Gröttrup und das Universum der erfinderischen Zwerge
Alfred Schmidt; STROUX edition; München 2022; ISBN 978-3-948065-29-4
Ich erwartete
das Buch von Herrn Alfred Schmidt ehrlich mit Freude und Spannung. Hatte er doch
zusätzlich initiiert, dass die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag von Helmut
Gröttrup (12.02.1916 - 04.07.1981) im Festsaal des Deutschen Museums in München
in Schriftform gefasst, einer breiten Leserschaft zuteilwurden. Damit auch
meine Erkenntnisse, die ich nur intern in meinen Vorlesungen den
Nachwuchswissenschaftlern vorstellen konnte. Somit harrte ich der Dinge und war
in Vorfreude auf das gewaltig mit Neuigkeiten ausgefütterte Buch, das, ich war
mir sicher, einen noch größeren Leserkreis für die Geschichte um das Kollektiv
von Gröttrup, auch im Ausland erreichen würde. Ist doch mein erfolgreiches Buch
„Peenemünde und seine Erben in Ost und West“, zusammen mit dem leider viel zu
früh verstorbenen Jürgen Michels veröffentlicht, bereits 25 Jahre „überholt“[1].
Eingedenk
der sensationellen Veröffentlichungen von Irina Petrowna Suslina aus dem Jahre
2009 war es also langsam Zeit, eine umfassende Richtigstellung der Einordnung
der Ergebnisse der deutschen Raketenexperten im unfreiwilligen Exil niederzulegen,
auch zu den anderen bisherigen Veröffentlichungen, deren Historiker-Autoren
anscheinend technische Abhandlungen nicht begreifen vermögen.
Dann kam das
Buch heraus - und ich war regelrecht schockiert...
Eigentlich
wollte ich meine Rezension dann so anlegen, dass ich kurz zu den neuen
Erkenntnissen etwas niederschreibe und mich nicht länger an Fehlern etc.
aufhalte. Leider sind aber die Ausführungen des Autors grundlegend so falsch
und mit Totschlagargumenten ausgefüttert, die nicht kurz mit wenigen Sätzen zu
begegnen sind und ich musste eine scheinbar ausufernde Faktenkette
kommentierend aufbauen. Damit wurde es eine lange, mehrseitige Mängelliste
ohne, dass ich alle Makel, wie ich sie erkannte, detailliert herausarbeiten
vermochte. Grundlegend hat aber somit dieses Buch bewirkt, dass ich mich nach
vielen Jahren wieder intensiver mit den einzigartigen Resultaten der deutschen
Spezialisten in der Sowjetunion befassen, deren Erkenntnisse wichten und
einordnen konnte in die Entwicklungen der sowjetischen wie auch amerikanischen
Raketentechnik.
Ich habe
mich notwendigerweise viele, viele Stunden mit diesem Buch „herumgeschlagen“
und nun insgesamt schon zwei Jahre lang am Text gearbeitet, da ich permanent
über die Darstellungen des Autors mit den falschen Fakten stolperte. Es
offenbarte sich mir leider ein düsteres Bild bezüglich des leichtfertigen
Umgangs mit den Fakten, woher auch immer. Das ist umso erstaunlicher, da in
diesen zwei Jahren nirgendwo eine substanzielle Kritik auf das Buch auftauchte.
Das heißt für mich aber auch im Umkehrschluss - alle nehmen das so als bare
Münze hin. Und das erschüttert mich zutiefst. So MUSSTE ich eine regelrechte
Gegendarstellung niederschrieben. Denn Schmidts Romanbiographie ist eine nur
schwer zu ertragene Technologieverzerrung…
Thesen
Und ich bin
leider immer noch nicht ganz fertig mit meiner Arbeit. Am Ende dieses Aufsatzes
werden Sie Hinweise auf die noch fehlenden, vorrangig fachlichen Kapitel
finden. Einige, meinen Darstellungen belegende Berechnungen und die Erarbeitung
zugehöriger Zeichnungen, lassen noch etwas auf sich warten. Denn ich musste
auch feststellen, dass alle Historiker nur Bewertungen werteten. Niemand hat
sich scheinbar bisher mit den technischen Lösungen der deutschen Spezialisten detailliert
befasst und sie dann mit den weiteren Entwicklungen der sowjetischen
Raketentechnik verglichen…
Ich möchte den
verehrten Lesern aber schon jetzt die Neugier wecken auf das, was noch kommen
wird. Dafür habe ich nachfolgende Thesen formuliert, die das ganze Drama der
nicht publizierten, fünfzehn Jahre „alten“ Fakten im hier kritisierten Buch
aufzeigen sollen:
-
Ein Großteil des Buches ist aufgrund längst überholter Tatsachen nicht lesenswert. Hätte der
Autor sich auf den Teil der Informatik beschränkt, wäre ihm allein dafür eine Anerkennung
sicher gewesen.
-
Die von den verschleppten
Deutschen unter Leitung von Helmut Gröttrup auf Gorodomlja[2] entwickelte konstruktive
Lösung „Kegelstruktur einer Rakete“ und betretenes technologisches Neuland der „geraden
Antriebsbahn“ setzen Gröttrup ein bleibendes Denkmal.
-
Der Autor verbreitet
unrichtige Fakten und damit falsches Wissen. Seit der Veröffentlichung von Irina
Suslina aus dem Jahre 2009 lagen endlich auch die Beweise in Form von ehemals
streng geheimen fotografischen Belegen und erläuternden Dokumenten vor, die die
revolutionären ausgeführten Arbeiten des Kollektivs um Gröttrup bestätigen und
die der Autor durch komplette Nichtbeachtung quasi sowjetnostalgisch verleugnet.
-
Ich werde
nachweisen, dass Gröttrups „gerade Antriebsbahn“
für die Genauigkeit der Flugbahn startender Raketen in Verbindung mit einer
Auswahl der erstmals hier vorgestellten einzigartigen Bordgeräten für die
Stabilität des Fluggerätes in der grundlegenden sowjetischen
Raketentechnikentwicklung essentiell waren. Diese Lösung eines bodengesteuerten
Starts einer Rakete wurde fester Bestandteil der Entwicklung aller Raketen in
der Sowjetunion bis in die 60er Jahre hinein und damit ein weltweites, wenn
auch beschämendes, weil bezeichnendes, Alleinstellungsmerkmal.
Vorbemerkungen
Diese als
Romanbiographie bezeichnete Veröffentlichung gliedert sich in die vier Kapitel
„I Verhängnis“ (1916 – 1945) auf den Seiten 14 bis 79, „II In der Falle“ (1945
– 1953) zwischen den Seiten 83 und 193, „III Neuorientierung“ (1953 – 1964) ab
Seite 196 bis 257 und „IV Erfolge“ (1965 – 1981) bis Seite 341. In mehreren
nachgestellten „Anmerkungen“, in denen die „mitspielenden“ Personen kurz
beschrieben werden, bekommt man die Geheimdienste erläutert und kann Quellen
verbal ohne Bezug nachlesen (ob als Text- oder Bildherkunft). Vorangestellt
sind ein „Vorwort“ und der „Prolog im Jenseits“. Mir klingeln heute noch die
Ohren im „Epilog im Jenseits“. Die letzte Seite ist dem Dank vorbehalten.
Es befremdet
gleich zu Beginn, wenn man nicht einmal ein Inhaltsverzeichnis vorfindet.
Und um es
gleich vornweg zu nehmen: Uneingeschränkt Neues konnte ich einzig aus dem Kapitel
III extrahieren, worin Schmidt über die Arbeit Gröttrups als Erfinder und
Konstrukteur der datenverarbeitenden Systeme zur Höchstform aufläuft. Auf den
vielen anderen Seiten finden sich leider wiedergekäute, längst überholte Thesen
wieder oder es steht einfach nur Falsches. Und wenn man schon auf dem vorderen
Klappentext das Statement des Autors, das einer „unheilvollen
Raketentechnologie“ vorfindet, so ahnt man im Weiteren nichts Gutes…
Es hat sich leider
ein dem Ukrainer Sergej Pawlowitsch Koroljow (12.01.1907 – 14.01.1966) in den
Mund gelegter zynischer Ausspruch aus dem berühmten russischen Film „Bändigung
des Feuers“ von 1972 sehr eindringlich in die Gehirne der Sowjetbürger eingebrannt,
der vermittels der sozialistischen Bruderkette bis ins westliche Ausland hinüberschwappte
und heute überall noch Dogma ist: „Ich habe nichts von den Deutschen zu
lernen, ich habe von Ziolkowski gelernt“[3].
Aber
Koroljow liebte scheinbar die deutsche Kultur, was ich auch an Hand der vielen
Dinge mit deutscher Herkunft seines täglichen Lebens entdecken konnte, die heute
noch seine museale Erinnerungsstätte in Moskau schmücken. Meines Erachtens sind
die Übernahmen der Arbeiten der deutschen Spezialisten in die Raketentechnik Koroljows
„Rache an das sowjetische politische System“, als er klug verdeckt der
politischen Elite die „neue sowjetische Rakete“ auftischte und vermied zu
erwähnen, dass das alles auf „deutschem Mist“ wuchs… Nur so kann ich mir das
als Quintessens erklären, wie meine Überlegungen in den nachfolgenden
Ausführungen zeigen werden…
Vor wenigen
Jahren schien endlich Asif Siddiqi der Voreingenommenheit nicht auf den Leim
gegangen zu sein. Er formulierte sein Analyseergebnis so: Die sowjetische
Administration wusste die „… Deutschen als „weniger nützlich“ umzudeuten und
sie nach Hause zu schicken. Hier führte die Schnittstelle zwischen
Erfordernissen des Kalten Krieges, Technologietransfer und nationaler Identität
zu einem Zustand, in dem das endgültige Schicksal der Deutschen weniger mit
ihrem Fachwissen … als vielmehr mit der Wahrnehmung ihres Fachwissens zu tun
hatte. Letzteres war leichter zu manipulieren und überschattete schließlich
Ersteres. … Als die V2[4] von Deutschland nach Russland wanderte, wurde sie weniger deutsch und mehr
sowjetisch. Sie ist heute die Quelle, aus der die große Geschichte der
russischen Weltraumforschung hervorgeht: Russische Historiker bezeichnen die
R-1[5] immer noch als die erste „heimatliche“ sowjetische Rakete. Den deutschen
Wissenschaftler, die nach Russland kamen, durfte in dieser Geschichte kein
Platz eingeräumt werden“ [6].
Da der Autor
Schmidt solcherart logische Analysen von vornherein ausschließt, wurde also
nichts Neues publiziert. Und so las sich für mich seine so genannte Romanbiographie
insgesamt sehr gewöhnungsbedürftig und sie erscheint mir recht einseitig betrachtet
angelegt. Es springen einem fast auf jeder Seite die Ansichten des Autors
Alfred Schmidt, die eines scheinbar ethischen Ingenieurs, in die Augen. Damit
verurteil er die Entscheidungen und Taten seiner Romanhauptfiguren losgelöst
von der jeweiligen historischen Situation oder den persönlichen Zwängen, ohne
die damals wirklichen Beweggründe des Einzelnen zu kennen oder ergründen zu
wollen. Und er verwickelt sich in Widersprüche. So empfinde ich, dass diese von
ihm vorgeführten Personen aus der ganz privaten Sicht des Romanschreibers
Schmidt nach seiner Fasson vorverurteilt werden.
Ich hatte
mich ja kürzlich ebenfalls in die prosaischen Gefilde der Glättung oder
dramaturgischen Überhöhung einer Abhandlung begeben, wobei ich als „Klammern“
zwischen den authentischen Zitaten meine, einer Person in den Mund gelegten, Bemerkungen
integrierte[7].
Ich werde es aber wieder bleiben lassen – damit verfälscht man nur den Anspruch
auf eine faktenorientierte Darstellung. Denn damit begibt man sich in „Teufels
Küche“ wie hier ebenfalls m.E. Herr Schmidt, weil ein überaus großer Teil seines
Buches prosaisch nur Ausgedachtes oder anhand irgendwelcher nie zertifizierter Wikipediaeinträge
Zusammengereimtes ist. Aber ich wollte mehr FAKTEN über Gröttrup erfahren und
weiß nun nicht, was ist Dichtung und was ist Wahrheit. Es war mir letztlich
eine sehr „schwere Kost“.
Warum nur,
gab Schmidt keine eindeutigen Quellen an, die man nachrecherchieren könnte?
Ist also doch
das meiste Ausgedachte künstlerische Freiheit? Dann ist dieses Buch sofort als für
mich uninteressant wegzulegen. Märchenstunden braucht die nach Fakten dürstende
Welt nicht. Oder aber ein anderer Verdacht spulte sich bei mir immer schneller
von der Verklärungsrolle ab. Will hier jemand die Person Gröttrup im Nachhinein
der breiten Leserschaft irgendwie „reinwaschen“, nur weil sie zu Lebzeiten vielleicht
keine „richtige“ Anerkennung erhielt und dafür müssen beteiligte Zeitgenossen
richtig „madig“ gemacht werden? Für mich zog sich dieser fade Beigeschmack immer
stärker werdend durch das gesamte Werk. Aber das ist doch nicht notwendig
gewesen, Herr Schmidt! Gröttrup war einer der anerkannten Steuerungsexperten
aus Peenemünde, wobei er bei der tieferen praktischen Raketentechnik vielleicht
nicht so mithalten konnte wie andere. Auch Wernher von Braun war nicht DER „Überingenieur“.
Zumal Tschertok behauptet, von Gröttrup gehört zu haben, „von Braun sei
tatsächlich ein sehr guter Ingenieur, ein talentvoller Konstrukteur und
Organisator mit Ideen“[8].
Gröttrup
begründete besonders mit seiner „geraden Antriebsbahn“ eine revolutionäre
Steuerungsgrundlage für alle sowjetische Raketen der Anfangsjahre, wie ich
nachweisen werde. Und das alleine zählt. Der Autor scheint das und vieles
andere mehr nicht gewusst zu haben. An der aktuellen Faktenwahrheit muss sich aber
jeder Autor oder Wissenschaftler messen lassen und dazu stehen. Ignorantia
legis non excusat!
Eine
Romanbiografie ist eine Mischung aus Fakten und Fiktion. Der Fiktionsanteil las
sich teilweise witzig. Doch viele der herangezogenen „Fakten“ gingen leider
komplett an der Realität vorbei und wurden zum Fake. Und das darf man nicht
tolerieren…
Falsche allgemeine Äußerungen
Die nun
nachfolgend aufgelisteten Fehler und Unzulänglichkeiten könnte man als Peanuts
im Gegensatz zu den noch zu erwähnenden Weglassungen der wahren Leistungen der
Deutschen in der Sowjetunion abtun. Und doch erscheinen sie mir erwähnenswert
ohne „Besserwisserei“. Im Kontrast dazu hat Herr Schmidt mit seinem Buch der
Person Gröttrup und den ganzen deutschen Raketenspezialisten wegen der Negierung
ihren wirklichen grandiosen revolutionären Lösungen und Leistungen einen unverzeihlichen
Bärendienst erwiesen…
Ich komme
nicht umhin, zuerst im Einzelnen die mir sofort ins Auge stechenden, auch technisch,
falschen Äußerungen zu bemängeln. Nachfolgend die wichtigsten Dinge,
herausgelöst aus meinem nachfolgenden mir auferlegten Sach- oder Kapitelzwang
und ohne meine nachfolgende fachliche Einordnung im Kontext zur wahren
Faktenlage.
S. 7: Schon einleitend entrückt uns Herr
Schmidt in ganz komische Sphären. Wernher von Braun „flaniert im Fegefeuer
der Christen“– was will uns der Autor damit als Rätsel aufgeben? Wovor wird
von Braun geläutert werden? Als Atheist konnte ich es nicht auflösen…
Erst auf S.
339 kommt ein wenig die „Erlösung“. Bis dahin wird von Braun in die Ecke
eines unverbesserlichen Opportunisten geschoben mit mehr Schein als Sein: Von
Braun „gibt sich … demütig und gottgläubig“ (S. 237). Aber doch
nicht nur auf Kongressen, Herr Schmidt! Er war von Kindesbeinen an bis zum Tode
ein gläubiger Christ, wie auch der Briefwechsel mit seiner Kindheitsfreundin, der
späteren Diakonieschwester Hildegard, belegt[9].
Und gerade erst die Inschrift auf seiner Urnengrabplatte „Psalms 19.1“ könnte
es uns doch eindeutig vermitteln:
Die Himmel rühmen die Herrlichkeit
Gottes,
vom Werk seiner Hände kündet das
Firmament[10].
S. 8: Gröttrup mit von Braun „entwickelte
… die Vergeltungswaffe V2“. Natürlich nicht! Im Auftrag des Heereswaffenamts
entwickelten tausende hochintelligente Ingenieure die Weitstreckenrakete
Aggregat 4, die nur eine „Zwischenstufe“ zu angedachten viel weiter reichenden Raketen
war[11].
„Vergeltungswaffe“ stammt aus der Goebbelsschen Demagogiemaschinerie. Der Namensvorschlag
für „Vergeltungswaffe“ stammt übrigens von Hans Schwarz van Berk erst vom
17.06.1944[12] für die so zuerst vorgeschlagene Bezeichnung „Höllenhund“ für die Fi-103 (V1).
Und da flog die Rakete mit der technischen Bezeichnung Aggregat 4 schon längst.
S. 8: Mit der V2 konnte man die „Einwohner
Londons terrorisieren“. Auch das ist ein gern verbreiteter Irrtum: Die
meisten Raketen flogen nachweislich in Richtung Hafen Antwerpen, um den
Nachschub der Alliierten nach der „D-Day“-Anlandung zu behindern[13].
S. 30: Kaum einer außer Gröttrup soll „genügend
Ahnung“ gehabt haben, die A-4-Steuerung zu manipulieren? Das ist einfach
nur frei erfunden. Steinhoff und seine Mitarbeiter in Peenemünde wie Brützig,
Wierer, Hölzer, Kirschstein, Mühlner und Steudig und erst recht die Experten um
Professor Walter Wolman von der TH Dresden waren die Spitzen des personellen Rückgrats
der Steuerung des A-4.
S. 32: „Aber wenigstens konntet ihr den
Treibstoff als hochprozentigen Alkohol trinken. … Es war ein brauchbares
Betäubungsmittel. Es hat uns aus manchem seelischen Tief geholfen, wenn wir den
Druck nicht mehr aushielten.“ Das ist m.E. grundsätzlich falsch. Ethanol zu
75% wäre sicher eine köstliche Abwechslung gewesen, doch die „Mannen“ mussten
ihre Tiefs anderweitig begegnen, zumal sie nachweislich dem Rotwein gern
zusprachen: Der zur Verfügung gestellte „Industrie-Alkohol“ war selbstverständlich
genussvernichtend in den zentralen staatlichen Treibstoffanstalten vergällt
worden bzw. war später in der Truppe ein Gemisch mit 30% Methanol[14], so dass schon
ein Schluck zur Blindheit und später zum sicheren Tode führte[15]. Die so schön
erdachte Besänftigungskette vom Autor zerstört sich damit von selbst…
S. 35: „lockere Schrauben, … wackelnde
Steckverbindungen“. Ich stecke fachlich sehr tief im Aggregat 4 und muss
diese Aussage vehement verneinen. Jeder Techniker damals und auch Dornberger
wussten selbstverständlich, wie dem zu begegnen war[16]. Nicht nur im
monatlich aktualisierten „Bauzustand“ der Fertigung des A-4 im Kohnstein – der
QM-Grundlage der Fachleute aus Peenemünde – kann man nachlesen, dass Schrauben
und Muttern mit Sicherungsblechen oder –drähten gesichert oder Relaiskappen
fixiert wurden mit Drahtbügel oder sie zusätzlich mit Lack zu vergießen waren. Mit
den verwendeten Luftfahrtgerätesteckern der Bauart List (siehe weiter unten Kommentar
zur S. 137) wurde generell mit einem
Sicherungsbügel ein „wackeln“ ausgeschlossen.
Übrigens
hatte man ab 1942 bereits mit Lochkartenverzeichnissen versucht, den
Datenmassen Herr zu werden – hatte hier Gröttrup bereits seine „Finger im Spiel“?
Darüber hätte Herr Schmidt vielleicht recherchieren sollen…
S. 38: „Heckkonstruktion mit den
Grafitrudern“ – diese richtig „Druckstücke“ genannten Strahlruder, die
gegen Stoß sehr empfindlich waren, wurden erst an der stehenden Rakete auf dem
Starttisch angebaut. Man kann die Ruder also nicht an der liegenden Rakete beim
Transport auf Waggons sehen…
S. 49: Wenn ich ein Gedicht zitiere, sollten
schon alle Strophen erwähnt werden. Warum Herr Schmidt diese wunderschönen
Verse von Irma Gohl, die ich zum 100. Geburtstag von Wernher von Braun im
Rahmen einer Erinnerungsmappe zur ISS schicken durfte[17], amputierte und
nicht vollständig abdruckte, ist mir schleierhaft.
S. 50/51: Die hier kurz gefassten historischen
Ereignisse sind teilweise so falsch, dass man auch für eine „Romanbiographie“ dem
Autor haarsträubende Rechercheergebnisse unterstellen muss. Nur zwei daraus:
Ø Valier baute
selbstverständlich KEINE Feststoffraketen für die Firma Heyland. Das ist
komplett falsch. Valier nutzte Feststoffraketen der Firma J. F. Eisfeld,
Pulver- und Pyrotechnische Werke in Silberhütte im Harz[18], und später, bei
der Firma Heyland, konstruierte Walter Riedel (Riedel I) mit Valier Flüssigkeitsraketentriebwerke.
Ø Wernher von Braun
unterschrieb nicht „im Dezember 1932“ sondern am 27.11.1932 und zwar
seinen Arbeitsvertrag. Das war selbstverständlich kein „Packt zu
Geheimhaltung und militärischen Ausrichtung der Raketenentwicklung“ wie
Schmidt meinungsbildend uns unterschieben möchte, sondern folgendes: „Entwurf,
Leitung des Aufbaues und Vornahme von Untersuchungen gemäß näherer Anweisung
des Wa Prw.1/I an einem Flüssigkeitsrückstoß-Prüfstand auf Hauptbatterie West
in Kummersdorf“[19].
Das liest
sich natürlich nicht so schön reißerisch...
S. 59: „Dornberger trieb seine Mitarbeiter
… an. Wütend beschimpfte er seine Techniker…“ Das war 1942 nicht notwendig.
Es gab weder Terminzwänge noch würde der Offizier Dornberger die zivilen Techniker
beschimpfen, vermute ich aufgrund meiner umfassenden Kenntnisse zur Person
Dornberger. Sicher tagte man mit der Leitung der Entwickler und deren
maßgeblichen Personen regelmäßig, wo es sicher auch mal laut wurde. Doch dass
Dornberger als Sohn gebildeter Eltern mit hervorragender „Kinderstube“ sich in
den Werkhallen entblöden und Wuttriaden von sich geben würde, davon wissen nicht
mal seine Verwandten und nächsten Vertrauten...
S. 66: „Dornberger war stolz, weil ihm der
Führer einen direkten Auftrag erteil hatte“. Diese aufgestellte Behauptung
ist in der Falschheit nun leider kaum noch zu überbieten.
Für
authentische Aussagen von Dornberger zu Hitler könnte man neben seinem Buch „V2
- Der Schuss ins Weltall“, der einzigen verfügbaren zeitgenössischen Quelle, vor
allem familiäre Unterlagen und Gerichtsurteile heranziehen. Darin findet man keinerlei
„Liebeserklärungen“ zum „Führer und Reichskanzler“. Im Gegenteil. Auch
kritische Historiker stellen Hitler immer als Hemmklotz der Entwicklung dar,
die sich in nicht erteilten „Dringlichkeitsstufen“ oder der „nicht
kriegswichtigen“ Entwicklungsarbeit in Peenemünde manifestieren[20]. Hinzu kam
natürlich das Grundlegendste: Mit der Machtergreifung von Hitler wurde seine
Familie aufs heftigste diffamiert bezüglich der Freimaurerei seines Vaters und
seines Bruders Wolfgang, der deshalb vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt a/M verlor.
Ihm wurde seine leitende Stelle im Reichsnährstand wegen seiner früheren
Logenzugehörigkeit gekündigt. Ab sofort stand Dornberger als Offizier sogar im
Zielkreuz der Gestapo[21].
Und – auch
das hatte ich schon vor Jahren publiziert – arbeitete General Dornberger meiner
Meinung nach geschickt getarnt durch „unsinnige“ Befehle und
Entwicklungsaufgaben gegen Hitler.[22] Beispielsweise das von „oben“ befohlene Umstellen der Ventile aus dem Sparstoff
Aluminium auf Stahl, was aber aufgrund der entstandenen Massenvergrößerung der gesamten
Rakete und nach sich ziehender Schussweitenreduzierung von bis zu 40 km (!) dann
nicht umgesetzt wurde[23].
Das hatte ja „nur“ ½ Jahr Zeitverlust gebracht. Sollte man das vorher nicht beachtet
bzw. berechnet haben, oder?
S. 66: Von Braun hatte recht zeitig seinen
von Hitler verliehenen Professorentitel abgelegt. Schmidt schreibt, dass er ein
Leben lang mit dem Titel „kokettierte“. Das ist frei erfunden. In den
meisten Publikationen ab den fünfziger Jahren wird man den „Herrn Professor“
vergebens suchen[24].
In den mir bekannten Schreiben an Bekannte, Freunde oder auch öffentlich in der
Administration findet sich nur sein Doktortitel. Nur die „Journaille“ verpasste
ihm weiterhin diesen Titel, auch, um sich ihm anzubiedern. Und seine über zwei
Dutzend Ehrendoktorwürden überstrahlen sowieso den aufoktroyierten Makel vom 8.
Juli 1943.
Doch sogar
Herr Schmidt „verfällt“ der Professorentitelmanie, als er den 1955ger Spiegel
zitiert (S. 215), indem er schreibt: „Das Titelbild zeigt Professor
Dr. Wernher von Braun.“ Im Gegensatz zu dieser Anmaßung lesen wir aber auf
dem Titelblatt „Raketenbauer Wernher von Braun“ OHNE irgendeinen Titel…
Weiterführend
frage ich mich ernsthaft, warum wird über die Professorentitel der Herren
Ferdinand Porsche (sogar Träger des Totenkopfrings des Reichsführers SS) oder Claude
Dornier (er trug den 1942 verliehenen Titel stolz bis zum Lebensende) kaum bis
gar nichts verloren?
S. 70: Mich interessiert sehr wo ich
nachlesen kann, welche Nachbarin die Gröttrups, Riedel und von Braun im März
1944 anschwärzte[25].
S. 80 (Foto) und 353 (Fotoerläuterung):
Das Bild von Gröttrup und Dr. Hoch mit den drei Mannen der Startmannschaft 1947
in Kapustin Jar habe ich einzigartig auf meiner Website veröffentlicht[26], Siddiqi erhielt
es von mir exklusiv für den zweiten amerikanischen Band von Tschertoks „Raketen
und Menschen“[27] und sogar russische Seiten zitieren die Herkunft Przybilski[28].
Gerade bei
den Copyrights bin ich immer sehr sensibel. Doch Herr Schmidt scheint es darin
sehr locker zu nehmen, denn wo ist der Copyrighthinweis? Woher bekam er das
Bild? Auch bei einem „Roman“ ist mir völlig unverständlich, wie lax man mit
fremdem (geistigen) Rechten umgehen kann…
S. 83: „Die USA brauchen uns. Dort ist das
Land unserer beruflichen Zukunft. Dort fließt das Geld wie Milch und Honig im
Schlaraffenland.“ Wieso soll von Braun dem „Lockruf des Geldes“ verfallen
sein? Er wollte doch immer zum Mond! Wieder wird hier ihm etwas angedichtet,
was nur von linientreuen Journalisten und Historikern gern kolportiert wird.
Scheinbar niemand von denen, sicher auch nicht der Autor Schmidt, haben den
dornenreichen Weg der Entwicklung von Großraketen in den USA vom hautnah dabei
gewesenen Chef der Army Ballistic Missile Agency, und damit auch dem direkten
Vorgesetzten von von Braun, Generalmajor John Bruce Medaris gelesen[29]. Denn dann wüsste
auch diese Personengruppe, dass ein Zivilangestellter für
Flugkörperentwicklungen, ob nun im deutschen Heereswaffenamt oder bei der
amerikanischen Army, nach der Pfeife des Militärs zu tanzen hat und sogar die
obere Politikerebene ihn vollkommen ignorierte - anfänglich. Von Braun hätte,
wenn es nach seinen visionären frühzeitigen Vorschlägen gegangen wäre, den
ersten amerikanischen Satelliten vor der UdSSR gestartet und würde
schon 1980 amerikanische Astronauten zum Mars geschickt haben...
Oder man
beachte die entlarvende Rezension der Biographie von Michael J. Neufeld „Wernher
von Braun: Visionär des Weltraums – Ingenieur des Krieges“ von Ralf Bülow,
Zitat: „Die Ironie von Neufelds Buch liegt darin, dass die Details, die das
Buch überreichlich ausbreitet, vor allem eines zeigen: Wernher von Braun war
ein genialer Ingenieur und Technikmanager, aber ein schlechter Karriereplaner.
An entscheidenden Stellen seiner Laufbahn kam die Initiative von der
Reichswehr, die ihn 1932 entdeckte, von der US Army, die nach dem Beginn des
Koreakriegs 1950 den Bau der Redstone-Rakete anordnete, vom Magazin Collier's,
das 1951 eine visionäre Raumfahrt-Serie plante, oder vom Raumfahrtpublizisten
Willy Ley, der 1954 die Walt-Disney-Studios auf von Braun hinwies.
Wernher
von Brauns großer Durchbruch erfolgte erst beim chaotischen Wettlauf mit der
US-Marine um den Start des ersten amerikanischen Erdsatelliten Anfang 1958, und
hier hatte er mehr Glück als Verstand. Und drei Jahre später, beim Entschluss
der Kennedy-Regierung für ein Mondlande-Programm, war er eine Randfigur.
Michael Neufeld: ‚Letztendlich war das, was von Braun vor allem zur
Apollo-Entscheidung beitrug, die Glaubhaftigkeit bei der Frage nach der
Leistung sowjetischer und amerikanische Booster. ... Seine Raumfahrtwerbung in
den fünfziger Jahren trug auch dazu bei, dass die Idee, zum Mond zu reisen, in
den sechziger Jahren als legitim angesehen wurde‘ (S. 433). Das klingt weder
nach faustischem Pakt noch nach apolitischem Opportunismus“ [30].
S. 91: Weiterhin ist eine „goldene Zukunft“
deutscher Experten in Frankreich nie und nirgends publiziert worden. Als ich
mich vor 30 Jahren den Peenemündern, die nach Frankreich gingen, „näherte“, war
von allen die Aussage getätigt worden, dass man erlöst war, nach dem Krieg wieder
Arbeit in seinem Spezialgebiet gefunden zu haben[31]. Und Frankreich lag
ja „gleich hinter der Grenze“. Wenn Herr Schmidt mit sich ehrlich sein würde,
wäre auch ihm ein Arbeiten und Versorgen seiner Familie nach dem zweiten
Weltkrieg am Wichtigsten gewesen. Und so erhält man als Kriegsverlierer ein
Angebot, in dem festgehalten wird, dass man bei einer Siegermacht für gutes
Geld angestellt wird und man darf sich in seinen Fähigkeiten weiter austoben,
dem Sieger die Flüssigkeitsraketentechnik nahebringen. Und dazu noch in einem
Land, in dem kulinarisches Essen hoch angebunden ist und die Weltstadt Paris
vor der Haustür sein würde. Ist denn das so verwerflich?
S. 92: Es gab sicher jemand, der auch
Gröttrup suchte. Doch wer war die sowjetische Agentin, die nach Gröttrup fahndete?
Oder ist das wieder Seemannsgarn?
S. 209: Die Quintessenz der CIA war eben GANZ
UND GAR NICHT die „Überlegenheit der amerikanischen
Raketentechnologie“! Denn die Ausführungen Gröttrups belegten die vorherigen
Aussagen und Ausarbeitungen deutscher Rückkehrer aus der UdSSR – übrigens durch
General Walter Dornberger interviewt, die dann nachfolgend eine hektische
Lawine auslösten in der US-Regierungsebene. Denn hätten sie „die Bedeutung
vieler Konzepte nicht (verstanden) und leg(t)en die CIA-Berichte … in
den Archiven ab“ wäre es nie Anfang der 50ger zum kompletten Re-Design der
Atlas-Rakete nach Vorlage der deutschen R-14 mit der genialen
„Albring-Sprengkopfform“ gekommen (siehe im nachzureichenden Kapitel zu den Bemerkungen
ab S. 160)! Raketenlayout und Kopfform waren grundstürzend und schwerwiegend
neu. Die nachfolgenden Aktivitäten ähnelten der kompletten Einstellung des westlichen
und dann weltweiten Flugzeugbaus, als man über den an der TH Dresden neu
er-/gefundenen Pfeilflügel des genialen Gasdynamikers Adolf Busemann nach
Kriegsende Kenntnis erlangte!
Wer die
History der Atlas-Evolution detailliert nachlesen will, dem sei der umfassende Bericht
von Schwiebert von 1964 über die USAF-Raketenentwicklung wärmstens ans Herz
gelegt[32].
S. 215: Wie der Autor Schmidt andere Veröffentlichungen
bedienend heranzieht, um Wernher von Braun in seinem Sinne moralisch mies und
abgehoben dastehen zu lassen, soll nur ein Beispiel zeigen und verdeutlichen,
wie Auslassungen bei Zitaten den grundlegenden Sinn entstellen. Das Ende dieser
o.g. Seite wird eingeleitet durch folgenden Vorsatz: „Im Dezember 1955
schürt das SPIEGEL-Magazin diesen Enthusiasmus (dass bald Satelliten im
Rahmen des Internationalen Geophysikalischen Jahres gestartet werden) und
veröffentlicht die elfseitige Titelgeschichte ‚Die Raumfahrt hat schon
begonnen‘“. Das SPIEGEL-Magazin soll sich ja im Allgemeinen durch
gründliche Recherche und verlässliche Qualität auszeichnen. Und dann wird aus
dem SPIEGEL-Beitrag zitiert: „Wenn Wernher von Braun über sein
Satellitenprojekt spricht, leuchten seine blauen Augen wie die eines
teutonischen Zauberers aus der Edda.“ Das liest sich für mich wie, von
Braun ist ein moderner „Rattenfänger“, dem jedes „Zauberstückchen“ Recht ist,
seine „Prophezeiungen“ zu verwirklichen. Ist schon komisch, dass der SPIEGEL
solcherart Formulierungen über einen der größten deutschen Persönlichkeiten auf
technischem Gebiet von sich gibt.
Nimmt man
sich aber den originalen Artikel zur Hand, wird man feststellen, dass dieses
Zitat gar nicht die Aussage des SPIEGELs ist, sondern von einem
amerikanischen Publizisten getätigt wurde (wieder einmal keine Quellengenauigkeit).
Und dieser Publizist Leonhard schreibt dort nivellierend weiter: „Er spricht
eindringlich mit einer nur leisen Spur von deutschem Akzent, und er macht auf
deutsche und amerikanische Militär-Experten einen tiefen Eindruck. Er kann eine
Zuhörerschaft begeistern, seien es nun Ingenieure, Kinder oder theoretische
Physiker.“
Also NICHTS
mit Scharlatan, sondern mitreißend rhetorisch gewandter Experte. Nun ergänzt
der Autor des SPIEGEL-Artikels: „Von Braun ist hochgewachsen,
breitschultrig, elegant, und hat Züge, die Frauen als „interessant“ bezeichnen
würden. Doch das Playboy-Äußere täuscht: Er blättert die verwickeltsten
mathematischen Formeln mühelos aus dem Gedächtnis auf. Er ist ein mitreißender
Redner und er schreibt anschaulich. … Er scheut sich nicht, Vorträge im Stil
der Volkshochschule zu halten; er tritt in Fernsehprogrammen für Kinder auf,
berät Walt Disney bei der Herstellung utopischer Filme und schreibt fesselnde
Magazin-Artikel.“[33]
Dies passt
natürlich nicht zum „von Braun-Bild“ vom Autor. Und so setzt Schmidt verschärfend
noch eins drauf und präsentiert auf der nachfolgenden Seite weiterhin aus dem SPIEGEL-Beitrag
zusammenfassend den Atombombenlobbyisten von Braun: „Er wirbt für
Raumstationen mit abschussbereiten Atombomben.“ Das ist so formuliert ungeheuerlich,
Herr Schmidt. Im originalen Beitrag steht: „Die Raumstation kann, nach
Wernher von Braun, in einen Atombombenträger verwandelt werden.“ Doch weder
lese ich, dass es eine amerikanische Raumstation ist, wo doch sicher zu sein
scheint, dass die UdSSR ähnliches vorhaben könnte, noch erkenne ich aus diesen
wenigen Worten, dass von Braun es ist, der das fördert oder befürwortet. Letztlich
KANN und MUSS ein Ingenieur aber alles denken dürfen…
Ich weiß
nicht, wie verträumt man in die Vergangenheit schauen muss, um nicht zu
erkennen, dass ein Zivilangestellter im amerikanischen Heer, der gerade zu dem
Zeitpunkt vor wenigen Tagen die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt, sich
in keinster Nuance in das atomare Prozedere des Pentagon einmischen würde, ja
nicht einmal darüber Bescheid wissen dürfte.
S. 230: Die „… Silhouette eines A-9 … Amerikarakete“
ist NICHT auf dem Cover „Rocket Wife“, der englischen Übersetzung von Irmgard
Gröttrups „Die Besessenen“, abgebildet. Sichtbar ist eine typische
Raketenform à la A-4 mit Tragflächen, also ein als A-4b genannter
Versuchsträger, der den Weg zur gleitenden Wiedereintrittsstufe A-9 ebnen
sollte, aber jämmerlich versagte, weil solcherart Flügel dafür untauglich waren.
Weiterhin sollte das A-9 nur die Oberstufe, also ein Teil der richtiger A-10/A-9
genannten Amerikarakete mit gewaltiger Startstufe A-10 sein, für deren
Schubklasse von anfänglich 100 t (als Aggregat X) dann 180 t Massenäquivalent Dornberger
visionär in Peenemünde bereits die Prüfstände auslegen ließ.
Nun will ich
mal etwas ausholen und ergänzend kommentieren.
Fast
unbekannt ist, dass bereits Anfang der vierziger Jahre in Peenemünde ein
Zweistufenprojekt zur Reichweitensteigerung angedacht war[34]. Man untersuchte,
auf dem A-4 eine Rakete in der Dimension des Aggregat 5 zu setzen. Für diese
nun Aggregat 6 bezeichnete, mit 4 bis 6 t Schub, mit lagerfähigen Treibstoffen ausgelegte
Rakete und mit einer gleich gebliebenen Nutzlast von 1 t, erarbeite man bereits
etliche Grundlagen und testete Details. Anfänglich wollte man noch das fertig
entwickelte und sehr gut funktionierende A-5 verwenden[35]. Doch man
erkannte die Problematik der Verdampfungsverluste des flüssigen Sauerstoffs in
Oberstufen, besonders auch bei der zu erwartenden Reibung an der Atmosphäre und
schwenke daher und nur deshalb auf neue Raketentypen, ähnlicher
Größenordnungen, aber mit hypergolen und lagerfähigen Treibstoffen um. Richtigerweise
muss man aber die Sache noch in Richtung Satellitenträger weiterspinnen, denn im
Krieg durfte man den Begriff Raumfahrt unter Strafe natürlich nicht äußern und
deshalb kam es zum Tarnnamen Amerikarakete. Denn diese mögliche Konfiguration A-10/A-9/A-6
hätte es theoretisch zu einem orbitalen Einschuss schaffen können[36]! Interessanterweise
wurde die EUROPA-Rakete mit sehr ähnlichen Schubgrößen ihrer Stufen so
konfiguriert (137 t/28 t/2,3 t)[37].

