterzubringen! Wenn Gröttrup hier eine andere Meinung weissagt ist es falsch.

Da sich die Fertigentwicklung des SG 66 hinzog integrierte man dann die abgemagerte „Industriesteuerung“ im A-4, was eine immense Genauigkeitsverschlechterung des Zielkreises nach sich zog und das A-4 als V2 nur noch als Waffe auf großflächige Ziele taugte. Erst zum Kriegsende mit dem verbesserten Seriengerät SG 70 (und durch die Aluminium-Kardanringe auch um etliche Kilogramm leichter) war man wieder soweit, wie es mit dem ursprünglichen Layout des A-4 vorgesehen war: Mit diesem eigentlich sehr wertvollen Kriegsgerät A-4, „Punktziele“ (Kreis von 450 m Durchmesser bei einer Entfernung von 320 km[52]) treffen zu können.


Abbildung 4: Die Achsen in einem (Raum-)Flugkörper[53]

 

5) Wie sich Gröttrup in der Beschreibung und in der Skizze zur Geschwindigkeitsintegration auslässt (S. 171), ist es nicht zu begreifen. Selbstverständlich liegt das Integrationsgerät in der Längsachse (Rollachse; ist die x-Achse) der Rakete und summierte die Beschleunigungswerte sehr exakt zu damaligen Verhältnissen. Um auch die Querbeschleunigung um die Hochachse (Gierachse; ist die z-Achse) in die Zielgenauigkeit einzubeziehen, wurden bereits beim SG 66 zwei Integrationsgeräte für die Längs- und Querbeschleunigungsmessung verwendet. Die Formulierung von Gröttrup, dass die Messung nicht genau genug erfolgen kann, weil die Nase der Rakete nur ungefähr in ihre „endgültigen Flugrichtung zeigt“, ist Nonsens. Welche gesteuerte Rakete zeigt schon beim Start auf ihr Ziel? Die Umlenkung im Fluge musste ebenfalls so „langsam“ erfolgen, dass kein negatives Moment den stabilen Flug der Rakete beeinflusst. Die Integrationsschritte sind damit mathematisch so kurz gewählt, dass in der Zeitphase des Messens die Beschleunigung IMMER durch die Längsachse geht. Und das war genau und passte für die Zielkoordinaten sehr gut. Um der Querablage zu begegnen wollte man ja mit einem Leitstrahl schießen. Doch eine wahrscheinliche gegnerische Detektion ließ das schnell wieder fallen lassen. So verzichtete man dann vorerst auf das zweite „I-Gerät“, weil ja die Flächenziele Häfen und Städte auch breit genug waren, um Schaden zu verursachen, wenn man die Entfernung erreichte. Aus all dem kann man erkennen, dass das Aggregat 4 in der Baureihe B NIE fertig entwickelt war. Und das erkannte später selbstverständlich auch Koroljow[54]

 

6) Dem größten Irrtum, den Gröttrup in seinem Buch aufsaß, ist im Text auf Seite 134 und in der Abbildung auf Seite 135 manifestiert. In einer Brennkammer gibt es KEINEN thermochemischen „Druckaufbau“! Das ist ähnlich falsch, als wenn ich verbreiten würde, dass sich eine Rakete mit ihren erzeugten Verbrennungsgasen von der Erdoberfläche abstößt…

Eine Raketenbrennkammer ist kein Otto-Motor, wo in einem veränderlichen Brennraum ein Gemisch verdichtet und mit einem Zündfunken zur Verbrennung gebracht wird. Wir haben eine OFFENE „Tube“ für einen thermodynamischen kontinuierlichen Strömungsprozess. Nur wenn mal eine Brennkammer „vollläuft“, also mehr reaktionsfähiges Gemisch sich in dem vorgegebenen Raum befindet, als vorgesehen, kann sie über die Belastungsgrenze hinaus beansprucht werden J. Mit anderen Worten: Den Druck in der Brennkammer, den ich für meinen rechnerischen Output erreichen möchte, muss ich mit dem Flüssigkeitsdruck in die Brennkammer hineinbefördern. Da kommen natürlich auch noch die Reibungsverluste durch die Rohrleitungen und Ventile hinzu. Soll also in einer Brennkammer ein Druck von z.B. 15 bar herrschen, wie im A-4 ausgeführt, so MÜSSEN die zuströmenden flüssigen Medien für die Verbrennung ein paar Bar höher durch druckerzeugende Systeme (Pressgas oder Turbopumpe) beaufschlagt vorliegen. Das nachfolgende Diagramm der gasdynamischen Bedingungen in der Brennkammer des A-4 verdeutlichen dies augenscheinlich.


Abbildung 5: Thermofluiddynamische Vorgänge in einer Brennkammer[55].

 

 

 


Abbildung 6: Gasdynamische Bedingungen im „Korbkopfofen 39“, der Brennkammer des A-4[56].

Hinzu kommt, dass Gröttrups Vorstellungen der Prozesse in einer Raketenbrennkammer „antiquiert“ waren. Zum Ende des Krieges lag bereits eine besondere „koaxiale Mischdüse“ vor, die Brennstoff und Oxidator bereits in der flüssigen Phase vermixte und so als „Gemisch“ in die Brennkammer eintreten ließ. Diese an der TH Dresden entwickelte geniale Düsenform bewirkte nicht nur eine Verkürzung des Brennraums und damit Masse der Brennkammer, weil der Vermischungsprozess nicht mehr im „Brennraum-Kopf“ erfolgte, sondern die Medien schon beim Eintritt als Mixtur vorlagen. Dieser Koaxialinjektor ging mit den Deutschen sowohl in die UdSSR als auch zu den USA und vollzog seinen Siegeszug durch die ganze Welt, ohne dass die Nutzer es für notwendig hielten, irgendwo den Ursprung erwähnt zu haben[57]

Einsatz von Häftlingen im Dritten Reich an der Rakete

Zu Tode geschundene Häftlinge im Dritten Reich sind zu Recht immer ein sehr sensibles Thema, zumal es gerade in der Raketenproduktion scheinbar eine besondere, ja sehr hervorgehobene Stellung einnimmt. Deshalb ist es mir völlig unverständlich, dass Herr Schmidt diese inflationären Opferzahlen in seinem Roman präsentiert, die komplett an der Realität vorbei gehen, wie nachfolgend nachgezeichnet wird.

S. 16: Schmidt schreibt richtig, dass Kammler „skrupellos die Massenfertigung des A-4…mit Hilfe zigtausender KZ-Häftlinge“ organisierte. Genau, mit der SS und nicht mit dem Heereswaffenamt. Das ist doch nicht so schwer auseinanderzuhalten! Daher waren die Raketen äußerst mangelhaft, wie er auf S. 77 festhält. Bis Kriegsende konnten aber fast alle Fehler erkannt und abgestellt werden[58]. Das wird gern verschwiegen. Das „Mittelwerk“, in dem nicht nur die V1 und V2 zusammengebaut wurden, war ein staatseigener Rüstungsbetrieb, die SS hatte bei der Produktion die Aufsicht und die Wehrmacht durfte (nur) die Raketen übernehmen und verschießen. Die Heeresforschungsstätte Peenemünde bzw. die bereits zum Ende des Krieges in der Abwicklung befindlichen „Elektromechanischen Werke GmbH“ fungierten (nur) als QM-Stelle. Hätte von Braun oder andere sich dagegen erheben können?[59].

Schmidt verkennt hier die uneingeschränkte Macht eines totalitären Regimes, in dem der Einzelne keinerlei Rechte hatte.

Und doch erleben wir eine Überraschung: Seinem „Helden“ Helmut Gröttrup gesteht Schmidt blumig zu, dass er Angst bekam, weil die Gestapo ihm im Visier hätte (S. 75). Und weiter: „Er konnte sich nur dadurch schützen, dass er seine Arbeit am A-4 noch gewissenhafter machte“. Aha! Doch warum spricht Schmidt genau dieses permanent Wernher von Braun ab, wo er vielleicht noch stärker von der Gestapo beäugt wurde? Mit dieser Bewertung mit zweierlei Maß entsteht eine Vorverurteilung des ihm persönlich unmoralischen Waffenentwicklers Wernher von Braun.

Außerdem unterschlägt hier der Autor, dass ab Januar 1945 von Braun und die „Elektromechanischen Werke“ nach Bleicherode verlagert werden sollten, Dipl.-Ing. Heinz Kunze per Führerbefehl zum Leiter der gesamten Raketenentwicklung berufen wurde und von Braun zusätzlich durch die SS (Standartenführer Dr. Wagner) mit dem Leben bedroht und somit insgesamt „kalt gestellt“ wurde[60]. Wäre von Braun aber ein glühender SS-Mann, dürfte das doch nicht notwendig gewesen sein und er hätte sich liebend gern permanent in „Schwarz“ gezeigt. Oder?

Nur einmal – ganz kurz – gewährt Schmidt von Braun ähnliche ehrliche und menschlich verständliche Angstgefühle im fiktiven „Intermezzo im All“, rückblickend auf Hitler: „Wir waren nur sicher, solange wir ihm nützlich waren und ihm nicht widersprachen“ (S. 224). Na also!

 

S. 19: Von von Braun und Dornberger will Gröttrup nie „ein Wort zu den Zuständen im Mittelwerk gehört“ haben. Sie sollen also nichts von den Zuständen im Mittelwerk gewusst haben? Das ist wiedergekäute schlechte Propaganda. Von Braun war ein überzeugter Christ und hat sich nicht nur einmal für seine „Taten“ entschuldigt - siehe z.B. auf meiner Website[61]:

# Das „Rote Tuch“ - Weihnachtsbotschaft 2004, Wernher von Braun - Die Entschuldigung.

# Aggregat - Publikationen - Bücher - Bob Ward, Dr. Space: The Life of Wernher von Braun.

Wie weiter oben gerade beschrieben, hatte von Braun weder die Macht noch die Erfolgsaussicht, etwas im Regime unter Hitler zu ändern. Also: Schnauze halten und „Schwarz“ anziehen!

Grundlegend beruhen die Anschuldigungen der „Mittäterschaft“ von von Braun am angedichteten Mord an tausenden von KZ-Häftlingen auf Veröffentlichungen von Jens-Christian Wagner. Die möglichen moralischen Verfehlungen von Wernher von Braun wurden in Verbindung mit dem Mittelwerk erst viel später instrumentalisiert. Noch in den1960ger musste sich von Braun die Kritik gefallen lassen, wegen der V2-Einsätze gegen England mitverantwortlich zu sein[62].

Wie so oft in den neuzeitlichen Publikationen kommt auch hier also von Braun nicht gut weg. Warum man ihn aber als einen Bolschewistenhasser darstellt (S. 82), ist m.E. unglaubwürdig. Wieso tauscht er sich dann ganz offiziell mit dem in der DDR arbeitenden und darin assimilierten „Roten Baron“ Manfred von Ardenne 1969 umfangreich und sehr freundschaftlich aus[63]?

S. 20: „In Peenemünde wurden ab 1943 tausende Häftlinge und Zwangsarbeiter aus Frankreich, Polen und Russland eingesetzt“. Klarstellen muss man vorab, dass „Peenemünde“ oft, wie auch hier, als Synonym für die Raketenentwicklung des Heereswaffenamtes steht. Doch ein ebenfalls nicht unwichtiger Teil stand unter der Hoheitsgewalt der Luftwaffe. Unverständlich zuerst für mich ist, was der Unterschied von Häftling und Zwangsarbeiter im Dritten Reich gewesen sein soll. KZ-Häftlinge „fallen“ unter die Zwangsarbeiter, da hätte Schmidt eher noch die nach Definition[64] anders gearteten Kategorien Ost- und Fremdarbeiter angeben sollen. Zweitens unterschlägt er glatt, dass einhundert dieser Personengruppe DEUTSCHE waren und drittens es insgesamt 600 und nicht tausende waren (übrigens darunter KEINE Polen), die von Juni bis Oktober 1943 in der Nähe der Fertigungshalle F1 für Lagerarbeiten eingesetzt waren mit der Bezeichnung „KL[65] Karlshagen II“. Eine Rakete haben sie wahrscheinlich alle nie gesehen, geschweige denn daran gearbeitet. Wer das Gegenteil behauptet, reimt sich einfach nur etwas zusammen.

Beim britischen Luftangriff in der Nacht zum 18. August 1943 starben hier 18 Häftlinge[66]. Schmidt schreibt hier wider besseres Wissen von „Hunderte“. Gleich nach dem Angriff wurden die Häftlinge wieder abgezogen.

Allen Wissbegierigen empfehle ich die Lektüre des Franzosen Michel Fliecx aus Metz[67]. Er war einer der 600 Leidensgefährten, die Mitte Juli 1943 in Peenemünde ankamen und anfänglich im Untergeschoss der Fertigungshalle F1 untergebracht wurden. Ihre Aufgabe: Lager- und Sortierarbeiten. Drei Monate wird er dort unter fast normalen Bedingungen, wie sie sich im Krieg für Häftlinge ergaben – daran sollte man immer denken - arbeiten. Den Krieg und alle Lager überlebend wird er rückblickend schreiben: „In meinen anderen Lagern sollte ich noch oft an diese Zeit vor dem Bombenangriff auf Peenemünde zurückdenken, und sie erschein mir wundervoll“.

S. 67: Nach dem Royal Air Force-Angriff im August 1943 soll es „700 Tote, darunter 600 Gefangene und KZ-Häftlinge“ gegeben haben. Der ausgewiesene Kenner der Ereignisse auf Usedom, Manfred Kanetzki listet diese genau 701 Tote auf[68] und kommt auf ganz andere „Zuordnungen“:

§ Sterbebücher Heeresgutsbezirk, Zivilisten 365
§ Friedhofslisten, meist ortsfremde Soldaten 123
§ Massengrab, unbekannte Häftlinge 131
§ Massengrab, weitere nicht zuzuordnende Personen 66
§ KZ-Häftlinge Lager Karlshagen II 16[69]

Die gern ausufernden Zahlen von umgekommenen KZ-Häftlingen im Kohnstein sind ein oft verbreiteter „Sport“ der politisch korrekt sein wollenden Journalisten und Historiker. Ich habe die Grundlage dieser derzeit immer noch auf Wikipedia[70] publizierten „rund 20.000 Toten des Mittelbaus“[71] im Buch (der Dissertation) von Jens-Christian Wagners „Produktion des Todes“ „gefunden“. Dort schreibt er ohne Begründung oder sogar Nachweis auf S. 287 plötzlich über angeblich 20.000 Tote, ohne die Herkunft dieser Zahl irgendwie zu erläutern. Interessanterweise zeugen seine akribisch zusammengetragenen Zahlen in der Anlage ab S. 647 in der Aufsummierung dagegen aber nur von insgesamt 8.677 Toten, die – wie er auf S. 288 genauer formuliert – „auf den real existierenden BAUSTELLEN“ des Mittelwerkes und NICHT bei der MONTAGE der Raketen darin starben.

Komisch das. Und keinem kümmert`s…

Die mit „deutscher Gründlichkeit“ geführten Totenbücher weisen eine ähnliche Zahl auf: Zwischen dem 03.10.1943 und dem 08.04.1945 sind 8.007 Tote in den Dora-Listen vermerkt[72]. Weiterhin will Wagner interessanterweise wissen, dass von allen eingesetzten Häftlingen des KZs nur rund 10% an den V-Waffen (also nur Fluggeräte V2 UND V1 und nicht beim Volksjäger, nicht im Junkers-Flugmotorenbau u.a.m.) arbeiteten. Das ist einleuchtend und somit – der Statistik nach – auch umkamen? Will man das konsequent weiterführen sollten es also nur einen Bruchteil der damit maximal 800 Tote (diese 10%!) an den Taktstrecken der „V 2-Waffen-Produktion“ gegeben haben? Denn man müsste ja noch die Toten der V1-Produktion abziehen. Doch darüber wird man keine Totenzahlen finden...

Fazit: Leider wird überall kolportiert, dass insgesamt 20.000 Opfer ihr Blut ausschließlich an den Raketen hinterließen. Das ist definitiv in mehreren Größenordnungen (!) eindeutig gefälscht. Ein unerhörter Lügenteppich soll auch hier auf die Wahrheit der deutschen Raketenentwicklung und ihrer Akteure ausgebreitet werden…

 

Ebenfalls werden zu General Dr.-Ing. e.h. Walter Robert Dornberger irrige Behauptungen vom Romancier manifestiert. Er war weder in irgendeiner politischen Institution des Dritten Reiches (Als Offizier durfte er in keiner Partei etc. mitarbeiten.) noch warb man ihn zum Arbeiten in den USA an.

Grundlegend sehr falsch ist, dass Dornberger 1945 im Rahmen von Overcast in die USA geholt wurde. Richtig ist, dass er sogar gegen seinen Willen erst im Juli 1947 in die USA verschleppt wurde - darüber habe ich ausführlich berichtet[73]. Die beiden Anmerkung auf S. 345(N)“ und „(U)“ sind also frei erfunden.

Seine Verbindungen zu den Freimaurern (durch Vater und jüngeren Bruder) ist ein besonderes, höchst interessantes, unbekanntes Widerstandskapitel, das ich schon länger verbreite[74] und hier bereits erwähnte.

War General Dornberger aber trotzdem ein strammer Nazi, wie man überall lesen darf? Umfasst der Begriff Nazi im Bewusstsein von Herrn Schmidt alle Personen des Dritten Reiches oder eher doch nur die NSDAP-Mitglieder? Diese Antwort bleibt er uns schuldig.

Hätten sich General Dornberger und der sicher als Humanisten „eingestufte“ und deshalb auch verhaftete Gröttrup „fünf Minuten lang“ aus innerer Freude ihre Hände gegenseitig regelrecht gepresst, als Gröttrup aus Gestapohaft freikam (S. 72)? Herr Schmidt, hier beißt sich einiges…

 

Wiederum hatte General Dornberger, dieser war selbstverständlich nicht Kammler unterstellt, als Inspekteur des Heereswaffenamtes für das einwandfreie Funktionieren der zu verschießenden Raketen an der Front[75] sehr wohl die Zustände in den Fertigungsstollen im Visier (S. 19), und mit dem verantwortlichen zivilen Direktor für Planung der A-4-Fertigung Dipl.-Ing. Albin Sawatzki wurde dies gemeinsam nicht nur u.a. bei den A-4-Testabschüssen in Blizna kontrolliert.