Abbildung 1: Dreistufenrakete aus
von Brauns Arbeiten in den USA[38].
Die
ballistische Raketenentwicklung Anfang der vierziger Jahre in Peenemünde mit
den zur Verfügung stehenden Berechnungsmethoden und Überschallwindkanälen hätte
und hatte sicher unweigerlich erkennen lassen müssen, dass ein
Sprengkopf den Wiedereintritt über New York nicht überleben würde. Die
Eintauchzerleger des A-4 bestätigten dies schon Mitte 1944 in Blizna grundstürzend.
Warum haben die alles wissenden Journalisten das bis zum heutigen Tag niemals
betrachtet? Weil dann klar geworden wäre, dass dieser gern herangezogene Beschuss
der USA mit deutschen Raketen nur unsinniges Wunschdenken war und doch so schön
in die Blickweise auf die terroristischen Peenemünder passte. Noch 1950 wurde Major
General John W. Sessums vor dem amerikanischen Ausschuss des Scientific
Advisory Board aus dem Raum
gelacht, als er große Wiedereintrittskapseln auf dem Raketenprojekt Atlas
vorschlug. Deren Reaktion war tatsächlich: „Was haben Sie vor, wollen Sie
uns einen Meteoriten verkaufen?“ Wirklich alle in der westlichen Welt waren
damals noch der Meinung, dass die favorisierte konische Nase als Hitzesenke aus
bisher verfügbaren Materialien gegenüber der Wärme beim Wiedereintritt in die
Erdatmosphäre nicht widerstandsfähig genug sei[39].