Dornberger gab unter Eid folgende Erklärung ab: „Bei … meinen Besuchen im Mittelwerk, hatte ich nie den Eindruck, dass die Häftlinge im Werk irgendwie besonders schlecht oder sogar unmenschlich behandelt wurden. Sawatzki´s Auffassung, die er mir mehrmals auseinandersetzte, war, dass wer schlecht behandelt würde und darüber hinaus auch noch unterernährt sei, nicht voll arbeiten könne. Er hat viel für die Häftlinge getan. Ich erinnere mich z.B. an die Erhöhung der Häftlingsrationen, an die Häftlingskapelle, die in einem der Querstollen während der Mittagspause spielte. Außerdem daran, dass wir kaum Sabotagefälle hatten – jedenfalls wurden mir sehr wenige zur Kenntnis gebracht – eine Sache, die bei einem so komplizierten Gerät durchaus und leicht möglich gewesen wäre. Im Gegenteil einige technische Verbesserungsvorschläge durch Häftlinge wurden übernommen und eingeführt. …

Der Kommandeur meiner V2-Einsatztruppe meldete mir eines Tages, er habe von Kammler den Befehl bekommen, einen in der Nähe des Mittelwerkes gelegenen Steinbruch zur Sprengung vorzubereiten. Auf seine Frage, warum das geschehen solle, hat ihm Kammler geantwortet, dort sollten die Häftlinge getötet werden, die an der V2-Produktion beteiligt waren, damit sie nicht in Feindeshand fielen. Ich habe daraufhin Kammler angerufen und habe ihm meine Eisenbahn- und Transporttruppe zum Abtransport der Häftlinge zur Verfügung gestellt. Darauf ist Kammler eingegangen….

Als mein Stab, sowie die Luftwaffen- und Heeresverbände, die mir unterstanden, in der Nacht zum 6. März von Bad Sachsa nach Bayern abrückten, wurde mir von meinem Transportoffizier gemeldet, dass Transportzüge mit Häftlingen nach Norden im Abrollen waren.“[76]

Über die vielen KZ-Häftlinge, die einzig wegen ihrer Mitarbeit bei der Produktion der Rakete überlebten, wird man aber kaum etwas schriftlich Niedergelegtes finden. Es kann ja auch nicht sein, was nicht sein darf…

Einordnung der Leistungen der deutschen Spezialisten in der UdSSR

Leider sind die nachfolgenden kritisierten Ausführungen von Schmidt zu den „Deutschen Spezialisten in der Sowjetunion“ so überholt und damit falsch, dass man kein Wort darüber hätte verlieren müssen. Letztlich diskreditiert sich hiermit Schmidt von selbst…

S. 137: Die Deutschen in der UdSSR „…forschen, so scheint es, für den Papierkorb“. Warum hat sich dieser Blödsinn so in den Medien und voreingenommenen sowjetfreundlichen Köpfen festgesetzt? Dieser Papierkorb-Fake nahm über die Jahrzehnte schon ein episches Ausmaß an…

Seit vielen Jahren wird auch von mir zusammengetragen, was die deutschen Spezialisten in der UdSSR in der Raketentechnik entwickelten und dies heute noch sichtbar real existierend eingesetzt wird[77] [78]!

Bevor ich gleich näher darauf eingehen werde, entsprechende Hinweise zum nachweislich stattgefundenen „Technologietransfer in die UdSSR“.

Fakt ist, dass man in den ersten 5 Jahren in der UdSSR mühselig und mit riesigen Anstrengungen die deutsche Technik adaptierte. Dafür waren die Deutschen als Lehrmeister unentbehrlich. Gleiches gilt selbstverständlich auch in den drei anderen Siegermächten! Gleichzeitig sollten die Deutschen etwas Neues entwickeln. Das soll dann aber nur für den Mülleimer gewesen sein. Warum? Weil sie ja von der internationalen Entwicklung abgeschnitten waren!

So ein Nonsens!

Zuerst: Die Raketenentwicklung in Deutschland hatte einen internationalen Vorsprung von rund 10 Jahren – also noch genügend „Nährstoff“ (siehe hier weiter unten „gerade Antriebsbahn“ oder „Gasabzapfung der Brennammer“). Außerdem verbesserte man noch im Kriegsdeutschland weitere wichtige technische Details an/in den Raketen und entwickelte rund 100 (!) verschiedene Brennkammertypen[79], die erst viele Jahre später weltweit umgesetzt wurden.

Zweitens: Die Sowjetunion eignete sich nicht nur technische Lösungen oder personelles Know-how an, sondern auch die zugehörigen technologischen Arbeitsgrundlagen wie das deutsche (militärische) Qualitätsmanagement an/in der Rakete. Das hatte ich bereits 2006 publiziert[80].

Drittens: Wenn sogar Tschertok schreibt, dass bis zum Jahre 1953 Koroljow und Gluschko (Walentin Petrowitsch Gluschko; 02.09.1908 – 10.01.1989) von ihren Kritikern vorgehalten wurde, dass sich ihre gesamte Tätigkeit auf die Reproduktion der deutschen Technik reduziere, dann ist das schon sehr bezeichnend[81]. Und wenn man sich in die „Eingeweide“ der ersten sowjetischen Raketen begibt, so erscheinen einem die Rudermaschinen, elektrische Gerätschaften usw. schon äußerlich sehr deutsch, sprich den Vorbildern des A-4 sehr, sehr ähnlich. Damit begibt sich aber auch Tschertok aufs Glatteis, wenn er permanent behauptet, dass die späteren Raketen „frei von den Muttermalen der deutschen Raketentechnik“ sind. Daraus spricht aber nur die Besänftigung der unwissenden Sowjetbürger, Entschuldigung, der Russen bzw. der ganzen Welt und es ist grundsätzlich FALSCH, wie schon länger von mir publiziert[82].

Viertens: Im anschaulichen nachfolgenden Demonstrationsbeispiel für ein einzelnes „Raketen-Bauteil“ soll der Nachbau der so genannten List-Stecker (eigentlich: „Gerätestecker der Luftfahrzeuge; Bauart List“) dienen. Gröttrup gibt den Geheimdiensten an: „Wenn man im speziellen Fall die russischen elektrischen Verbindungen betrachtet, die von den deutschen List-Steckern nachgeahmt wurden, waren diese Kopien in Genauigkeit und Isolationsdaten besser als die der Deutschen[83].


Abbildung 7: Deutsche (linker Bildteil) und sowjetische Steckerteile passen perfekt zusammen[84].

 

Fünftens: Die metallurgische Industrie der UdSSR vermochte anfänglich nicht alle Werkstoffe zu produzieren, wie sie z.B. im Aggregat 4 eingesetzt wurden. Schon die nachfolgende Tabelle zeigt, dass gewaltige Anstrengungen notwendig waren dieses Manko zu substituieren, da man auch auf Jahre hinaus nicht die erforderlichen Werkstoffe liefern konnte. Besonders eindrucksvoll soll das erst beim Materialeinsatz der geplanten G-4/R-14 zum Tragen kommen. Damit war die „russische“ R-1 eher schon ein weiterentwickeltes A-4 als von allen „Kennern der Materie“ uns vorgegaukelte „plumpe Kopie der V2“, wie ich schon jahrzehntelang beweise[85].

 


Abbildung 8: Vergleich der eingesetzten Werkstoffe in den Raketen A-4 (untere Zeile) und R1[86]. Spaltenbezeichnungen: Materialien / Stähle / Gusseisen / Buntmetalle / Kunststoffe / Galvanische Überzüge / Lacke.

 

Sechstens: Dass die Deutschen mitnichten von der internationalen Entwicklung abgeschnitten waren zeugt wieder ein eindeutiges Beispiel: Sie wurden unverzüglich mit der aktuellen internationalen Fachliteratur versorgt, wie mir übergebene Bücher zeigen. Das nachfolgende Bild sollte es belegen.

 

 

 

 

 

 

Abbildung 9: Sowjetisches Fachbuch mit aktuellen Beiträgen aus dem Amerikanischen übersetzt aus dem Jahr 1948. Herr Baum arbeitend in Chimki bei Gluschko erhielt es, wie eingetragen, unmittelbar nach russisch übersetztem Druck am 20.11.1949[87].

 


Warum nur will man uns immer wieder in dem Glauben lassen, dass alles, was die Deutschen den sowjetischen Ingenieuren in den Schoß legten, anschließend gleich vernichtet wurde? Das ist doch exorbitanter Unsinn! Russland hütet bis heute das Geheimnis des unglaublichen Schatzes niedergeschriebenes deutschen Ingenieurwissens auf TAUSENDEN DOKUMENTEN UND ZEICHNUNGEN[88] und man schwört förmlich auch heute noch permanent, dass der Mülleimer überquoll mit diesen nutzlosen deutschen Entwicklungen…

Man leugnet auf einmal sogar kategorisch, dass jemals Deutsche in den geheimen Stätten der UdSSR arbeiteten – so geschehen bei einem Besuch in Gluschkos Firma in Chimki mir gegenüber vom leitenden Mitarbeiter der NPO Energomash Wjatscheslaw Rachmanin vor wenigen Jahren. Und wenn man dem „Raumfahrt-Experten“ Don P. Mitchell vertraut, hat man von Seiten der NPO Energomash sogar jede Kenntnis von deutschen Spezialisten in ihrer Firmengeschichte bestritten[89]. Das ist einfach nur eine unverfrorene Lüge!

S. 139: Koroljow „möchte die leistungsstärkere Rakete alleine entwickeln“ ohne die Deutschen mitarbeiten zu lassen. Auch das ist eine festgefressene UNWAHRHEIT, genau wie das Statement auf S. 149, Koroljow sei „…auf deutsches Wissen nicht angewiesen“. Die RICHTIGSTELLUNG sogar aus Koroljows Feder aus dem Jahr 1947 lautet folgendermaßen: 

„Über die Nutzung der deutschen Spezialisten. Im Schreiben vom 29. März 1947 habe ich die Frage des Heranziehens der früher in der Fertigung in Deutschland arbeitenden deutschen Spezialisten in die Fertigung der ersten Erzeugnisse (gemeint sind die Raketen) gestellt. Dennoch sind deutsche Spezialisten bis heute zu den Arbeiten in der Produktion nur als Beobachter herangezogen worden, die keine Verantwortung für die Qualität der Arbeiten tragen. Die Erfahrung der Fertigung der ersten Erzeugnisse zeigt, dass für die Erhöhung der Qualität der Arbeiten sowie für die Beschleunigung der Ausbildung der sowjetischen Spezialisten es nötig ist, dass deutsche Experten unmittelbar an der Produktion teilnehmen und persönliche Verantwortung für die Qualität der Arbeiten übernehmen.

Es ist notwendig, dass die deutschen Spezialisten die Verantwortung mittragen, die Qualität der Arbeiten an ein Erzeugnis bestätigendes Dokument unterschreiben und die Möglichkeit haben, für die Verbesserung der Qualität der Arbeiten nötige Maßnahmen durchzuführen“ [90].

Und das liest sich selbstverständlich komplett ganz anders…

Aber man sollte auch folgendes beachten. Koroljow war sich sicher bewusst, dass, so lange Deutsche in der sowjetischen Raketenentwicklung mitarbeiteten, sie durch Geheimniskenntnisse vorerst nicht nach Deutschland zurück dürfen. Da war er sicher sehr in einer mentalen „Zwickmühle“…

Doch dass auch Boris Tschertok uns Lügen auftischte, um ein Unnütz der Deutschen – wie man gerade wieder erneut lesen musste – dauerhaft in Stein zu meißeln, sollen aus dem oben genannten anschließenden Zeitraum September 1947 die folgenden zwei Äußerungen aus seinen Büchern dienen[91]. Tschertok im Gespräch: „…wenn Gröttrup unter der Leitung von Koroljow arbeitete, wäre das auch nicht real, weil Koroljow sofort erklären würde: Warum? Wir können das alles selbst.“ Gesprächspartner Woskresenskij erwidert: „…Für ihn (Koroljow) haben die Deutschen ihre Sache schon getan. Sie sind für ihn im Weiteren nicht mehr notwendig.

Unverfrorener geht es kaum noch! Leider sind hierzu diese o.g. absolut konträren Äußerungen Koroljows bisher nirgends ausgewertet worden…

S. 158: Die „Neuigkeiten“, die Gröttrup den sowjetischen Ingenieuren für die neue Rakete G1 vorschlug, waren nur für die sowjetischen Zuhörer neu:

Ø  Die Anzapfung der Brennkammer, um heiße Gase zu entnehmen und damit eine Turbine für die Treibstoffförderpumpen anzutreiben, beruhte auf dem „Deutschen Reichspatent“ des Heereswaffenamt-Prüfwesens vom 01.05.1936[92].

Ø  Das Abtrennen des Gefechtskopfes nach Brennschluss war schon in Erprobung in der experimentellen Phase 1944 beim A-4[93]. Das wäre ergänzend auch ein Hinweis auf die Testung von Mechanismen beim Trennen von Stufen bei mehrstufigen Raketenprojekten (siehe Bemerkung zur S. 230)

Ø  Auch wenn Tschertok und auch Suslina das „Bahnmodell“ von Dr. Hoch als Weltneuheit preisen (siehe später dort) – der Erfinder dieses ersten Analogrechners für die Bahnmodellierung einer Raketenantriebsbahn, Dr. Helmut Hoelzer, hatte dieses von ihm benannte „Bahnmodell“ bereits 1943 in Peenemünde entwickelt[94] und immer weiter vervollkommnet[95].

Ø  Und die sogenannte „gerade Antriebsbahn“ mittels Leitstrahls als alternative Zwangsbahn des A-4 entwickelte man schon im 2. WK, doch verzichtete man in den meisten Fällen darauf, weil der Gegner diesen Funkleitstrahl hätte detektieren können und so den Startbereich der Raketen entdecken und Gegenmaßnahmen einleiten würde.

Für mich wird dieser Leitstrahlvorschlag aber gigantisch sensationell, weil man überall in den Dokumenten (bei Gröttrup und auch bei Tschertok) nachliest, dass die Entwicklung für die „deutschen“ Raketen von der A-4 über der R-10 bis zur R-14 diese vom Boden aus funktechnisch vorgegebene Antriebsbahn verwendet werden sollte. Und der Clou von Koroljow, die für mich eine bezeichnende Ehrerbietung an die Deutschen ist: Sie wurde sogar bei der R-7 PRAKTISCH lange Zeit angewandt!!! Ich komme in dem betreffenden nachzureichenden Kapitel darauf zurück.

S. 181: „Quarantäne des Vergessens“. Ich kann es nicht mehr hören! Noch einmal klar hervorgehoben: Wenn die Deutschen in der UdSSR nur für den Papierkorb arbeiteten, weil sie ja an keinem geheimen Projekt mitwirkten, wieso sollen sie dann länger in der Sowjetunion gehalten werden? Nur, um alles dieses „Unnütze“ wieder zu vergessen?

Und wieso soll ich etwas vergessen, wenn ich mit anderen Sachen „beschäftigt“ werde? Vergesse ich das Einmaleins, wenn ich im Wald spaziere oder entfallen mir physikalische Gleichungen, wenn ich Sport treibe? Das ist doch größter Blödsinn. Und die Leute waren Fachexperten, hochgebildete Ingenieure mit Hochschul-Diplom oder Doktortitel. Warum sollen gerade die ihr Rüstzeug und deren Anwendungen und Lösungen vergessen?

Ich denke, diese „Vergessenstheorie“ wurde gern von Personen verbreitet, die es damals nicht besser wissen konnten, weil in den Fünfzigern (!) irgendein Argument herhalten musste für die „komische Art“ des Dahinhaltens in der SU. Denn man sah ja kein Ergebnis ihres Schaffens. Erst als die Rakete R-7 in der Version für das Wostok-Raumschiff zum 27. jährlichen Luft- und Raumfahrt-Salon in Le Bourget vom 26. Mai bis zum 4. Juni 1967 ERSTMALIG außerhalb der Sowjetunion zu bestaunen war, war es eine Genugtuung sowohl für die Brennkammerentwickler unter Werner Baum bei Gluschko als auch der Raketenzellenkonstrukteuren mit Konrad Toebe bei Koroljow gewesen: SIE SAHEN ENDLICH, DAS WIRKLICH ETWAS AUS IHREN KONSTRUKTIONEN ENTSTANDEN WAR!

Der Grund der Geheimhaltung und permanentes Verschweigen und rigoroses Leugnen der wahren Leistungen und genutzten Ergebnisse deutete Siddiqi ja schon an. Waren es nur politische Zwänge, oder wollte Koroljow die Deutschen noch etwas „dabehalten“, falls etwas schief läuft bei der weiteren rein sowjet-russischen Entwicklung? Bei den „Triebwerksleuten“ bei Gluschko in Chimki zeigte sich ja, dass man bei den sich anhäufenden Problemen gern Werner Baum und seinem Kollektiv konsultiert hätte. Doch die durften schon 1950 in die DDR ausreisen[96].

Leider hat gerade auch Gröttrup diese „künstliche Demenz“ in seinen Publikationen genährt, ohne sich komischerweise daran zu halten, wie seine ausführlichen detaillierten „Erinnerungen“, auch den westlichen Geheimdiensten gegenüber, belegen.

Wollte er sich vielleicht offiziell nicht mit „seiner Sowjetunion“ anlegen?

Ging einiges tatsächlich „verschütt“ oder war Gröttrup durch seine Absetzung als „Leiter des Deutschen Kollektivs“ nicht mehr in den Arbeiten der anderen Abteilungen tiefer involviert (siehe S. 176)?

Daher waren sowohl er wie auch Albring und Toebe nicht mehr auf dem letzten Stand der Entwicklungen auf Gorodomlja, wie man an deren Ausführungen im Vergleich zu den noch am Ende des Aufenthalts der Deutschen auf der Insel ausgeführten Arbeiten und Lösungen erkennen kann. Ich werde das an Hand des Beispiels „bewegliche Steuerdüse“ weiter unten belegen können.