Abbildung 2: Grafik mit der
angedachten Großraketenfamilie aus Peenemünde[40].
Anfänglich sogar
noch auf Gorodomlja errechnete ebenfalls der gestandene Aerodynamiker Dr.
Werner Albring, dass für deren Raketenprojekte man kein Material finden könne,
das den entstehenden enormen Temperaturen beim Wiedereintritt eines ballistisch
weit fliegenden Körpers von über 2000°C widerstehen würde[41].
Übrigens noch
1957 versagten die entwickelten Thermalschutzsysteme der sowjetischen Köpfe alle
auf der R-7! Erst der neunte Start einer R-7 am 29.03.1958 brachte die
„Nutzlast“ in einer erneut veränderten Thermalschutzhülle ins Zielgebiet
wohlbehalten runter. „Komischerweise“ funktionierte ein Satellitenabsetzen in die
Umlaufbahn vorher: Der SPUTNIK-Start am 07.10.1957 war erfolgreich.
Und da
wollte man mit einer deutschen ICBM Amerika 1945 über den Atlantik hinweg
beschießen? Ich bin überzeugt, dass sich alle Ideen und Projektskizzen aus
Peenemünde für weitreichende Raketen grundsätzlich (einzig?) nur der Idee eines
Satellitenträgers unterordnen lassen.
Übrigens ist
im obigen Beispielbild für diese Raketen Anfang der fünfziger Jahre von Braun
bereits seinen Professorentitel „losgeworden“ (siehe Bemerkungen zur S. 66)
und das vorherige Bild, dieser „Dreistufer“, das ist doch ein Satellitenträger,
oder?
S. 233: „Gröttrup setzt sich dafür ein,
dass die Raketentechnik … der Schmuddelecke der Waffenindustrie entkommt“.
Ich kann nicht verstehen, wie Personen, die scheinbar die Moral gepachtet haben
wollen, schon auf dem Klappeninnentext des Buches die „unheilvolle Raketentechnologie“
als Teufelszeug deklarieren und dann immer nur auf dieses hochentwickeltste
Gebilde des Menschengeistes draufkloppen. Wieso lese ich nirgends, dass das
Flugzeug oder das Schiff aus dieser verpönten militärischen Ecke herausgelöst
werden muss? Denn auch diese „Verkehrsmittel“ waren/sind grundlegend Transportmittel
sowohl ziviler als auch militärischer Systeme.
Und sie
stehen im konträren Wiederspruch zu den Äußerungen, die Helmut Gröttrup sich selbst
zu eigen machte! Schon sein Vorwort des Sammelbands „Der Weltraum in
Menschenhand“[42] ist eine Ode an die Verantwortung in unserer neuen Welt mit der bewussten
Bejahung der Modernität ohne Versuch einer Bewertung! Gröttrup führt breit aus,
was die Rakete als ein Transportmittel im Militärischen und im Zivilen leistet,
um zu enden, „dass die nichtmilitärischen Aufgaben der Rakete bis heute noch
nicht genügend gefördert werden…“ Mehr nicht.
Und auf der
gleichen Seite in Schmidts Buch lese ich die gern breitgetragene Weisheit: „Die
Weltraumrakete hätte es ohne militärisches Interesse nicht gegeben“. Das
ist eine weit verbreitete militante Wahnvorstellung. Hätte es die
Feststoffrakete von CONGREVE nicht gegeben, die übrigens im 19. Jahrhundert zu
hunderttausenden startete[43] und mehr Todesopfer gefordert haben soll, als die V2 im Einsatz, wäre nicht vor
1.500 Jahren in China das Feuerwerk erfunden worden? Übrigens sollten wir mit selbst
kreierten „Definitionen“ immer ordentlich umgehen. Was ist eine „Weltraumrakete“?
Ein Satellitenträger oder was? Doch eher im Sinne unserer Vorträumer, wie auch
Irma Gohl, ein Transportmittel, das ein bemanntes „Weltraumschiff“ mitnimmt.
Also nicht diese primitiven Feststoffdinger. Nein. Nur die Flüssigkeitsrakete
birgt die Sicherheit, Abschalt-Funktionalität und andere Notwendigkeiten, um in
den letzten bemenschten (ich bin mal gendergerecht), in den „himmlischen
Verkehrszweig“ einzuziehen. Und, Herr Schmidt, an diesen echten,
notwendigerweise GROßEN Weltraumraketen, angefangen bei der sowjetischen N-1 „Herkules“
oder der Saturn 5, vorerst endend beim Starship von SpaceX, hatte das Militär wirklich
kein Interesse.
Auf S.
238 muss man sich schon fremdschämen, wenn Gröttrup zu von Braun sagend in
den Mund gelegt wird: „Ihnen war schon in Peenemünde … der persönliche
Erfolg wichtiger als das Leid der Menschen“. Ist sich der Autor bewusst,
was er hier betreibt? Und es wird gruselig auf S. 339, indem er von
Braun sagen lässt: „Wir alle haben gesündigt. … Daher warte ich jetzt im
Fegefeuer auf das Jüngste Gericht.“ Will uns der Autor damit ehrlich etwas vermitteln?
Auch wenn
dies alles vielleicht anfänglich dramaturgisch tragend fiktiv spaßig für den
„Romanteil“ gemeint erscheint, so hat diese permanente „Leier“ des
menschenverachtenden von Braun, der über Leichen ging, nur, um irgendwann zum
Mond fliegen zu können, für den unbefangenen neuen Leser, auf dem dieses Buch
abzielt, doch System. Im künstlich erzeugten Spannungsbogen der Romanbiographie
zwischen von Braun und Gröttrup wird von Braun als unverbesserlicher „Bösewicht“
immer wieder als „Gegenspieler“ des braven Gröttrups „missbraucht“, einzig nur,
um Gröttrup, in des Autors Augen, als „Engel“ dastehen zu lassen. Und das ist für
mich einfach nur schäbig.
Ein starkes „Indiz“
nicht nur für mich, dass Klaus Riedel, Wernher von Braun und Helmut Gröttrup
mit ihren politischen Ansichten gar nicht so weit auseinander liegen konnten, sollte
doch die sicher nicht als Einmaligkeit zu betrachtenden Treffen der Familien im
Vorfeld ihrer Verhaftung 1944 gewesen sein. Sind somit die dabei erträumten
humanistischen Äußerungen von Gröttrup vielleicht erst recht auch von Braun „anzulasten“?
Für Klaus Riedel jedenfalls waren sie Inhalt seines Lebens und deshalb wurde er
möglicherweise von der Gestapo umgebracht[44].
Lade ich mir einen Bolschewistenhasser und Opportunisten, wie von Braun es sein
soll, in mein Haus, genieße den Abend mit gutem Rotwein, feinem Essen, Musik
und habe Spaß an allem, was man sich erzählt? Nicht einmal Michael Neufeld kann
diese „negativen“ Charaktere von von Braun in seinen Werken „nachweisen“. Bei
Herrn Schmidt sind im Roman der paneuropäische Menschenrechtler Riedel, der
Sowjetfreund Gröttrup und der SS-Waffenentwickler von Braun „ein Herz und eine
Seele“. Aber doch bitte nur abends in der geheimen Gemeinschaft! In der
Öffentlichkeit lebten sie natürlich ihre Charaktere konträr aus, wie es uns der
Autor nachweisen möchte. Das ist schlicht und ergreifend unglaubwürdig.