„Komisch“ ist aber auch, dass in den bisher bekannten veröffentlichten Berichten des CIA diese „letzten Sachstände“ nicht auftauchen. Oder hält man die verständlicherweise immer noch schön unter Verschluss?

Vielleicht war es aber auch das Desinteresse an Arbeiten der anderen oder die immer wieder vorgeschobene „Überarbeitung“ mit den eigenen Forschungsproblemen, wie Albring ausführt[97]? Wir werden es wohl nie erfahren…

 

Lassen Sie uns doch einmal darüber nachdenken, was es bewirkt hätte, als die einzigartigen Anarbeitungen der deutschen Spezialisten in der Fremde ihren sinnhaften Zweck bei der praktischen sowjet-russischen Raketentechnikentwicklung belegten, wohlwollend lobend angenommen worden wären und anschließend ihren Siegeszug um die Welt anträten. GAR NICHTS. Jede politische Führung des jeweiligen Sieger-Landes, jede Institution darin und jeder nationale Wissenschaftler und Ingenieur würde weiterhin fest behaupten, dass die Mithilfe der Deutschen nicht maßgeblich war…

Und doch war die „Hilfe“ sehr grundlegend! Das kann man endlich heute anhand der damaligen angefertigten Berichte oder mittlerweile veröffentlichten technischen „Geheimnissen“ sehr gut nachzeichnen…

„Ein Freund, ein guter Freund…“

Wie standen nun die Freunde aus vergangener Zeit nach dem Krieg wirklich zueinander? Schmidts Auslegungen sind so nicht haltbar. Daher kurz die drei für mich wichtigen Personen Gröttrup, von Braun und Dornberger im Kontext zugeordnet.

 

Warum berichtet Gröttrup in seinen Publikationen weder über detaillierte Konstruktionen eines kegelförmigen Raketenkörpers, noch über den maßgeblichen Flachwasserkanal für aerodynamische Untersuchungen, erst recht nicht vom revolutionären „Albring-Kopf“ und schweigt sich über die einzigartig neuen beweglichen Steuerdüsen aus?

Gerade dieses maßgebliche Hilfsmittel Flachwasserkanal gibt Gröttrup NIRGENDS in seinen Veröffentlichungen an. Denn die Ermittlung von Außenformen von Raketenkörpern UND zugehörigen Sprengköpfen mit dem Flachwasserkanal konnten die mitentwickelnden Abteilungen der Aerodynamik unter Albring, besonders sollte hier endlich einmal der Bereich Konstruktion mit dem begnadeten Ing. Konrad Toebe, einem ausgewiesenen ehemaligen Statiker bei Arado (09.08.1913 – 01.07.2000) hervorgehoben werden, die Aussage von Gröttrup belegen: „Der Gedanke (hält mich gefangen), mit der ganz alten Tradition auch in der Außenform zu brechen. Mit Tradition kommen wir hier nicht weiter. ... Doch die Kegelform der Rakete halte ich für die beste, grundsätzlich einzig mögliche Lösung.[98] Ich hoffe sehr, dass die Leserschaft an dieser Stelle begriffen hat, wieso dieser berechtigte Ausspruch getätigt wurde.

Und dennoch stellt sich mir die Frage: Warum ließ er uns schon damals nicht an diesen hier aufgeblätterten genialen Lösungen und praktischen Erfindungen teilhaben? War er aus Zeitmangel „desinteressiert“ an der Arbeit der anderen? Albring berichtet ja von ähnlichen Beweggründen, wie bereits berichtet[99].

Zur R-14 gibt er nur in Nebensätzen Varianten der Kegelrakete mal mit Wellblechheck, mal mit Schubkrafteinleitung über einen zentral unter dem Tank liegenden Kardan, mal aber wieder über ein Schubgerüst in den Hauptspannt an. Ähnliches schreibt Albring, als er von Gröttrup von der Peenemünder Idee für einen Raketenkörper OHNE Flossen/Leitwerk hörte[100].

Ergänzend erzählte mir Toebe, dass Gröttrup neben seinen hochspeziellen Fachkenntnissen der Steuerung und der Elektronik seiner Meinung nach kein tieferes Wissen von Raketentechnik besaß. Er soll zu Toebe gesagt haben, man könnte doch den Raketenkörper aus Beton herstellen, dann hätte man keine thermischen Probleme. Toebe bewertete mir gegenüber diese Aussage wegen dem gewaltigen Masseanstieg der Zelle als „Unsinn“. Betrachtet man aber diesen Vorschlag im Kontext der Untersuchungen zu der Erhitzung von Raketen beim atmosphärischen Wiedereintritt, so wie es auch Albring in seinem Buch beschreibt[101], entsteht ein ganz anderer Sinn, erweitert die Sinnhaftigkeit dieser „Frage“ und grenzt diese möglichen Untersuchungen auf 1953/54 ein. Es belegt außerdem m.E. auch den Ort des Verbauens des Betons: An der Sprengkopfspitze im Staupunkt, wo über 2.000°C entstehen. Denn in den geheimen Berichten aus Gorodomlja kann man im o.g Zeitraum lesen: „Untersuchung von Raketenspitzen verschiedener Form im Gasstrahl von Flüssigkeitstriebwerken“. Als „Form“ sollte man nicht nur die äußere Geometrie, sondern erst recht die innere Struktur ins Kalkül ziehen…

 

Als einen weiteren bezeichnenden Beleg für Gröttrups Unkenntnis sogar an „seinen Raketen“ sandte Toebe mir ein Schreiben von Gröttrup zu, in welchem Gröttrup ihn fragte, ob „in der R-14 im Gegensatz zur R-10 der Sauerstoffbehälter hinten lag[102]. Das ist wiederum ein klares Indiz für seine ungenügende Kenntnis des Raketenaufbaus ab einem bestimmten Zeitpunkt – vielleicht nach Absetzung als Leiters des Kollektivs und damit keine direkte Beteiligung mehr bei einigen wichtigen Detailierungsprojekten auf Gorodomlja?

Und trotzdem hier hervorgehoben: Die Rakete ist solch ein komplexes Gebilde, dass es keine Schande ist, von anderen Funktionalitäten oder Insider-Knowhow keine tiefere Fachkenntnis zu haben…

 

Eine letzte Frage ist doch noch zu stellen: Hatte Gröttrup etwa Angst vor den „Russen“? Oder hielt er sich pflichtbewusst an seine Verpflichtung mit dem sowjetischen ehemaligen Arbeitgeber, nichts über seine (selbstverständlich geheimen!) Arbeiten in der Öffentlichkeit verlautbaren zu lassen?

Grundlegend sollte man beachten, dass Gröttrup aber wegen Entzug der Leitung (siehe S. 176) des „Deutschen Kollektivs“ ab September 1950 von allen weiteren Entwicklungen ausgebootet war und bis zur Ausreise aus der UdSSR im November 1953 fachlich kaltgestellt wurde – außer in seinem Spezialgebiet der Hochfrequenztechnik. Hier „tobte“ er sich weiterhin aus und war der gefragte Fachmann.

Alle Angaben von ihm zur „deutschen“ Raketentechnik in der UdSSR sind somit temporäre „Momentaufnahmen“, teilweise nicht mehr auf dem aktuellen Sachstand beruhend, aus dem Gesamtzusammenhang der Konstruktionen zu einem bestimmten Zeitpunkt herausgerissen und deuten nur verbal einige Arbeitsrichtungen an, beschreiben wenige Ideen. Leider nehmen Historiker und erst recht Journalisten diesen temporalen „Zeittunnelzustand“ als ewiges Manifest…

 

Mit „Wess Brot ich ess, des Lied ich sing“… möchte ich Gröttrups Raketenschicksal schlussendlich umreißen. Gröttrup liebäugelte selbstverständlich weiterhin mit der Raketentechnik und lotete seine Chancen aus. Doch er entschied sein Schicksal selbst -

# durch seine offen zu Tage getragene positive Haltung zur UdSSR (siehe u.a. S. 208),

# durch das „ausplaudernde“ Publizieren seiner (Ex-)Ehefrau,

# durch die augenscheinlich fachlichen Fehler in seinem Buch „Über Raketen“ und

# durch seine strikte Ablehnung, in die USA gehen zu wollen (S. 210).

Diese Punkte werden noch durch den m.E. wichtigsten Widersacher für die Raketenkarriere Gröttrups übertrumpft, gegen das er keine Chance hatte, es zu verleugnen: Er war jahrelang in der UdSSR gewesen und wurde nun von allen westlichen (selbstverständlich militärischen) Raketenbauern insgeheim als der „kommunistische Spion“ abgestempelt. Unmöglich für eine Mitarbeit an den Raketen der „Freien Welt“.

 

Legte er aber das Interesse an der Raketentechnik ad acta? Natürlich nicht.

Denn im Gegensatz zur hier von Schmidt leierhaft wiederholt vorgetragenen Ablehnung Gröttrups gegenüber der Raumfahrt und ihrer Antriebstechnik, wie er es uns z.B. auf S. 216 weismachen möchte, suchte Gröttrup aktiv fachlichen Raketen-Anschluss. Schmidt schreibt dort: „Aus diesen Diskussionen (zu Raketen, Satelliten und Raumstationen, wie im SPIEGEL-Beitrag von 1955 ausgebreitet) hält sich Helmut Gröttrup heraus.“ Das Gegenteil war der Fall!