Abbildung 3: Titel der Bücher von
von Braun und von Gröttrup[45].
S. 235: Im Juni 1959 erschien das Buch von
Gröttrup „Über Raketen“. Von Brauns Werk „Start in den Weltraum“
kam exakt zeitgleich heraus. Es ist wie ein bewusster Schulterschluss mit Wernher
von Braun: Die GLEICHHEIT beider Cover ihrer Bücher mit den spitzen
Kegelraketen ist verblüffend. Ich glaube an keine Zufälle. Denn gleichzeitig
veröffentlichte Gröttrup den bereits erwähnten Sammelband „Der Weltraum in
Menschenhand“, worin er den sich selbst als Raumfahrtenthusiasten bezeichnenden
von Braun fragen lässt: „Und sollen wir heutigen unsere Arbeiten zur
Erschließung des Weltraums einstellen, weil Raketen, wie Flugzeuge, auch
militärisch eingesetzt werden können? … Es ist … unfair, uns Wissenschaftler
und Ingenieure für die Gräuel[46] moderner Kriege und die zeitgenössischen Krisen in der Welt verantwortlich
machen zu wollen.“[47] Das lasse ich doch nicht in „meinem Buch“ veröffentlichen, wenn ich so ein
grundfester Pazifist sein soll…
Leider muss
ich an dieser Stelle einflechten, dass das Fachbuch von Gröttrup „Über
Raketen“, trotz des einfühlsamen Layouts und den verständlichen Texten, mit
einigen gravierenden Fehlern und Unzulänglichkeiten gespickt ist. Ich will und
muss die Nachfolgenden an dieser Stelle hervorheben:
1) Wie ich
weiter unten nochmals hervorheben werde, war sich Gröttrup absolut nicht
bewusst, dass durch diverse Konstruktionsauslegungen die Tanks in der kegeligen
Rakete R-14 (G-4) entgegen der Anordnung des Aggregat 4 und „seiner“ G-1 (R-10)
„vertauscht“ lagen. Also der Tank für flüssigen Sauerstoff lag oben, also ÜBER
dem Brennstofftank. Wenn, wie bei der R-14, die Rakete aus „hauchdünnen“
Tankstrukturen konstruiert ist, die nur unter Innendruck von 5 bar[48] ohne zusätzlichen
Stringer und Spanten sich selbst stabilisieren, muss es eine klare Anordnungsfolge
der Tanks geben. Da wegen der lagerfähigen Brennstoffkomponente dieser immer
zuerst betankt wird, muss der Brennstoff – im Gegensatz zur „Urmutter aller
Raketen“, des A-4 und auch der deutschen G-1 (R-10) – unten, also in
Triebwerksnähe, liegen. Ansonsten würde bei oben liegendem Brennstofftank der
noch leere, unten liegende Tank für flüssigen Sauerstoff durch die große Last
zerstört werden. Das ist so wie bei einer metallenen Getränke-Dose, auf die man
sich draufstellen kann, wenn sie noch nicht geöffnet ist - eine leere Dose wird
aber unweigerlich zum Flachmann umgeformt bei gleicher Belastung.
Und diese
„falsche“ Tankanordnung macht er sich leider in allen Zeichnungen in seinem
Buch zu Eigen – siehe z.B. Seite 151.
2) Gröttrups
Überlegungen zum Wärmeaustauscher (S. 143 und 154/155) sind grundlegend falsch.
Wie ich aus eigenen experimentellen Vorgängen nachvollziehen konnte, ist der
umgebungswarme Brennstoff (auch Gröttrup nahm Ethanol an) untauglich zum
Verdampfen des flüssigen Sauerstoffs über einen längeren Zeitraum. Sogar
100%ger Ethanol friert nach kürzester Zeit durch den kalten Sauerstoff in den
Leitungen ein. Daher hatte schon 1941 der findige Klaus Riedel ein
Versuchsmuster eines Wärmetauschers in Betrieb in Peenemünde vorgeführt, der
den flüssigen Sauerstoff durch das „sehr warme“ Brenn-Abgas, von der Turbine
kommend, verdampfen ließ[49].
An der TH Dresden am Lehrstuhl für Kraftfahrwesen und Leichtmotorenkunde unter
Leitung von Prof. Robert von Eberan-Eberhorst wurden dann der serienreife
Wärmetauscher entwickelt und seitdem weiß man auf der ganzen Welt, wie das geht
und macht es so bis heute…
3) Wenn
Gröttrup auf Seite 165 bemängelt, dass es für die Anordnung des „Steuerungszentrums“ in der Spitze von Raketen „keinen plausiblen Grund“ gab, vergisst
er glatt, dass er 5 Seiten weiter fälschlicherweise die Größe dieser Plattform kritisiert
und gibt keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass nun sogar bei „seiner“ Rakete G-1
(R-10) diese Geräte praktischerweise im Heck angeordnet wurden! In seinem
weiter unten herangezogenen Paper aus 1958 schreibt er eindeutig, dass sämtliche
Steuergeräte im Heck eingebaut wurden[50].
Das hängt aber wiederum nur damit zusammen, dass dieses „Steuerungszentrum“
man nun nicht mehr benötigte, man die Steuerung der Rakete vom Boden aus
leitete und an Bord nur noch kleine kompakte Gerätschaften unterzubringen
waren…
4) Diese
gerade angeführte Kritik von Gröttrup wird bei ihm auf Seite 170 konterkariert:
Das Aggregat 4 war von Beginn der Entwicklung an mit der kugeligen, raumstabilisierten
Plattform mit der Bezeichnung Steuergerät SG 66 des genialen Konstrukteurs
Fritz Müller der Kreiselgeräte GmbH ausgelegt. Übrigens in Verbindung mit dem
ersten analogen Bordcomputer einer Rakete, dem „Mischgerät“. Nur für diese, wie
Gröttrup schreibt „große und unförmige Plattform“ MUSSTE man aber einen
Raum vorsehen, der voluminös genug war, die im Durchmesser 510 mm große und 50
kg schwere Kreiselplattform[51] mit den zugehörigen Umformern und Batterien aufzunehmen. NUR deshalb entwickelte
man den „Geräteraum“ zwischen Tanks und Sprengkopf und der machte
selbstverständlich KEINE Schwierigkeiten, dies alles unterzubringen! Wenn
Gröttrup hier eine andere Meinung weissagt ist es falsch.
Da sich die
Fertigentwicklung des SG 66 hinzog integrierte man dann die abgemagerte
„Industriesteuerung“ im A-4, was eine immense Genauigkeitsverschlechterung des
Zielkreises nach sich zog und das A-4 als V2 nur noch als Waffe auf
großflächige Ziele taugte. Erst zum Kriegsende mit dem verbesserten Seriengerät
SG 70 (und durch die Aluminium-Kardanringe auch um etliche Kilogramm leichter) war
man wieder soweit, wie es mit dem ursprünglichen Layout des A-4 vorgesehen war:
Mit diesem eigentlich sehr wertvollen Kriegsgerät A-4, „Punktziele“ (Kreis von 450
m Durchmesser bei einer Entfernung von 320 km[52])
treffen zu können.

Abbildung 4: Die Achsen in einem
(Raum-)Flugkörper[53]
5) Wie sich
Gröttrup in der Beschreibung und in der Skizze zur Geschwindigkeitsintegration auslässt
(S. 171), ist es nicht zu begreifen. Selbstverständlich liegt das
Integrationsgerät in der Längsachse (Rollachse; ist die
x-Achse) der Rakete und summierte die Beschleunigungswerte sehr exakt zu
damaligen Verhältnissen. Um auch die Querbeschleunigung um die Hochachse
(Gierachse; ist die z-Achse) in die Zielgenauigkeit einzubeziehen, wurden
bereits beim SG 66 zwei Integrationsgeräte für die Längs- und Querbeschleunigungsmessung
verwendet. Die Formulierung von Gröttrup, dass die Messung nicht genau genug
erfolgen kann, weil die Nase der Rakete nur ungefähr in ihre „endgültigen
Flugrichtung zeigt“, ist Nonsens. Welche gesteuerte Rakete zeigt schon beim
Start auf ihr Ziel? Die Umlenkung im Fluge musste ebenfalls so „langsam“
erfolgen, dass kein negatives Moment den stabilen Flug der Rakete beeinflusst.
Die Integrationsschritte sind damit mathematisch so kurz gewählt, dass in der
Zeitphase des Messens die Beschleunigung IMMER durch die Längsachse geht. Und
das war genau und passte für die Zielkoordinaten sehr gut. Um der Querablage zu
begegnen wollte man ja mit einem Leitstrahl schießen. Doch eine wahrscheinliche
gegnerische Detektion ließ das schnell wieder fallen lassen. So verzichtete man
dann vorerst auf das zweite „I-Gerät“, weil ja die Flächenziele Häfen und
Städte auch breit genug waren, um Schaden zu verursachen, wenn man die
Entfernung erreichte. Aus all dem kann man erkennen, dass das Aggregat 4 in der
Baureihe B NIE fertig entwickelt war. Und das erkannte später selbstverständlich
auch Koroljow[54]…
6) Dem
größten Irrtum, den Gröttrup in seinem Buch aufsaß, ist im Text auf Seite 134
und in der Abbildung auf Seite 135 manifestiert. In einer Brennkammer gibt es KEINEN
thermochemischen „Druckaufbau“! Das ist ähnlich falsch, als wenn ich
verbreiten würde, dass sich eine Rakete mit ihren erzeugten Verbrennungsgasen
von der Erdoberfläche abstößt…
Eine
Raketenbrennkammer ist kein Otto-Motor, wo in einem veränderlichen Brennraum
ein Gemisch verdichtet und mit einem Zündfunken zur Verbrennung gebracht wird.
Wir haben eine OFFENE „Tube“ für einen thermodynamischen kontinuierlichen
Strömungsprozess. Nur wenn mal eine Brennkammer „vollläuft“, also mehr reaktionsfähiges
Gemisch sich in dem vorgegebenen Raum befindet, als vorgesehen, kann sie über
die Belastungsgrenze hinaus beansprucht werden J. Mit anderen
Worten: Den Druck in der Brennkammer, den ich für meinen rechnerischen Output
erreichen möchte, muss ich mit dem Flüssigkeitsdruck in die Brennkammer
hineinbefördern. Da kommen natürlich auch noch die Reibungsverluste durch die
Rohrleitungen und Ventile hinzu. Soll also in einer Brennkammer ein Druck von
z.B. 15 bar herrschen, wie im A-4 ausgeführt, so MÜSSEN die zuströmenden flüssigen
Medien für die Verbrennung ein paar Bar höher durch druckerzeugende Systeme
(Pressgas oder Turbopumpe) beaufschlagt vorliegen. Das nachfolgende Diagramm
der gasdynamischen Bedingungen in der Brennkammer des A-4 verdeutlichen dies
augenscheinlich.