Zum 3. IAF-Kongress in Stuttgart vom 1. bis 6. September 1952 mit Wernher von Braun – mit unglaublichem Medieninteresse dieser ersten Veranstaltung dieses Faches auf (west-) deutschem Boden – war Gröttrup noch in der UdSSR und eine Teilnahme war ihm logischerweise verwehrt.

Doch unmittelbar nach dem Erscheinen des o.g. SPIEGEL-Artikels, nun in der BRD lebend, packte Gröttrup sofort die Chance beim Schopfe und schrieb sich zur „Internationalen Tagung über Staustrahlen und Raketen“ vom 6. bis 8. Februar 1956 in Freudenstadt ein, zu der das neugegründete Stuttgarter Institut von Eugen Sänger erstmalig lud. Übrigens war auch der junge Lutz T. Kayser zugegen, der bald als Chef der OTRAG Ost und West „ärgerte“[103]. Gröttrup kam hier in Kontakt zu vielen damals bekannten Raketenexperten aus dem In- und Ausland, sogar aus der UdSSR.

Und - das soll ihn kalt gelassen haben? Warum denn war er zugegen?

 

Im August 1958 fand der 9. IAF-Kongress in Amsterdam u.a. mit von Braun und Dornberger statt. Warum nahm Gröttrup nicht teil, um seinen „lieben alten Chef“ aus Peenemünde zu treffen? Sollte er vielleicht gehofft haben, dass er auf ihn nur einen Monat später in Bremen auf der Veranstaltung der „Arbeitsgemeinschaft für Raketentechnik“ treffen würde, auf der er erstmals ausführlich über seine fachliche Arbeit in der Sowjet-Union vortragen sollte? Das würde doch bekannt sein und so hoffte er auf seine ehemaligen Peenemünder Vorgesetzte.

Schließlich veröffentlichte er 1959 seine beiden Bücher zur Raumfahrt und Raketentechnik. Wie will man sich damit aus der breiten Diskussion darüber heraushalten???

 

Dornberger vermochte in den USA nur etwas bewirken, würde er mit „Kommunistenfreunden“ niemals in Verbindung gebracht werden. Diesbezüglich ist bezeichnend, dass Gröttrup in Dornbergers Nachlass nirgends namentlich auftaucht und in seinem Buch „V2“ der Name Gröttrup (ohne Vornamen zu nennen) nur notwendigerweise in Rahmen der Verhaftung von Wernher von Braun und der anderen eine untergeordnete Rolle spielt.

Und doch schienen Dornberger und Gröttrup „sich zu mögen“. Am 06.09.1958 schrieb Gröttrup eine Postkarte von der „Internationalen Raketen- und Raumfahrttagung“ der „Arbeitsgemeinschaft für Raketentechnik“ in Bremen an seine Frau Irmgard: EINEN GRUSS DER DAHEIMGEBLIEBENEN VON DEN „BESESSENEN“ WELTRAUMSCHIFFERN wonach 10 Unterschriften folgen, Walter Dornberger als erster oben anführend. Und auf der Vorderseite vermerkt er (in Klammern seine Auslassungen): „Gen(eral) Dorn(berger) wurde heute 63 Jahre alt – den Rest kannst du dir denken. Steinhoff & v. B(raun) kamen nicht. Mein Vortrag ist morgen – Stimmung ok. Dein Püffel“.

Der „Rest“ ist nur an den Bildern zu erahnen…


Abbildung 10:  Es wird auf Dornbergers Geburtstag geprostet!? V.l.n.r.: Gröttrup, Strughold, Gartmann[104].


Abbildung 11:  Am nächsten Tag nur Cola. Gröttrup und Dornberger auf der Tagung 1958 in Bremen[105]

 

Am 7. September 1958 referierte Gröttrup „Aus den Arbeiten des deutschen Raketen-Kollektivs in der Sowjet-Union“. Ein einzigartiger Schnappschuss nach seinem Vortrag zeigt ihn beim Abwischen seiner erläuternden zugehörigen Skizzen über Antriebsbahn, Nutzlast und Stufenkühlung der Brennkammer.


Abbildung 12:  Helmut Gröttrup am 07.09.1958 an der Schiefertafel[106]

Und wie war nun das „Verhältnis“ von Wernher von Braun zu Helmut Gröttrup wirklich?

Im Archiv in Huntsville, was die wichtigen Briefwechsel von von Braun akribisch hütet, taucht der Name Gröttrup nirgends auf.

Von Braun war in den Fünfzigern noch bis weit nach der Gründung der NASA (29.07.1958) Zivilangestellter zuerst des Militärs (Heer) und dann der am 01.02.1956 neu gegründeten Army Ballistic Missile Agency (ABMA) in Huntsville/Alabama[107]. Permanent war er den strengen militärischen Constraints unterworfen, was man grundlegend beachten sollte. Sein Team von der ABMA startete den ersten amerikanischen Satelliten und nicht die NASA. Von Braun und sein Team wurden erst im Oktober 1959 der zivilen NASA überstellt. Per 01.07.1960 errichtete man das George C. Marshall Space Flight Center (MSFC) worin Wernher von Braun zum Direktor ernannt wurde...

Von Braun musste selbstverständlich in der Öffentlichkeit seine Karriere beim amerikanischen Militär schützen, indem er sich zum „kommunistischen“ Gröttrup räumlich distanzierte. Erst im September 1959 soll es eine erste offizielle Begegnung zwischen von Braun und Gröttrup auf der Internationalen Luftfahrtausstellung in Frankfurt gegeben haben (S. 236). Wollte vielleicht von Braun sich bis dahin nicht auf dem gleichen Parkett wie Gröttrup bewegen und von vornherein mögliche Sicherheitsbedenken der Militärs aus dem Weg gehen?

Erst einen Monat bevor er und sein Team der NASA eingegliedert wurden, konnte er nun den öffentlichen zivilen Befreiungsschlag und den persönlichen Handschlag mit Gröttrup wagen…

Abschluss

Zum Ende des Romans springt uns aus der entrückten Sphäre ein regelrechter Hass auf die Maschinen entgegen, wenn Schmidt sein Statement abgibt, dass „Maschinen und Automaten den Menschen abhängig machen und unterdrücken“ (S. 340). Spricht hier ein Neo-Maschinenstürmer? Political Correctness bei der Wissenschaft? Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei[108]! Schmidt möchte gern mit dieser Schuld der Ingenieure, die scheinbar jeden zu „gepeinigten Sklaven der Maschine“ macht, uns Ingenieurswissenschaftlern ein Stigma anheften und fragt sich allen Ernstes „Wo bleibt der Sinn des Lebens, die Freude an den kleinen Dingen?“ Freut er sich gar nicht, wenn er mal ein vierblättriges Kleeblatt findet oder ein paar Glückscent vom Boden aufhebt? Alltägliche Technik wird gern als „schon immer da gewesen“ hingenommen aber neue Ideen oder Erfindungen auch aktuell die KI als „Teufelszeug“ geächtet. Meiner Erfahrung nach muss der Autor sehr verzweifelt oder traumatisiert sein, so ein „Manifest“ niederzulegen. Eine erschöpfende Antwort darauf vermag ich ihm leider nicht geben…

Wenn ich dieser Aussage trotzdem sinnvoll entgegnen sollte, würde ich mit einer Arbeitsthese Werner Albrings aus „Gorodomlia“ kontern: „dass alle Technischen Hochschulen abgeschafft werden müssten, denn sie seien für den Fortschritt der Waffentechnik letztlich verantwortlich[109]. Doch damit würde der Vorhang des meiner Meinung nach in eine komplett verkehrte Richtung aufgebauschten „Bühnenstücks“ vollständig geschlossen bleiben. Denn was sonst würde der Autor dann bemühen müssen, als wie hier den phänomenalen Erfindergeist der drei Protagonisten, um unseren blauen Planeten zu retten und zu erlösen? Fakt bleibt: Deren fachliches Rüstzeug haben sie sich NUR über ihre eigene hohe ingenieurstechnische Bildung, mit ihrem sich angelegten Erfahrungsschatz und mit den Quantenerkenntnissprüngen der Technologie aneignen können!

 

Schmidt nimmt sich auf S. 228 Irmgard Gröttrups fiktiv ausgeschmücktes Tagebuch „Die Besessenen und die Mächtigen“ an und schreibt: „Raffiniert verwebt … nicht immer getreu den historischen Tatsachen“.

Der Autor übertraf sie für mich mit seinem Märchenbuch leider um ein Vielfaches.

Viele Leser werden darin sicher nichts Verwerfliches erkennen.

Für mich aber sind besonders diese nostalgisch sowjetfreundlichen Hirngespinste, die bis zur Verleumdung der wahren technischen Leistungen deutscher Raketenspezialisten in der UdSSR reichen, leider nicht mehr zu akzeptieren…

 

© Przybilski 2024 (für Text und nicht näher gekennzeichneten Abbildungen)

Ein „Nachwort“ an die Leserschaft

Ich habe mich entschlossen, diese sensationellen Neuigkeiten vorab hier auf meiner Website EXKLUSIV in Auszügen vorzustellen. Ausführlichst werde ich das in einem Band aus meiner Reihe „Raketentriebwerke...“ veröffentlichen.

 

Derzeit finalisiere ich noch die folgenden Kapitel hier für die Website, die ich in den nächsten Wochen ebenfalls dann ablegen werde:

Das besondere Steuerungsproblem „gerade Antriebsbahn“

Hier werde ich nachweisen, dass die Formulierung von Schmidt auf S. 137, die Deutschen in der UdSSR „…forschen, so scheint es, für den Papierkorb“, schon lange nicht mehr haltbar ist und ich werde diesen „Papiermüll“ anhand von Aufsätzen, Skizzen, Fotografien und praktischen ANWENDUNGEN widerlegen.

In diesem Kapitel folgt zur Steuerung eines Raketenstarts ein unumstößlicher Fingerzeig, nein, eher ein Faustschlag, auf die wirklichen Leistungen der deutschen Experten für Bahnsteuerungsprobleme, die die weiteren Arbeiten der anderen Abteilungen auf Gorodomlja maßgeblich beeinflussten. Diese geniale Lösung des Kollektivs um Gröttrup wurde bis in die sechziger Jahre hinein Standard bei sowjetischen Raketenstarts. Denn ALLE Raketen, und erst recht die militärischen, wurden bis dahin vom Boden aus FERNGESTEUERT nach Gröttrups Ausarbeitungen! Dafür ziehe ich das unbekannte Geheimpapier von Gröttrup „Hochfrequenzsteueranlage für Fernraketen“ heran und bebildere es mit den einzigartigen Belegen aus den Unterlagen aus der Filiale Nr. 1 des NII-88, wie nachfolgend beispielhaft zu sehen.


Abbildung 13: Links nachgezeichnete Bodenpeilantennenanlage von Gröttrup[110], daneben Visualisierung und darunter die praktische Umsetzung im Foto[111].

Eine geniale Lageregelungslösung

In diesem technischen Exkurs zur Lageregelung einer Rakete, der noch nie so in den Fachmedien in Zusammenhang mit den Leistungen des deutschen Kollektivs in der UdSSR erörtert wurde, soll der Nebensatz von Schmidt auf S. 241 als „Aufhänger“ dienen: „…das Triebwerk musste auch zum exakt richtigen Zeitpunkt ausgeschaltet werden“. Das ist sehr ungenau, um nicht zu schreiben recht rudimentär, formuliert. Denn die Zielgenauigkeit einer Rakete beziehungsweise der genaue Absetzpunkt einer Oberstufe oder Nutzlast in eine gewünschte Bahn bei „Brennschluss“ ist im Komplex abhängig

Ø  vom Neigungswinkel der Bahn gegenüber der Horizontalen,

Ø  von der Brennschlussgeschwindigkeit

Ø  und dem Brennschlussort.

Nur wenn all diese Forderungen „zeitlich“ passen, wird „ausgeschaltet“. Und das dafür zwingend notwendige bewegliche Steuertriebwerke wurden auf Gorodomlja entwickelt und auf dem Prüffeld „Objekt Nr. 1“ getestet. Das ist eine weitere Sensation. Denn diese Triebwerke sind nicht nur für die Lagesteuerung der Rakete beim Aufstieg erforderlich gewesen, sondern gaben nach Brennschluss der Haupttriebwerke den letzten wohldosierten „Schubs“ in das System, womit über diese feine Beschleunigung es vereinfacht wurde, EXAKT abzuschalten. Die Rakete Atlas und die R-7 bekamen daher genau dafür dieserart Triebwerke…

 


Abbildung 14:  Die um eine Achse bewegliche Steuerbrennkammer[112].

Die kegelförmige Rakete R-14

Hier wird hervorgehoben werden, dass diese Kegelform der Raketenstruktur wirklich neu und in der Raketentechnologie einzigartig war und heute nur noch an einer fliegenden Rakete, der R-7A (so genannte „Sojus“-Rakete und ihrer Vorgänger und Schwestern) ein Alleinstellungsmerkmal hat. Dieser „Donnerkeil“ der Deutschen um Gröttrup ist somit heute immer noch sichtbares bleibendes Denkmal. Somit war die Kegelform der Rakete weltweit wegweisend und so genial, dass sogar nach Bekanntwerden in den USA ab Anfang der 1950ger Jahre durch die Aussagen deutscher Rückkehrer aus der UdSSR gegenüber General Walter Dornberger und den westlichen Geheimdiensten man alles auf den Prüfstand legte. Diese kegelige Struktur in einer AlMg-Legierung wurde zuerst Blaupause für die übereinandergestapelte zweistufige, bisher gänzlich unbekannte R-6, die ich detailliert vorstellen werde und dann zur geteilten Erststufe der R-7.


Abbildung 15: Ideenskizze Rakete R-6[113]

In Memoriam Dr.-Ing. Irina Petrowna Suslina

Alle diese wenigen und doch so schwergewichtige Fakten und Abbildungen aus den Arbeiten der Deutschen auf Gorodomlja, die ich hier auszugsweise vorstellte und in den Fachkapiteln in die sowjetische Raketenhistorie einordnen werde und die eigentlich niemals hätten existieren dürfen, zeigen, wie einzigartig diese wichtigen Belegstücke sind. Sie wurden den streng geheimen Dokumentationen und Fotoalben über die Arbeit der Filiale № 1 des NII-88 in den Jahren 1946-1953 entnommen. Irina Suslina (1938 – 2014) veröffentlichte erstmals die Abbildungen 2009[114]. Ich will hier einen Abriss ihres Lebens vorstellen, das eng verbunden war mit der Familie Albring.

Geben und Nehmen

Diese umfangreiche Publikation, in großen Teilen erstmals von mir hier der Öffentlichkeit vorgestellt, steht allen Interessenten kostenfrei zur Verfügung.

Sie wurde ohne öffentliche Förderung von mir persönlich in meiner Freizeit und ohne KI-Hilfe erarbeitet. Mir nahstehende Fachkollegen haben schon vorab den Inhalt durchgeschaut. Ich danke den Ungenannten hiermit sehr!

Ich freue mich sehr, dass Sie meine Ausführungen hier gelesen haben!

Sollten Ihnen diese sensationellen Neuigkeiten gefallen, bitte ich hier und jetzt oder, wenn die nachzureichenden Kapitel online sind, um ein Dankeschön. Dafür nimmt gern eine wohlwollende Geldzuwendung über PayPal (Friends) oder direkt aufs Konto der

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hocherfreut an.

Und zögern Sie bitte nicht, mir Ihre Meinung mitzuteilen!

Dr. Olaf Przybilski

 

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[1] Michels/Przybilski: „Peenemünde und seine Erben in Ost und West“ Verlag Bernard & Graefe Bonn, 1997

[2] So hier transliteriert nach dem russischen Городомля

[4] Generell wurden in diesem Aufsatz die Abkürzung der Vergeltungswaffe 2 als V2 ohne Bindestrich geschrieben.

[5] Generell alle Abkürzungen von Raketenbezeichnungen mit Bindestrich zur Ziffer

[6] Asif A. Siddiqi: „Germans in Russia: Cold War, Technology Transfer, and National Identity“; Osiris

Vol. 24, No. 1, Science and National Identity, 2009, pp. 120-143; Published By: The University of Chicago Press

[7] Siehe unter www.raketenspezialisten.de den Aufsatz „Gurken aus dem Pferdestall“, © Przybilski

[9] Privatnachlass; in Kopie bei Przybilski

[11] Dornberger: „V2“, 2. Auflage, S. 153

[12] Goebbels: „Tagebücher“, Piper 2000; Band 5 Seite 2069

[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Aggregat_4#Einsatz

[14] „Das Gerät A4, Baureihe B, Gerätbeschreibung A 4“ vom 01.02.1945, Seite 170

[15] „A4-Fibel“ S. 105

[16] Dornberger: „V2“, 2. Auflage S. 236

[17] Siehe www.raketenspezialisten.de NEWS vom 23.03.2012

[18] https://de.wikipedia.org/wiki/Silberh%C3%BCtte_(Harzgerode)

[19] Siehe Przybilski „Raketentriebwerke aus dem deutschen Heereswaffenamt“, BoD Norderstedt, 2023

[20] Siehe z.B. Neufeld: Biographie „Wernher von Braun“, S. 150

[21] Dornberger: „V2“, 2. Auflage, S. 223

[22] Beiträge zur Geschichte der Raumfahrt; Abhandlungen der Leibniz-Sozietät, 2017

[23] Kraehe an Stegmaier: „Durchführung der Massenfertigung.“ Peenemünde 03.10.1941; BArch RH8-1260

[24] Siehe u.a. Bild zum Kommentar zur S. 230 dieses Buches

[25] Bekannt bei Dornberger: „V2“, 2. Auflage, S. 225

[29] Medaris: „Countdown For Decision“, 1960; deutsch „Die Zukunft wird heute entschieden“

[30] Vollständige Rezension zu Neufeld: Biographie „Wernher von Braun“:  https://www.amazon.de/Wernher-von-Braun-Weltraums-Biographie/product-reviews/3886809129/ref=cm_cr_dp_d_show_all_btm?ie=UTF8&reviewerType=all_reviews