Abbildung 5: Thermofluiddynamische
Vorgänge in einer Brennkammer[55].

Abbildung 6: Gasdynamische
Bedingungen im „Korbkopfofen 39“, der Brennkammer des A-4[56].
Hinzu kommt,
dass Gröttrups Vorstellungen der Prozesse in einer Raketenbrennkammer
„antiquiert“ waren. Zum Ende des Krieges lag bereits eine besondere „koaxiale
Mischdüse“ vor, die Brennstoff und Oxidator bereits in der flüssigen Phase vermixte
und so als „Gemisch“ in die Brennkammer eintreten ließ. Diese an der TH Dresden
entwickelte geniale Düsenform bewirkte nicht nur eine Verkürzung des Brennraums
und damit Masse der Brennkammer, weil der Vermischungsprozess nicht mehr im „Brennraum-Kopf“
erfolgte, sondern die Medien schon beim Eintritt als Mixtur vorlagen. Dieser
Koaxialinjektor ging mit den Deutschen sowohl in die UdSSR als auch zu den USA
und vollzog seinen Siegeszug durch die ganze Welt, ohne dass die Nutzer es für
notwendig hielten, irgendwo den Ursprung erwähnt zu haben[57]…
Einsatz von Häftlingen im Dritten Reich an der Rakete
Zu Tode
geschundene Häftlinge im Dritten Reich sind zu Recht immer ein sehr sensibles
Thema, zumal es gerade in der Raketenproduktion scheinbar eine besondere, ja sehr
hervorgehobene Stellung einnimmt. Deshalb ist es mir völlig unverständlich,
dass Herr Schmidt diese inflationären Opferzahlen in seinem Roman präsentiert,
die komplett an der Realität vorbei gehen, wie nachfolgend nachgezeichnet wird.
S. 16: Schmidt schreibt richtig, dass Kammler
„skrupellos die Massenfertigung des A-4…mit Hilfe zigtausender KZ-Häftlinge“
organisierte. Genau, mit der SS und nicht mit dem Heereswaffenamt.
Das ist doch nicht so schwer auseinanderzuhalten! Daher waren die Raketen
äußerst mangelhaft, wie er auf S. 77 festhält. Bis Kriegsende konnten
aber fast alle Fehler erkannt und abgestellt werden[58]. Das wird gern
verschwiegen. Das „Mittelwerk“, in dem nicht nur die V1 und V2 zusammengebaut
wurden, war ein staatseigener Rüstungsbetrieb, die SS hatte bei der Produktion die
Aufsicht und die Wehrmacht durfte (nur) die Raketen übernehmen und verschießen.
Die Heeresforschungsstätte Peenemünde bzw. die bereits zum Ende des Krieges in
der Abwicklung befindlichen „Elektromechanischen Werke GmbH“ fungierten (nur)
als QM-Stelle. Hätte von Braun oder andere sich dagegen erheben können?[59].
Schmidt
verkennt hier die uneingeschränkte Macht eines totalitären Regimes, in dem der
Einzelne keinerlei Rechte hatte.
Und doch erleben
wir eine Überraschung: Seinem „Helden“ Helmut Gröttrup gesteht Schmidt blumig
zu, dass er Angst bekam, weil die Gestapo ihm im Visier hätte (S. 75).
Und weiter: „Er konnte sich nur dadurch schützen, dass er seine Arbeit am A-4
noch gewissenhafter machte“. Aha! Doch warum spricht Schmidt genau dieses
permanent Wernher von Braun ab, wo er vielleicht noch stärker von der Gestapo
beäugt wurde? Mit dieser Bewertung mit zweierlei Maß entsteht eine
Vorverurteilung des ihm persönlich unmoralischen Waffenentwicklers Wernher von
Braun.
Außerdem
unterschlägt hier der Autor, dass ab Januar 1945 von Braun und die „Elektromechanischen
Werke“ nach Bleicherode verlagert werden sollten, Dipl.-Ing. Heinz Kunze per Führerbefehl
zum Leiter der gesamten Raketenentwicklung berufen wurde und von Braun
zusätzlich durch die SS (Standartenführer Dr. Wagner) mit dem Leben
bedroht und somit insgesamt „kalt gestellt“ wurde[60]. Wäre von Braun
aber ein glühender SS-Mann, dürfte das doch nicht notwendig gewesen sein und er
hätte sich liebend gern permanent in „Schwarz“ gezeigt. Oder?
Nur einmal –
ganz kurz – gewährt Schmidt von Braun ähnliche ehrliche und menschlich
verständliche Angstgefühle im fiktiven „Intermezzo im All“, rückblickend
auf Hitler: „Wir waren nur sicher, solange wir ihm nützlich waren und ihm
nicht widersprachen“ (S. 224). Na also!
S. 19: Von von Braun und Dornberger will
Gröttrup nie „ein Wort zu den Zuständen im Mittelwerk gehört“ haben. Sie
sollen also nichts von den Zuständen im Mittelwerk gewusst haben? Das ist
wiedergekäute schlechte Propaganda. Von Braun war ein überzeugter Christ und
hat sich nicht nur einmal für seine „Taten“ entschuldigt - siehe z.B. auf
meiner Website[61]:
# Das „Rote
Tuch“ - Weihnachtsbotschaft 2004, Wernher von Braun - Die Entschuldigung.
# Aggregat -
Publikationen - Bücher - Bob Ward, Dr. Space: The Life of Wernher von Braun.
Wie weiter
oben gerade beschrieben, hatte von Braun weder die Macht noch die
Erfolgsaussicht, etwas im Regime unter Hitler zu ändern. Also: Schnauze halten
und „Schwarz“ anziehen!
Grundlegend
beruhen die Anschuldigungen der „Mittäterschaft“ von von Braun am angedichteten
Mord an tausenden von KZ-Häftlingen auf Veröffentlichungen von Jens-Christian
Wagner. Die möglichen moralischen Verfehlungen von Wernher von Braun wurden in
Verbindung mit dem Mittelwerk erst viel später instrumentalisiert. Noch in
den1960ger musste sich von Braun die Kritik gefallen lassen, wegen der
V2-Einsätze gegen England mitverantwortlich zu sein[62].
Wie so oft in
den neuzeitlichen Publikationen kommt auch hier also von Braun nicht gut weg.
Warum man ihn aber als einen Bolschewistenhasser darstellt (S. 82), ist m.E.
unglaubwürdig. Wieso tauscht er sich dann ganz offiziell mit dem in der DDR
arbeitenden und darin assimilierten „Roten Baron“ Manfred von Ardenne 1969 umfangreich
und sehr freundschaftlich aus[63]?
S. 20: „In Peenemünde wurden ab 1943
tausende Häftlinge und Zwangsarbeiter aus Frankreich, Polen und Russland
eingesetzt“. Klarstellen muss man vorab, dass „Peenemünde“ oft, wie
auch hier, als Synonym für die Raketenentwicklung des Heereswaffenamtes steht. Doch
ein ebenfalls nicht unwichtiger Teil stand unter der Hoheitsgewalt der
Luftwaffe. Unverständlich zuerst für mich ist, was der Unterschied von Häftling
und Zwangsarbeiter im Dritten Reich gewesen sein soll. KZ-Häftlinge „fallen“
unter die Zwangsarbeiter, da hätte Schmidt eher noch die nach Definition[64] anders gearteten
Kategorien Ost- und Fremdarbeiter angeben sollen. Zweitens unterschlägt er
glatt, dass einhundert dieser Personengruppe DEUTSCHE waren und drittens es
insgesamt 600 und nicht tausende waren (übrigens darunter KEINE Polen),
die von Juni bis Oktober 1943 in der Nähe der Fertigungshalle F1 für
Lagerarbeiten eingesetzt waren mit der Bezeichnung „KL[65] Karlshagen II“. Eine
Rakete haben sie wahrscheinlich alle nie gesehen, geschweige denn daran
gearbeitet. Wer das Gegenteil behauptet, reimt sich einfach nur etwas zusammen.
Beim
britischen Luftangriff in der Nacht zum 18. August 1943 starben hier 18
Häftlinge[66].
Schmidt schreibt hier wider besseres Wissen von „Hunderte“. Gleich nach
dem Angriff wurden die Häftlinge wieder abgezogen.
Allen Wissbegierigen
empfehle ich die Lektüre des Franzosen Michel Fliecx aus Metz[67]. Er war einer der
600 Leidensgefährten, die Mitte Juli 1943 in Peenemünde ankamen und anfänglich im
Untergeschoss der Fertigungshalle F1 untergebracht wurden. Ihre Aufgabe: Lager-
und Sortierarbeiten. Drei Monate wird er dort unter fast normalen Bedingungen,
wie sie sich im Krieg für Häftlinge ergaben – daran sollte man immer denken - arbeiten.
Den Krieg und alle Lager überlebend wird er rückblickend schreiben: „In
meinen anderen Lagern sollte ich noch oft an diese Zeit vor dem Bombenangriff
auf Peenemünde zurückdenken, und sie erschein mir wundervoll“.
S. 67: Nach dem Royal Air Force-Angriff im
August 1943 soll es „700 Tote, darunter 600 Gefangene und KZ-Häftlinge“
gegeben haben. Der ausgewiesene Kenner der Ereignisse auf Usedom, Manfred
Kanetzki listet diese genau 701 Tote auf[68] und kommt auf ganz andere „Zuordnungen“:
|
§ Sterbebücher Heeresgutsbezirk, Zivilisten |
365 |
|
§ Friedhofslisten, meist ortsfremde Soldaten |
123 |
|
§ Massengrab, unbekannte Häftlinge |
131 |
|
§ Massengrab, weitere nicht zuzuordnende Personen |
66 |
|
§ KZ-Häftlinge Lager Karlshagen II |
16[69] |
Die gern ausufernden
Zahlen von umgekommenen KZ-Häftlingen im Kohnstein sind ein oft verbreiteter „Sport“
der politisch korrekt sein wollenden Journalisten und Historiker. Ich habe die
Grundlage dieser derzeit immer noch auf Wikipedia[70] publizierten „rund
20.000 Toten des Mittelbaus“[71] im Buch (der Dissertation) von Jens-Christian Wagners „Produktion des Todes“
„gefunden“. Dort schreibt er ohne Begründung oder sogar Nachweis auf S. 287 plötzlich
über angeblich 20.000 Tote, ohne die Herkunft dieser Zahl irgendwie zu
erläutern. Interessanterweise zeugen seine akribisch zusammengetragenen Zahlen in
der Anlage ab S. 647 in der Aufsummierung dagegen aber nur von insgesamt 8.677
Toten, die – wie er auf S. 288 genauer formuliert – „auf den real
existierenden BAUSTELLEN“ des Mittelwerkes und NICHT bei der MONTAGE der Raketen darin starben.
Komisch das.
Und keinem kümmert`s…
Die mit „deutscher
Gründlichkeit“ geführten Totenbücher weisen eine ähnliche Zahl auf: Zwischen dem
03.10.1943 und dem 08.04.1945 sind 8.007 Tote in den Dora-Listen
vermerkt[72].
Weiterhin will Wagner interessanterweise wissen, dass von allen eingesetzten
Häftlingen des KZs nur rund 10% an den V-Waffen (also nur Fluggeräte V2 UND V1 und nicht beim Volksjäger, nicht im Junkers-Flugmotorenbau u.a.m.)
arbeiteten. Das ist einleuchtend und somit – der Statistik nach – auch umkamen?
Will man das konsequent weiterführen sollten es also nur einen Bruchteil der
damit maximal 800 Tote (diese 10%!) an den Taktstrecken der „V 2-Waffen-Produktion“
gegeben haben? Denn man müsste ja noch die Toten der V1-Produktion abziehen. Doch
darüber wird man keine Totenzahlen finden...
Fazit: Leider
wird überall kolportiert, dass insgesamt 20.000 Opfer ihr Blut ausschließlich an den Raketen hinterließen. Das ist definitiv in mehreren
Größenordnungen (!) eindeutig gefälscht. Ein unerhörter Lügenteppich soll
auch hier auf die Wahrheit der deutschen Raketenentwicklung und ihrer Akteure ausgebreitet
werden…
Ebenfalls
werden zu General Dr.-Ing. e.h. Walter Robert Dornberger irrige Behauptungen vom
Romancier manifestiert. Er war weder in irgendeiner politischen Institution des
Dritten Reiches (Als Offizier durfte er in keiner Partei etc. mitarbeiten.)
noch warb man ihn zum Arbeiten in den USA an.
Grundlegend sehr
falsch ist, dass Dornberger 1945 im Rahmen von Overcast in die USA geholt
wurde. Richtig ist, dass er sogar gegen seinen Willen erst im Juli 1947 in die
USA verschleppt wurde - darüber habe ich ausführlich berichtet[73]. Die beiden
Anmerkung auf S. 345 „(N)“ und „(U)“ sind also frei
erfunden.
Seine
Verbindungen zu den Freimaurern (durch Vater und jüngeren Bruder) ist ein
besonderes, höchst interessantes, unbekanntes Widerstandskapitel, das ich schon
länger verbreite[74] und hier bereits erwähnte.
War General
Dornberger aber trotzdem ein strammer Nazi, wie man überall lesen darf? Umfasst
der Begriff Nazi im Bewusstsein von Herrn Schmidt alle Personen des Dritten
Reiches oder eher doch nur die NSDAP-Mitglieder? Diese Antwort bleibt er uns
schuldig.
Hätten sich
General Dornberger und der sicher als Humanisten „eingestufte“ und deshalb auch
verhaftete Gröttrup „fünf Minuten lang“ aus innerer Freude ihre Hände
gegenseitig regelrecht gepresst, als Gröttrup aus Gestapohaft freikam (S. 72)?
Herr Schmidt, hier beißt sich einiges…
Wiederum
hatte General Dornberger, dieser war selbstverständlich nicht Kammler
unterstellt, als Inspekteur des Heereswaffenamtes für das einwandfreie
Funktionieren der zu verschießenden Raketen an der Front[75] sehr wohl die
Zustände in den Fertigungsstollen im Visier (S. 19), und mit dem
verantwortlichen zivilen Direktor für Planung der A-4-Fertigung Dipl.-Ing. Albin
Sawatzki wurde dies gemeinsam nicht nur u.a. bei den A-4-Testabschüssen in
Blizna kontrolliert.
Dornberger
gab unter Eid folgende Erklärung ab: „Bei … meinen Besuchen im Mittelwerk,
hatte ich nie den Eindruck, dass die Häftlinge im Werk irgendwie besonders
schlecht oder sogar unmenschlich behandelt wurden. Sawatzki´s Auffassung, die
er mir mehrmals auseinandersetzte, war, dass wer schlecht behandelt würde und
darüber hinaus auch noch unterernährt sei, nicht voll arbeiten könne. Er hat
viel für die Häftlinge getan. Ich erinnere mich z.B. an die Erhöhung der
Häftlingsrationen, an die Häftlingskapelle, die in einem der Querstollen
während der Mittagspause spielte. Außerdem daran, dass wir kaum Sabotagefälle
hatten – jedenfalls wurden mir sehr wenige zur Kenntnis gebracht – eine Sache,
die bei einem so komplizierten Gerät durchaus und leicht möglich gewesen wäre.
Im Gegenteil einige technische Verbesserungsvorschläge durch Häftlinge wurden
übernommen und eingeführt. …
Der
Kommandeur meiner V2-Einsatztruppe meldete mir eines Tages, er habe von Kammler
den Befehl bekommen, einen in der Nähe des Mittelwerkes gelegenen Steinbruch
zur Sprengung vorzubereiten. Auf seine Frage, warum das geschehen solle, hat
ihm Kammler geantwortet, dort sollten die Häftlinge getötet werden, die an der
V2-Produktion beteiligt waren, damit sie nicht in Feindeshand fielen. Ich habe
daraufhin Kammler angerufen und habe ihm meine Eisenbahn- und Transporttruppe
zum Abtransport der Häftlinge zur Verfügung gestellt. Darauf ist Kammler
eingegangen….
Als mein
Stab, sowie die Luftwaffen- und Heeresverbände, die mir unterstanden, in der
Nacht zum 6. März von Bad Sachsa nach Bayern abrückten, wurde mir von meinem
Transportoffizier gemeldet, dass Transportzüge mit Häftlingen nach Norden im
Abrollen waren.“[76]
Über die vielen
KZ-Häftlinge, die einzig wegen ihrer Mitarbeit bei der Produktion der Rakete überlebten,
wird man aber kaum etwas schriftlich Niedergelegtes finden. Es kann ja auch nicht
sein, was nicht sein darf…
Einordnung der Leistungen der deutschen Spezialisten in der UdSSR
Leider sind
die nachfolgenden kritisierten Ausführungen von Schmidt zu den „Deutschen
Spezialisten in der Sowjetunion“ so überholt und damit falsch, dass man kein
Wort darüber hätte verlieren müssen. Letztlich diskreditiert sich hiermit
Schmidt von selbst…
S. 137: Die Deutschen in der UdSSR „…forschen,
so scheint es, für den Papierkorb“. Warum hat sich dieser Blödsinn so in
den Medien und voreingenommenen sowjetfreundlichen Köpfen festgesetzt? Dieser
Papierkorb-Fake nahm über die Jahrzehnte schon ein episches Ausmaß an…
Seit vielen Jahren
wird auch von mir zusammengetragen, was die deutschen Spezialisten in der UdSSR
in der Raketentechnik entwickelten und dies heute noch sichtbar real
existierend eingesetzt wird[77] [78]!
Bevor ich
gleich näher darauf eingehen werde, entsprechende Hinweise zum nachweislich stattgefundenen
„Technologietransfer in die UdSSR“.
Fakt ist,
dass man in den ersten 5 Jahren in der UdSSR mühselig und mit riesigen
Anstrengungen die deutsche Technik adaptierte. Dafür waren die Deutschen als
Lehrmeister unentbehrlich. Gleiches gilt selbstverständlich auch in den drei
anderen Siegermächten! Gleichzeitig sollten die Deutschen etwas Neues
entwickeln. Das soll dann aber nur für den Mülleimer gewesen sein. Warum? Weil
sie ja von der internationalen Entwicklung abgeschnitten waren!
So ein Nonsens!
Zuerst: Die Raketenentwicklung in Deutschland
hatte einen internationalen Vorsprung von rund 10 Jahren – also noch genügend „Nährstoff“
(siehe hier weiter unten „gerade Antriebsbahn“ oder „Gasabzapfung der
Brennammer“). Außerdem verbesserte man noch im Kriegsdeutschland weitere wichtige
technische Details an/in den Raketen und entwickelte rund 100 (!) verschiedene Brennkammertypen[79], die erst viele
Jahre später weltweit umgesetzt wurden.
Zweitens: Die Sowjetunion eignete sich nicht nur
technische Lösungen oder personelles Know-how an, sondern auch die zugehörigen technologischen
Arbeitsgrundlagen wie das deutsche (militärische) Qualitätsmanagement an/in der
Rakete. Das hatte ich bereits 2006 publiziert[80].
Drittens: Wenn sogar Tschertok schreibt, dass
bis zum Jahre 1953 Koroljow und Gluschko (Walentin Petrowitsch Gluschko;
02.09.1908 – 10.01.1989) von ihren Kritikern vorgehalten wurde, dass sich ihre
gesamte Tätigkeit auf die Reproduktion der deutschen Technik reduziere, dann
ist das schon sehr bezeichnend[81].
Und wenn man sich in die „Eingeweide“ der ersten sowjetischen Raketen begibt,
so erscheinen einem die Rudermaschinen, elektrische Gerätschaften usw. schon
äußerlich sehr deutsch, sprich den Vorbildern des A-4 sehr, sehr ähnlich. Damit
begibt sich aber auch Tschertok aufs Glatteis, wenn er permanent behauptet,
dass die späteren Raketen „frei von den Muttermalen der deutschen
Raketentechnik“ sind. Daraus spricht aber nur die Besänftigung der
unwissenden Sowjetbürger, Entschuldigung, der Russen bzw. der ganzen Welt und
es ist grundsätzlich FALSCH, wie schon länger von mir publiziert[82].
Viertens: Im anschaulichen nachfolgenden Demonstrationsbeispiel
für ein einzelnes „Raketen-Bauteil“ soll der Nachbau der so genannten List-Stecker
(eigentlich: „Gerätestecker der Luftfahrzeuge; Bauart List“) dienen.
Gröttrup gibt den Geheimdiensten an: „Wenn man im speziellen Fall die
russischen elektrischen Verbindungen betrachtet, die von den deutschen List-Steckern
nachgeahmt wurden, waren diese Kopien in Genauigkeit und Isolationsdaten besser
als die der Deutschen“[83].

Abbildung 7: Deutsche (linker
Bildteil) und sowjetische Steckerteile passen perfekt zusammen[84].
Fünftens: Die metallurgische Industrie der UdSSR
vermochte anfänglich nicht alle Werkstoffe zu produzieren, wie sie z.B. im
Aggregat 4 eingesetzt wurden. Schon die nachfolgende Tabelle zeigt, dass gewaltige
Anstrengungen notwendig waren dieses Manko zu substituieren, da man auch auf
Jahre hinaus nicht die erforderlichen Werkstoffe liefern konnte. Besonders
eindrucksvoll soll das erst beim Materialeinsatz der geplanten G-4/R-14 zum
Tragen kommen. Damit war die „russische“ R-1 eher schon ein weiterentwickeltes A-4
als von allen „Kennern der Materie“ uns vorgegaukelte „plumpe Kopie der V2“,
wie ich schon jahrzehntelang beweise[85].

Abbildung 8: Vergleich der
eingesetzten Werkstoffe in den Raketen A-4 (untere Zeile) und R1[86]. Spaltenbezeichnungen:
Materialien / Stähle / Gusseisen / Buntmetalle / Kunststoffe / Galvanische
Überzüge / Lacke.
Sechstens: Dass die Deutschen mitnichten von der internationalen
Entwicklung abgeschnitten waren zeugt wieder ein eindeutiges Beispiel: Sie
wurden unverzüglich mit der aktuellen internationalen Fachliteratur versorgt,
wie mir übergebene Bücher zeigen. Das nachfolgende Bild sollte es belegen.