[31] Michels/Przybilski: „Peenemünde und seine Erben in Ost und West“; Bernard & Graefe 1997

[32] USAF's Ballistic Missiles 1954-1964 - A Concise History; SPACE DIGEST, May 1964

[34] „Zweistufen-Aggregat 25/4 to und 25/6 to“, Peenemünde 23.05.1941; ARCH 62/11gk

[35] Reisig: „Raketenforschung in Deutschland“, S. 710

[36] Reisig: „Raketenforschung in Deutschland“, S. 710

[37] Wenz: „Die legendäre Europa-Rakete“; Raumfahrthistorisches Archiv Bremen e.V. 2004

[38] W.v. Braun: „Multi-Stage Rockets and Artificial Satellites“ aus „SPACE MEDICINE“; Herausgeber J.P. Marbarger; The University of Illinois Press, 1951

[39] USAF's Ballistic Missiles 1954-1964 - A Concise History; SPACE DIGEST, May 1964; S. 58

[40] https://forum.kerbalspaceprogram.com/index.php?/topic/180705-beyond-earth-an-rp-1-based-alternate-space-race-update-xxxiii-the-seat-with-the-clearest-view/

[42] Bolewski/Gröttrup: „Der Weltraum in Menschenhand“, Kreuz-Verlag Stuttgart, 1959

[43] Siehe von Braun und Ordway: „Raketen“, München, Pfriemer 1979, S. 96ff

[44] Siehe www.raketenspezialisten.de „Das Rote Tuch“; Arroganz der Unwissenheit: Postumer Rufmord an Klaus Riedel

[45] Sammlung Przybilski

[46] Neue deutsche Rechtschreibung

[47] Ebenda S. 74

[48] Albring: „Gorodomlia“, Luchterhand, 1991, S. 57: 4 atü

[49] Vortragsnotiz, 15.09.1941; BArch RH8/1260

[50] Gröttrup: „Aus den Arbeiten des Deutschen Raketen-Kollektivs in der Sowjet-Union“; Raketentechnik und Raumfahrforschung, Heft 2 1958

[51] Maße abgenommen von der Plattform der Wehrtechnische Studiensammlung in Koblenz

[52] Henry Friedmann: „Summary Report Of A-4 Control And Stability“, Report No. F-SU-2152-ND; June 1947

[53] Messerschmid/Fasoulas: „Raumfahrtsysteme“, Springerverlag 2009, S. 261

[54] Aus Wetrow: „S. P. Koroljow und sein Schaffen“; (russisch) Nauka 1998, S. 117 Punkt 10

[55] Sammlung Przybilski

[56] Gröttrup: „Über Raketen“, Ullstein 1959, S. 135

[58] Dornberger: „V2“, 2. Auflage, S. 243

[59] Ausführlich dazu siehe im Vorwort in meinen ersten Band „Raketentriebwerke aus dem deutschen Heereswaffenamt“ BoD Norderstedt, 2023

[60] Bornemann „Geheimprojekt Mittelbau“, S. 135 ff

[61] www.raketenspezialisten.de

[63] Siehe Briefwechsel W.v. Braun mit M.v. Ardenne, Archiv Huntsville, Box 421-12

[65] Hinweis: KL war im „Dritten Reich“ die Abkürzung von Konzentrationslager.

[66] Wagner: „Produktion des Todes“, S. 182/183

[67] Fliecx: „Vom Vergehen der Hoffnung – Zwei Jahre Buchenwald, Peenemünde, Dora, Belsen“, Wallstein Verlag, Göttingen 2013

[68] Kanetzki: „Operation Crossbow“, Links-Verlag, Berlin 2014

[69] An anderen Stellen wird von 18 Toten berichtet.

[70] https://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Mittelbau-Dora vom 01.06.2024; zu Beginn des Eintrages werden diese 20.000 Tote OHNE Quellenangabe (!) angegeben; weiter unten im Kapitel „Häftlinge“ ist diese Zahl aus einem Begleitheft zur Ausstellung Konzentrationslager Mittelbau-Dora 1943–1945, Göttingen 2007, S. 7 entnommen!

[71] Nach Bornemann „Geheimprojekt Mittelbau“, 1994, gab es DREI Teile des Mittelbaus; nur „Mittelbau I“ war die Raketenproduktion.

[72] Wagner: „Produktion des Todes“, Seite 646

[73] Siehe ROCKO DER WELTRAUMBUMMLER - Der unbekannte Walter R. Dornberger; www.raketenspezialisten.de, © Przybilski

[74] Beiträge zur Geschichte der Raumfahrt; Abhandlungen der Leibniz-Sozietät, 2017

[75] Dornberger: „V2“, 2. Auflage, S. 258

[76] Zitat aus „Zeugenheft Dornberger“; Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Rep 299, Ermittlungssache Bischoff, Sander und Busta, 1968/69

[77] Michels/Przybilski: „Peenemünde und seine Erben in Ost und West“; Bernard & Graefe 1997

[78] Przybilski: „Die Deutschen und die Raketentriebwerksentwicklung in der UdSSR“, DGLR-Zeitschrift „Luft- und Raumfahrt“, 3 Teile 1999; „The Germans and the Development of Rocket Engines in the USSR“, JBIS Vol. 55 2002

[79] Interne Zusammenstellung Przybilski

[80] „Wie die UdSSR die deutsche Rakete Aggregat 4 assimilierte“; DGLR Zeitschrift „Luft und Raumfahrt“ 2-2006 oder online unter www.raketenspezialisten.de, © Przybilski

[81] Tschertok: „Raketen und Menschen“, deutsch Teil 1, Elbe-Dnjepr-Verlag 1998, S. 447

[82] Siehe „Das Erinnerungsvermögen von Tschertok“, www.raketenspezialisten unter Gerät - Publikationen - Artikel / Leserbriefe; © Przybilski

[83] © Nachlass Gröttrup, Kopie Sammlung Przybilski

[84] © Sammlung Przybilski

[85] Przybilski: „Die Deutschen und die Raketentriebwerksentwicklung in der UdSSR“, DGLR-Zeitschrift „Luft- und Raumfahrt“, 3 Teile 1999; „The Germans and the Development of Rocket Engines in the USSR“, JBIS Vol. 55 2002

[86] Aus Wetrow: „S. P. Koroljow und sein Schaffen“; (in Russisch) Nauka 1998, S. 113 

[87] © Sammlung Przybilski

[88] Siehe hierzu weiter unten zu den Abbildungen der Alben des Instituts auf Gorodomlja

[90] Schreiben von S. P. Koroljow an den Hauptingenieur von NII-88 Pobedonoszew und an den Direktor der Fabrik Nr. 88 Maloletow vom 11. April 1947. ARRK, Dokument Nr. 101, Blatt 15: Veröffentlicht in: Wetrow: „S. P. Koroljow und sein Schaffen“; (russisch) Nauka 1998.

[91] Tschertok: „Raketen und Menschen“, 1. Band (russisch), veröffentlicht 1995; S. 209/210; Deutsch S. 236/237

[92] Patenschrift R 96 212 I/46 g g.Rs. „Rakete“ vom 01.05.1936; FE 189

[93] „Abtrennen des Geräteraumes mit Nutzlastspitze vom Antrieb“; Niederschrift Karlshagen, 20.05.1944; Vorbesprechungen Anfang April 1944; BArch RH8-1278

[94] Siehe: „Spitzentechnik – Entwickelt in Peenemünde“; http://www.foerderverein-peenemuende.de/infoblatt0111/inbl0111.htm

[95] Thomas Lange: „Peenemünde“, VDI Verlag, Düsseldorf 2006

[96] Przybilski: „Die Deutschen und die Raketentriebwerksentwicklung in der UdSSR“, DGLR-Zeitschrift „Luft- und Raumfahrt“, 3 Teile 1999; „The Germans and the Development of Rocket Engines in the USSR“, JBIS Vol. 55 2002

[97] Albring: „Gorodomlia“, Luchterhand, 1991, S. 143

[99] Albring: „Gorodomlia“, Luchterhand, 1991, S. 143/144

[100] Albring: „Gorodomlia“, Luchterhand, 1991, S. 163

[101] Albring: „Gorodomlia“, Luchterhand, 1991, S. 110

[102] Brief Gröttrup an Toebe, 29.09.1958; © Sammlung Przybilski

[103] Nach der Anwesenheitsliste der Tagung; Sammlung Przybilski

[104] © Sammlung Przybilski

[105] © Sammlung Przybilski

[106] © Nachlass Gröttrup

[108] Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art 5 (3)

[109] Albring: „Gorodomlia“, Luchterhand, 1991, S. 245

[110] Gröttrup: „Hochfrequenzsteueranlage für Fernraketen“; © Sammlung Przybilski

[111] Alben der deutschen Arbeiten auf Gorodomlja; Sammlung Przybilski

[112] Album der deutschen Arbeiten auf Gorodomlja; Sammlung Przybilski

[113] Umsetzung: Christof Vorhauer

[114] Suslina, Irina Petrowna: „Deutsche Spezialisten und russische Raketen“ (russisch), St. Petersburg, Druckerei des Polytechnischen Universitätsverlags 2009