Abbildung 9: Sowjetisches Fachbuch
mit aktuellen Beiträgen aus dem Amerikanischen übersetzt aus dem Jahr 1948.
Herr Baum arbeitend in Chimki bei Gluschko erhielt es, wie eingetragen, unmittelbar
nach russisch übersetztem Druck am 20.11.1949[87].
Warum nur
will man uns immer wieder in dem Glauben lassen, dass alles, was die Deutschen
den sowjetischen Ingenieuren in den Schoß legten, anschließend gleich
vernichtet wurde? Das ist doch exorbitanter Unsinn! Russland hütet bis
heute das Geheimnis des unglaublichen Schatzes niedergeschriebenes
deutschen Ingenieurwissens auf TAUSENDEN DOKUMENTEN UND ZEICHNUNGEN[88] und man schwört
förmlich auch heute noch permanent, dass der Mülleimer überquoll mit diesen
nutzlosen deutschen Entwicklungen…
Man leugnet
auf einmal sogar kategorisch, dass jemals Deutsche in den geheimen Stätten der
UdSSR arbeiteten – so geschehen bei einem Besuch in Gluschkos Firma in Chimki
mir gegenüber vom leitenden Mitarbeiter der NPO Energomash Wjatscheslaw
Rachmanin vor wenigen Jahren. Und wenn man dem „Raumfahrt-Experten“ Don P. Mitchell
vertraut, hat man von Seiten der NPO Energomash sogar jede Kenntnis von
deutschen Spezialisten in ihrer Firmengeschichte bestritten[89]. Das ist einfach
nur eine unverfrorene Lüge!
S. 139: Koroljow „möchte die
leistungsstärkere Rakete alleine entwickeln“ ohne die Deutschen mitarbeiten
zu lassen. Auch das ist eine festgefressene UNWAHRHEIT, genau wie das Statement
auf S. 149, Koroljow sei „…auf deutsches Wissen nicht angewiesen“.
Die RICHTIGSTELLUNG sogar aus Koroljows Feder aus dem Jahr 1947 lautet
folgendermaßen:
„Über die
Nutzung der deutschen Spezialisten. Im Schreiben vom 29. März 1947 habe ich die
Frage des Heranziehens der früher in der Fertigung in Deutschland arbeitenden
deutschen Spezialisten in die Fertigung der ersten Erzeugnisse (gemeint sind die Raketen) gestellt.
Dennoch sind deutsche Spezialisten bis heute zu den Arbeiten in der Produktion
nur als Beobachter herangezogen worden, die keine Verantwortung für die
Qualität der Arbeiten tragen. Die Erfahrung der Fertigung der ersten
Erzeugnisse zeigt, dass für die Erhöhung der Qualität der Arbeiten sowie für
die Beschleunigung der Ausbildung der sowjetischen Spezialisten es nötig ist,
dass deutsche Experten unmittelbar an der Produktion teilnehmen und persönliche
Verantwortung für die Qualität der Arbeiten übernehmen.
Es ist
notwendig, dass die deutschen Spezialisten die Verantwortung mittragen, die
Qualität der Arbeiten an ein Erzeugnis bestätigendes Dokument unterschreiben
und die Möglichkeit haben, für die Verbesserung der Qualität der Arbeiten
nötige Maßnahmen durchzuführen“ [90].
Und das
liest sich selbstverständlich komplett ganz anders…
Aber man
sollte auch folgendes beachten. Koroljow war sich sicher bewusst, dass, so
lange Deutsche in der sowjetischen Raketenentwicklung mitarbeiteten, sie durch
Geheimniskenntnisse vorerst nicht nach Deutschland zurück dürfen. Da war er sicher
sehr in einer mentalen „Zwickmühle“…
Doch dass
auch Boris Tschertok uns Lügen auftischte, um ein Unnütz der Deutschen – wie
man gerade wieder erneut lesen musste – dauerhaft in Stein zu meißeln, sollen
aus dem oben genannten anschließenden Zeitraum September 1947 die folgenden zwei
Äußerungen aus seinen Büchern dienen[91].
Tschertok im Gespräch: „…wenn Gröttrup unter der Leitung von Koroljow
arbeitete, wäre das auch nicht real, weil Koroljow sofort erklären würde:
Warum? Wir können das alles selbst.“ Gesprächspartner Woskresenskij
erwidert: „…Für ihn (Koroljow) haben die Deutschen ihre Sache schon getan.
Sie sind für ihn im Weiteren nicht mehr notwendig.“
Unverfrorener
geht es kaum noch! Leider sind hierzu diese o.g. absolut konträren
Äußerungen Koroljows bisher nirgends ausgewertet worden…
S. 158: Die „Neuigkeiten“, die Gröttrup den
sowjetischen Ingenieuren für die neue Rakete G1 vorschlug, waren nur für die
sowjetischen Zuhörer neu:
Ø Die Anzapfung der
Brennkammer, um heiße Gase zu entnehmen und damit eine Turbine für die
Treibstoffförderpumpen anzutreiben, beruhte auf dem „Deutschen Reichspatent“
des Heereswaffenamt-Prüfwesens vom 01.05.1936[92].
Ø Das Abtrennen des
Gefechtskopfes nach Brennschluss war schon in Erprobung in der experimentellen
Phase 1944 beim A-4[93].
Das wäre ergänzend auch ein Hinweis auf die Testung von Mechanismen beim Trennen
von Stufen bei mehrstufigen Raketenprojekten (siehe Bemerkung zur S. 230)
Ø Auch wenn Tschertok
und auch Suslina das „Bahnmodell“ von Dr. Hoch als Weltneuheit preisen (siehe
später dort) – der Erfinder dieses ersten Analogrechners für die
Bahnmodellierung einer Raketenantriebsbahn, Dr. Helmut Hoelzer, hatte dieses
von ihm benannte „Bahnmodell“ bereits 1943 in Peenemünde entwickelt[94] und immer weiter
vervollkommnet[95].
Ø Und die sogenannte
„gerade Antriebsbahn“ mittels Leitstrahls als alternative Zwangsbahn des A-4 entwickelte
man schon im 2. WK, doch verzichtete man in den meisten Fällen darauf, weil der
Gegner diesen Funkleitstrahl hätte detektieren können und so den Startbereich
der Raketen entdecken und Gegenmaßnahmen einleiten würde.
Für mich wird
dieser Leitstrahlvorschlag aber gigantisch sensationell, weil man
überall in den Dokumenten (bei Gröttrup und auch bei Tschertok) nachliest, dass
die Entwicklung für die „deutschen“ Raketen von der A-4 über der R-10 bis zur
R-14 diese vom Boden aus funktechnisch vorgegebene Antriebsbahn verwendet
werden sollte. Und der Clou von Koroljow, die für mich eine bezeichnende
Ehrerbietung an die Deutschen ist: Sie wurde sogar bei der R-7 PRAKTISCH lange Zeit angewandt!!! Ich komme in dem betreffenden nachzureichenden Kapitel
darauf zurück.
S. 181: „Quarantäne des Vergessens“.
Ich kann es nicht mehr hören! Noch einmal klar hervorgehoben: Wenn die
Deutschen in der UdSSR nur für den Papierkorb arbeiteten, weil sie ja an keinem
geheimen Projekt mitwirkten, wieso sollen sie dann länger in der Sowjetunion
gehalten werden? Nur, um alles dieses „Unnütze“ wieder zu vergessen?
Und wieso
soll ich etwas vergessen, wenn ich mit anderen Sachen „beschäftigt“ werde?
Vergesse ich das Einmaleins, wenn ich im Wald spaziere oder entfallen mir
physikalische Gleichungen, wenn ich Sport treibe? Das ist doch größter
Blödsinn. Und die Leute waren Fachexperten, hochgebildete Ingenieure mit Hochschul-Diplom
oder Doktortitel. Warum sollen gerade die ihr Rüstzeug und deren Anwendungen
und Lösungen vergessen?
Ich denke,
diese „Vergessenstheorie“ wurde gern von Personen verbreitet, die es damals
nicht besser wissen konnten, weil in den Fünfzigern (!) irgendein Argument
herhalten musste für die „komische Art“ des Dahinhaltens in der SU. Denn man
sah ja kein Ergebnis ihres Schaffens. Erst als die Rakete R-7 in der Version für
das Wostok-Raumschiff zum 27. jährlichen Luft- und Raumfahrt-Salon in Le
Bourget vom 26. Mai bis zum 4. Juni 1967 ERSTMALIG außerhalb der Sowjetunion zu
bestaunen war, war es eine Genugtuung sowohl für die Brennkammerentwickler
unter Werner Baum bei Gluschko als auch der Raketenzellenkonstrukteuren mit
Konrad Toebe bei Koroljow gewesen: SIE SAHEN ENDLICH, DAS WIRKLICH ETWAS AUS
IHREN KONSTRUKTIONEN ENTSTANDEN WAR!
Der Grund
der Geheimhaltung und permanentes Verschweigen und rigoroses Leugnen der wahren
Leistungen und genutzten Ergebnisse deutete Siddiqi ja schon an. Waren es nur
politische Zwänge, oder wollte Koroljow die Deutschen noch etwas „dabehalten“,
falls etwas schief läuft bei der weiteren rein sowjet-russischen Entwicklung? Bei
den „Triebwerksleuten“ bei Gluschko in Chimki zeigte sich ja, dass man bei den
sich anhäufenden Problemen gern Werner Baum und seinem Kollektiv konsultiert
hätte. Doch die durften schon 1950 in die DDR ausreisen[96].
Leider hat
gerade auch Gröttrup diese „künstliche Demenz“ in seinen Publikationen genährt,
ohne sich komischerweise daran zu halten, wie seine ausführlichen detaillierten
„Erinnerungen“, auch den westlichen Geheimdiensten gegenüber, belegen.
Wollte er
sich vielleicht offiziell nicht mit „seiner Sowjetunion“ anlegen?
Ging einiges
tatsächlich „verschütt“ oder war Gröttrup durch seine Absetzung als „Leiter des
Deutschen Kollektivs“ nicht mehr in den Arbeiten der anderen Abteilungen tiefer
involviert (siehe S. 176)?
Daher waren
sowohl er wie auch Albring und Toebe nicht mehr auf dem letzten Stand der Entwicklungen
auf Gorodomlja, wie man an deren Ausführungen im Vergleich zu den noch am Ende
des Aufenthalts der Deutschen auf der Insel ausgeführten Arbeiten und Lösungen erkennen
kann. Ich werde das an Hand des Beispiels „bewegliche Steuerdüse“ weiter unten
belegen können.
„Komisch“
ist aber auch, dass in den bisher bekannten veröffentlichten Berichten des CIA
diese „letzten Sachstände“ nicht auftauchen. Oder hält man die verständlicherweise
immer noch schön unter Verschluss?
Vielleicht war
es aber auch das Desinteresse an Arbeiten der anderen oder die immer wieder
vorgeschobene „Überarbeitung“ mit den eigenen Forschungsproblemen, wie Albring
ausführt[97]?
Wir werden es wohl nie erfahren…
Lassen Sie
uns doch einmal darüber nachdenken, was es bewirkt hätte, als die einzigartigen
Anarbeitungen der deutschen Spezialisten in der Fremde ihren sinnhaften Zweck
bei der praktischen sowjet-russischen Raketentechnikentwicklung belegten,
wohlwollend lobend angenommen worden wären und anschließend ihren Siegeszug um
die Welt anträten. GAR NICHTS. Jede politische Führung des jeweiligen Sieger-Landes,
jede Institution darin und jeder nationale Wissenschaftler und Ingenieur würde weiterhin
fest behaupten, dass die Mithilfe der Deutschen nicht maßgeblich war…
Und doch war
die „Hilfe“ sehr grundlegend! Das kann man endlich heute anhand der damaligen angefertigten
Berichte oder mittlerweile veröffentlichten technischen „Geheimnissen“ sehr gut
nachzeichnen…
„Ein Freund, ein guter Freund…“
Wie standen
nun die Freunde aus vergangener Zeit nach dem Krieg wirklich zueinander? Schmidts
Auslegungen sind so nicht haltbar. Daher kurz die drei für mich wichtigen
Personen Gröttrup, von Braun und Dornberger im Kontext zugeordnet.
Warum berichtet
Gröttrup in seinen Publikationen weder über detaillierte Konstruktionen eines
kegelförmigen Raketenkörpers, noch über den maßgeblichen Flachwasserkanal für
aerodynamische Untersuchungen, erst recht nicht vom revolutionären
„Albring-Kopf“ und schweigt sich über die einzigartig neuen beweglichen
Steuerdüsen aus?
Gerade
dieses maßgebliche Hilfsmittel Flachwasserkanal gibt Gröttrup NIRGENDS in
seinen Veröffentlichungen an. Denn die Ermittlung von Außenformen von
Raketenkörpern UND zugehörigen Sprengköpfen mit dem Flachwasserkanal konnten
die mitentwickelnden Abteilungen der Aerodynamik unter Albring, besonders
sollte hier endlich einmal der Bereich Konstruktion mit dem begnadeten Ing.
Konrad Toebe, einem ausgewiesenen ehemaligen Statiker bei Arado (09.08.1913 –
01.07.2000) hervorgehoben werden, die Aussage von Gröttrup belegen: „Der
Gedanke (hält mich gefangen), mit der ganz alten Tradition auch in der
Außenform zu brechen. Mit Tradition kommen wir hier nicht weiter. ... Doch die
Kegelform der Rakete halte ich für die beste, grundsätzlich einzig mögliche
Lösung.“[98] Ich hoffe sehr, dass die Leserschaft an dieser Stelle begriffen hat, wieso
dieser berechtigte Ausspruch getätigt wurde.
Und dennoch stellt
sich mir die Frage: Warum ließ er uns schon damals nicht an diesen hier
aufgeblätterten genialen Lösungen und praktischen Erfindungen teilhaben? War er
aus Zeitmangel „desinteressiert“ an der Arbeit der anderen? Albring berichtet ja
von ähnlichen Beweggründen, wie bereits berichtet[99].
Zur R-14
gibt er nur in Nebensätzen Varianten der Kegelrakete mal mit Wellblechheck, mal
mit Schubkrafteinleitung über einen zentral unter dem Tank liegenden Kardan,
mal aber wieder über ein Schubgerüst in den Hauptspannt an. Ähnliches schreibt
Albring, als er von Gröttrup von der Peenemünder Idee für einen Raketenkörper
OHNE Flossen/Leitwerk hörte[100].
Ergänzend
erzählte mir Toebe, dass Gröttrup neben seinen hochspeziellen Fachkenntnissen der
Steuerung und der Elektronik seiner Meinung nach kein tieferes Wissen von
Raketentechnik besaß. Er soll zu Toebe gesagt haben, man könnte doch den
Raketenkörper aus Beton herstellen, dann hätte man keine thermischen Probleme.
Toebe bewertete mir gegenüber diese Aussage wegen dem gewaltigen Masseanstieg
der Zelle als „Unsinn“. Betrachtet man aber diesen Vorschlag im Kontext der
Untersuchungen zu der Erhitzung von Raketen beim atmosphärischen Wiedereintritt,
so wie es auch Albring in seinem Buch beschreibt[101], entsteht ein
ganz anderer Sinn, erweitert die Sinnhaftigkeit dieser „Frage“ und grenzt diese
möglichen Untersuchungen auf 1953/54 ein. Es belegt außerdem m.E. auch den Ort
des Verbauens des Betons: An der Sprengkopfspitze im Staupunkt, wo über 2.000°C
entstehen. Denn in den geheimen Berichten aus Gorodomlja kann man im o.g
Zeitraum lesen: „Untersuchung von Raketenspitzen verschiedener Form im
Gasstrahl von Flüssigkeitstriebwerken“. Als „Form“ sollte man nicht nur die
äußere Geometrie, sondern erst recht die innere Struktur ins Kalkül ziehen…
Als einen
weiteren bezeichnenden Beleg für Gröttrups Unkenntnis sogar an „seinen Raketen“
sandte Toebe mir ein Schreiben von Gröttrup zu, in welchem Gröttrup ihn fragte,
ob „in der R-14 im Gegensatz zur R-10 der Sauerstoffbehälter hinten lag“[102]. Das ist
wiederum ein klares Indiz für seine ungenügende Kenntnis des Raketenaufbaus ab
einem bestimmten Zeitpunkt – vielleicht nach Absetzung als Leiters des
Kollektivs und damit keine direkte Beteiligung mehr bei einigen wichtigen
Detailierungsprojekten auf Gorodomlja?
Und trotzdem
hier hervorgehoben: Die Rakete ist solch ein komplexes Gebilde, dass es keine
Schande ist, von anderen Funktionalitäten oder Insider-Knowhow keine tiefere Fachkenntnis
zu haben…
Eine letzte
Frage ist doch noch zu stellen: Hatte Gröttrup etwa Angst vor den „Russen“? Oder
hielt er sich pflichtbewusst an seine Verpflichtung mit dem sowjetischen
ehemaligen Arbeitgeber, nichts über seine (selbstverständlich geheimen!)
Arbeiten in der Öffentlichkeit verlautbaren zu lassen?
Grundlegend
sollte man beachten, dass Gröttrup aber wegen Entzug der Leitung (siehe S.
176) des „Deutschen Kollektivs“ ab September 1950 von allen weiteren
Entwicklungen ausgebootet war und bis zur Ausreise aus der UdSSR im November
1953 fachlich kaltgestellt wurde – außer in seinem Spezialgebiet der Hochfrequenztechnik.
Hier „tobte“ er sich weiterhin aus und war der gefragte Fachmann.
Alle Angaben
von ihm zur „deutschen“ Raketentechnik in der UdSSR sind somit temporäre „Momentaufnahmen“,
teilweise nicht mehr auf dem aktuellen Sachstand beruhend, aus dem
Gesamtzusammenhang der Konstruktionen zu einem bestimmten Zeitpunkt
herausgerissen und deuten nur verbal einige Arbeitsrichtungen an, beschreiben wenige
Ideen. Leider nehmen Historiker und erst recht Journalisten diesen temporalen
„Zeittunnelzustand“ als ewiges Manifest…
Mit „Wess
Brot ich ess, des Lied ich sing“… möchte ich Gröttrups Raketenschicksal schlussendlich
umreißen. Gröttrup liebäugelte selbstverständlich weiterhin mit der
Raketentechnik und lotete seine Chancen aus. Doch er entschied sein Schicksal
selbst -
# durch
seine offen zu Tage getragene positive Haltung zur UdSSR (siehe u.a. S. 208),
# durch das „ausplaudernde“
Publizieren seiner (Ex-)Ehefrau,
# durch die
augenscheinlich fachlichen Fehler in seinem Buch „Über Raketen“ und
# durch
seine strikte Ablehnung, in die USA gehen zu wollen (S. 210).
Diese Punkte
werden noch durch den m.E. wichtigsten Widersacher für die Raketenkarriere
Gröttrups übertrumpft, gegen das er keine Chance hatte, es zu verleugnen: Er war
jahrelang in der UdSSR gewesen und wurde nun von allen westlichen
(selbstverständlich militärischen) Raketenbauern insgeheim als der „kommunistische
Spion“ abgestempelt. Unmöglich für eine Mitarbeit an den Raketen der „Freien
Welt“.
Legte er aber
das Interesse an der Raketentechnik ad acta? Natürlich nicht.
Denn im
Gegensatz zur hier von Schmidt leierhaft wiederholt vorgetragenen Ablehnung Gröttrups
gegenüber der Raumfahrt und ihrer Antriebstechnik, wie er es uns z.B. auf S.
216 weismachen möchte, suchte Gröttrup aktiv fachlichen Raketen-Anschluss.
Schmidt schreibt dort: „Aus diesen Diskussionen (zu Raketen, Satelliten
und Raumstationen, wie im SPIEGEL-Beitrag von 1955 ausgebreitet) hält sich
Helmut Gröttrup heraus.“ Das Gegenteil war der Fall!
Zum 3. IAF-Kongress
in Stuttgart vom 1. bis 6. September 1952 mit Wernher von Braun – mit
unglaublichem Medieninteresse dieser ersten Veranstaltung dieses Faches auf
(west-) deutschem Boden – war Gröttrup noch in der UdSSR und eine Teilnahme war
ihm logischerweise verwehrt.
Doch
unmittelbar nach dem Erscheinen des o.g. SPIEGEL-Artikels, nun in der BRD
lebend, packte Gröttrup sofort die Chance beim Schopfe und schrieb sich zur
„Internationalen Tagung über Staustrahlen und Raketen“ vom 6. bis 8. Februar
1956 in Freudenstadt ein, zu der das neugegründete Stuttgarter Institut von
Eugen Sänger erstmalig lud. Übrigens war auch der junge Lutz T. Kayser zugegen,
der bald als Chef der OTRAG Ost und West „ärgerte“[103]. Gröttrup kam
hier in Kontakt zu vielen damals bekannten Raketenexperten aus dem In- und
Ausland, sogar aus der UdSSR.
Und - das soll
ihn kalt gelassen haben? Warum denn war er zugegen?
Im August
1958 fand der 9. IAF-Kongress in Amsterdam u.a. mit von Braun und Dornberger statt.
Warum nahm Gröttrup nicht teil, um seinen „lieben alten Chef“ aus Peenemünde zu
treffen? Sollte er vielleicht gehofft haben, dass er auf ihn nur einen Monat
später in Bremen auf der Veranstaltung der „Arbeitsgemeinschaft für
Raketentechnik“ treffen würde, auf der er erstmals ausführlich über seine
fachliche Arbeit in der Sowjet-Union vortragen sollte? Das würde doch bekannt
sein und so hoffte er auf seine ehemaligen Peenemünder Vorgesetzte.
Schließlich
veröffentlichte er 1959 seine beiden Bücher zur Raumfahrt und Raketentechnik. Wie
will man sich damit aus der breiten Diskussion darüber heraushalten???
Dornberger
vermochte in den USA nur etwas bewirken, würde er mit „Kommunistenfreunden“
niemals in Verbindung gebracht werden. Diesbezüglich ist bezeichnend, dass
Gröttrup in Dornbergers Nachlass nirgends namentlich auftaucht und in seinem
Buch „V2“ der Name Gröttrup (ohne Vornamen zu nennen) nur notwendigerweise in
Rahmen der Verhaftung von Wernher von Braun und der anderen eine untergeordnete
Rolle spielt.
Und doch
schienen Dornberger und Gröttrup „sich zu mögen“. Am 06.09.1958 schrieb Gröttrup
eine Postkarte von der „Internationalen Raketen- und Raumfahrttagung“ der „Arbeitsgemeinschaft
für Raketentechnik“ in Bremen an seine Frau Irmgard: EINEN GRUSS DER
DAHEIMGEBLIEBENEN VON DEN „BESESSENEN“ WELTRAUMSCHIFFERN wonach 10
Unterschriften folgen, Walter Dornberger als erster oben anführend. Und auf der
Vorderseite vermerkt er (in Klammern seine Auslassungen): „Gen(eral) Dorn(berger) wurde heute 63 Jahre alt – den Rest kannst du dir denken. Steinhoff & v.
B(raun) kamen nicht. Mein Vortrag ist morgen – Stimmung ok. Dein
Püffel“.
Der „Rest“
ist nur an den Bildern zu erahnen…

Abbildung 10: Es wird auf
Dornbergers Geburtstag geprostet!? V.l.n.r.: Gröttrup, Strughold, Gartmann[104].

Abbildung 11: Am nächsten Tag nur Cola.
Gröttrup und Dornberger auf der Tagung 1958 in Bremen[105]
Am 7.
September 1958 referierte Gröttrup „Aus den Arbeiten des deutschen
Raketen-Kollektivs in der Sowjet-Union“. Ein einzigartiger Schnappschuss
nach seinem Vortrag zeigt ihn beim Abwischen seiner erläuternden zugehörigen
Skizzen über Antriebsbahn, Nutzlast und Stufenkühlung der Brennkammer.

Abbildung 12: Helmut
Gröttrup am 07.09.1958 an der Schiefertafel[106]
Und wie war
nun das „Verhältnis“ von Wernher von Braun zu Helmut Gröttrup wirklich?
Im Archiv in
Huntsville, was die wichtigen Briefwechsel von von Braun akribisch hütet,
taucht der Name Gröttrup nirgends auf.
Von Braun
war in den Fünfzigern noch bis weit nach der Gründung der NASA (29.07.1958)
Zivilangestellter zuerst des Militärs (Heer) und dann der am 01.02.1956 neu
gegründeten Army Ballistic Missile Agency (ABMA) in Huntsville/Alabama[107]. Permanent war
er den strengen militärischen Constraints unterworfen, was man grundlegend
beachten sollte. Sein Team von der ABMA startete den ersten amerikanischen
Satelliten und nicht die NASA. Von Braun und sein Team wurden erst im Oktober
1959 der zivilen NASA überstellt. Per 01.07.1960 errichtete man das George C.
Marshall Space Flight Center (MSFC) worin Wernher von Braun zum Direktor
ernannt wurde...
Von Braun
musste selbstverständlich in der Öffentlichkeit seine Karriere beim
amerikanischen Militär schützen, indem er sich zum „kommunistischen“ Gröttrup räumlich
distanzierte. Erst im September 1959 soll es eine erste offizielle Begegnung
zwischen von Braun und Gröttrup auf der Internationalen Luftfahrtausstellung in
Frankfurt gegeben haben (S. 236). Wollte vielleicht von Braun sich bis
dahin nicht auf dem gleichen Parkett wie Gröttrup bewegen und von vornherein
mögliche Sicherheitsbedenken der Militärs aus dem Weg gehen?
Erst einen Monat
bevor er und sein Team der NASA eingegliedert wurden, konnte er nun den
öffentlichen zivilen Befreiungsschlag und den persönlichen Handschlag mit
Gröttrup wagen…
Abschluss
Zum Ende des
Romans springt uns aus der entrückten Sphäre ein regelrechter Hass auf die
Maschinen entgegen, wenn Schmidt sein Statement abgibt, dass „Maschinen und
Automaten den Menschen abhängig machen und unterdrücken“ (S. 340).
Spricht hier ein Neo-Maschinenstürmer? Political Correctness bei der
Wissenschaft? Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei[108]! Schmidt möchte
gern mit dieser Schuld der Ingenieure, die scheinbar jeden zu „gepeinigten
Sklaven der Maschine“ macht, uns Ingenieurswissenschaftlern ein Stigma
anheften und fragt sich allen Ernstes „Wo bleibt der Sinn des Lebens, die
Freude an den kleinen Dingen?“ Freut er sich gar nicht, wenn er mal ein
vierblättriges Kleeblatt findet oder ein paar Glückscent vom Boden aufhebt? Alltägliche
Technik wird gern als „schon immer da gewesen“ hingenommen aber neue Ideen oder
Erfindungen auch aktuell die KI als „Teufelszeug“ geächtet. Meiner Erfahrung
nach muss der Autor sehr verzweifelt oder traumatisiert sein, so ein „Manifest“
niederzulegen. Eine erschöpfende Antwort darauf vermag ich ihm leider nicht
geben…
Wenn ich
dieser Aussage trotzdem sinnvoll entgegnen sollte, würde ich mit einer Arbeitsthese
Werner Albrings aus „Gorodomlia“ kontern: „dass alle Technischen Hochschulen
abgeschafft werden müssten, denn sie seien für den Fortschritt der
Waffentechnik letztlich verantwortlich“[109].
Doch damit würde der Vorhang des meiner Meinung nach in eine komplett verkehrte
Richtung aufgebauschten „Bühnenstücks“ vollständig geschlossen bleiben. Denn
was sonst würde der Autor dann bemühen müssen, als wie hier den phänomenalen
Erfindergeist der drei Protagonisten, um unseren blauen Planeten zu retten und
zu erlösen? Fakt bleibt: Deren fachliches Rüstzeug haben sie sich NUR über ihre
eigene hohe ingenieurstechnische Bildung, mit ihrem sich angelegten Erfahrungsschatz
und mit den Quantenerkenntnissprüngen der Technologie aneignen können!
Schmidt nimmt
sich auf S. 228 Irmgard Gröttrups fiktiv ausgeschmücktes Tagebuch „Die
Besessenen und die Mächtigen“ an und schreibt: „Raffiniert verwebt …
nicht immer getreu den historischen Tatsachen“.
Der Autor
übertraf sie für mich mit seinem Märchenbuch leider um ein Vielfaches.
Viele Leser werden
darin sicher nichts Verwerfliches erkennen.
Für mich aber
sind besonders diese nostalgisch sowjetfreundlichen Hirngespinste, die bis zur
Verleumdung der wahren technischen Leistungen deutscher Raketenspezialisten in
der UdSSR reichen, leider nicht mehr zu akzeptieren…
© Przybilski
2024 (für Text und nicht näher gekennzeichneten Abbildungen)
Ein „Nachwort“ an die Leserschaft
Ich habe
mich entschlossen, diese sensationellen Neuigkeiten vorab hier auf meiner
Website EXKLUSIV in Auszügen vorzustellen. Ausführlichst werde ich das in einem
Band aus meiner Reihe „Raketentriebwerke...“ veröffentlichen.
Derzeit
finalisiere ich noch die folgenden Kapitel hier für die Website, die ich in den
nächsten Wochen ebenfalls dann ablegen werde:
Das
besondere Steuerungsproblem „gerade Antriebsbahn“
Hier werde
ich nachweisen, dass die Formulierung von Schmidt auf S. 137, die
Deutschen in der UdSSR „…forschen, so scheint es, für den Papierkorb“,
schon lange nicht mehr haltbar ist und ich werde diesen „Papiermüll“ anhand von
Aufsätzen, Skizzen, Fotografien und praktischen ANWENDUNGEN widerlegen.
In diesem
Kapitel folgt zur Steuerung eines Raketenstarts ein unumstößlicher Fingerzeig,
nein, eher ein Faustschlag, auf die wirklichen Leistungen der deutschen
Experten für Bahnsteuerungsprobleme, die die weiteren Arbeiten der anderen
Abteilungen auf Gorodomlja maßgeblich beeinflussten. Diese geniale Lösung des
Kollektivs um Gröttrup wurde bis in die sechziger Jahre hinein Standard bei
sowjetischen Raketenstarts. Denn ALLE Raketen, und erst recht die
militärischen, wurden bis dahin vom Boden aus FERNGESTEUERT nach Gröttrups
Ausarbeitungen! Dafür ziehe ich das unbekannte Geheimpapier von Gröttrup „Hochfrequenzsteueranlage
für Fernraketen“ heran und bebildere es mit den einzigartigen Belegen aus
den Unterlagen aus der Filiale Nr. 1 des NII-88, wie nachfolgend beispielhaft zu
sehen.

Abbildung 13: Links nachgezeichnete
Bodenpeilantennenanlage von Gröttrup[110],
daneben Visualisierung und darunter die praktische Umsetzung im Foto[111].
Eine
geniale Lageregelungslösung
In diesem
technischen Exkurs zur Lageregelung einer Rakete, der noch nie so in den
Fachmedien in Zusammenhang mit den Leistungen des deutschen Kollektivs in der
UdSSR erörtert wurde, soll der Nebensatz von Schmidt auf S. 241 als
„Aufhänger“ dienen: „…das Triebwerk musste auch zum exakt richtigen
Zeitpunkt ausgeschaltet werden“. Das ist sehr ungenau, um nicht zu
schreiben recht rudimentär, formuliert. Denn die Zielgenauigkeit einer Rakete
beziehungsweise der genaue Absetzpunkt einer Oberstufe oder Nutzlast in eine
gewünschte Bahn bei „Brennschluss“ ist im Komplex abhängig
Ø vom Neigungswinkel
der Bahn gegenüber der Horizontalen,
Ø von der
Brennschlussgeschwindigkeit
Ø und dem
Brennschlussort.
Nur wenn all
diese Forderungen „zeitlich“ passen, wird „ausgeschaltet“. Und das dafür zwingend
notwendige bewegliche Steuertriebwerke wurden auf Gorodomlja entwickelt und auf
dem Prüffeld „Objekt Nr. 1“ getestet. Das ist eine weitere Sensation. Denn
diese Triebwerke sind nicht nur für die Lagesteuerung der Rakete beim Aufstieg erforderlich
gewesen, sondern gaben nach Brennschluss der Haupttriebwerke den letzten
wohldosierten „Schubs“ in das System, womit über diese feine Beschleunigung es vereinfacht
wurde, EXAKT abzuschalten. Die Rakete Atlas und die R-7 bekamen daher genau
dafür dieserart Triebwerke…

Abbildung 14: Die um eine Achse
bewegliche Steuerbrennkammer[112].
Die
kegelförmige Rakete R-14
Hier wird
hervorgehoben werden, dass diese Kegelform der Raketenstruktur wirklich neu und
in der Raketentechnologie einzigartig war und heute nur noch an einer
fliegenden Rakete, der R-7A (so genannte „Sojus“-Rakete und ihrer Vorgänger und
Schwestern) ein Alleinstellungsmerkmal hat. Dieser „Donnerkeil“ der Deutschen
um Gröttrup ist somit heute immer noch sichtbares bleibendes Denkmal. Somit war
die Kegelform der Rakete weltweit wegweisend und so genial, dass sogar nach
Bekanntwerden in den USA ab Anfang der 1950ger Jahre durch die Aussagen
deutscher Rückkehrer aus der UdSSR gegenüber General Walter Dornberger und den
westlichen Geheimdiensten man alles auf den Prüfstand legte. Diese kegelige
Struktur in einer AlMg-Legierung wurde zuerst Blaupause für die
übereinandergestapelte zweistufige, bisher gänzlich unbekannte R-6, die ich
detailliert vorstellen werde und dann zur geteilten Erststufe der R-7.

Abbildung 15: Ideenskizze Rakete
R-6[113]
In
Memoriam Dr.-Ing. Irina Petrowna Suslina
Alle diese
wenigen und doch so schwergewichtige Fakten und Abbildungen aus den Arbeiten
der Deutschen auf Gorodomlja, die ich hier auszugsweise vorstellte und in den
Fachkapiteln in die sowjetische Raketenhistorie einordnen werde und die
eigentlich niemals hätten existieren dürfen, zeigen, wie einzigartig diese
wichtigen Belegstücke sind. Sie wurden den streng geheimen Dokumentationen und
Fotoalben über die Arbeit der Filiale № 1 des NII-88 in den Jahren
1946-1953 entnommen. Irina Suslina (1938 – 2014) veröffentlichte erstmals die
Abbildungen 2009[114].
Ich will hier einen Abriss ihres Lebens vorstellen, das eng verbunden war mit
der Familie Albring.
Geben und Nehmen
Diese
umfangreiche Publikation, in großen Teilen erstmals von mir hier der
Öffentlichkeit vorgestellt, steht allen Interessenten kostenfrei zur Verfügung.
Sie wurde
ohne öffentliche Förderung von mir persönlich in meiner Freizeit und ohne
KI-Hilfe erarbeitet. Mir nahstehende Fachkollegen haben schon vorab den Inhalt
durchgeschaut. Ich danke den Ungenannten hiermit sehr!
Ich freue mich sehr, dass Sie meine Ausführungen hier gelesen haben!
Sollten
Ihnen diese sensationellen Neuigkeiten gefallen, bitte ich hier und jetzt oder,
wenn die nachzureichenden Kapitel online sind, um ein Dankeschön. Dafür nimmt gern
eine wohlwollende Geldzuwendung über PayPal (Friends) oder direkt aufs Konto
der
„Sächsische
Verein für historisches Fluggerät e.V.“
hocherfreut an.
Und zögern
Sie bitte nicht, mir Ihre Meinung mitzuteilen!
Dr. Olaf
Przybilski
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