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Raketen - USA - Personen - Biographien

Prof. Dr. Ernst Stuhlinger ist tot

Am 25. Mai 2008 ist Prof. Dr. Ernst Stuhlinger in Huntsville, Alabama, verstorben.
Ernst Stuhlinger wurde am 19. Dezember 1913 in Niederrimbach in Süddeutschland
geboren, wo sein Vater als Dorflehrer arbeitete. In Tübingen besuchte er die
Oberrealschule, danach studierte er in Tübingen, München und Königsberg Physik,
Mathematik und Zoologie. Im Jahre 1936 wurde er an der Technischen Hochschule Berlin
Assistent von Hans Geiger in Physik. Stuhlinger wurde 1936 mit der Dissertation „Das
Ionisierungsvermögen kosmischer Ultrastrahlen“ an der Universität Tübingen in Physik
promoviert und war anschließend wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin. Über
seine Forschung zur kosmischen Strahlung und zur Kernphysik war er ab 1939 in der
deutschen Atomenergieforschung involviert. Nachdem Stuhlinger im Jahre 1941 zur
Wehrmacht eingezogen wurde, erfolgte ein Jahr später seine Versetzung an die Front
nach Russland, wo er Anfang 1943 die Aufforderung erhielt, sich nach Peenemünde zu
begeben, um am Raketenprogramm von Wernher von Braun mitzuarbeiten; dort wurden
zu dieser Zeit qualifizierte Spezialisten gesucht. Diese Abkommandierung nach
Peenemünde rettete ihm nach eigenen Angaben vermutlich das Leben. Er befasste sich
anschließend mit der Entwicklung von Steuer-und Kontrollsystemen. Als einer der
„Paperclip“ -Wissenschaftlern emigrierte er nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA.
Zunächst wurde Stuhlinger in Fort Bliss in Texas untergebracht und setzte seine Arbeit an
der Raketenentwicklung für die U.S. Army fort. 1950 wurde er mit dem Team um Wernher
von Braun nach Huntsville, Alabama, versetzt. Im Auftrag der U.S. Army begannen dort die
Entwicklungen der Redstone-, der Jupiter-und der Pershing-Raketen. Danach arbeitete
das Team für das NASA-Raketenprogramm. In den späten 50er Jahren entstand sein
grundlegendes und zukunftweisendes Lehrbuch über den Ionenantrieb von Raketen („Ion
Propulsion for Spaceflight“), zu einer Zeit, wo weltweit gerade der chemische Antrieb
verstanden und im industriellen Großmaßstab angewendet wurde.


Stuhlinger war Direktor des Raumforschungszentrums des Marshall Space Flight Centers
der NASA in Huntsville (1960–1968). Am Start des ersten amerikanischen Satelliten
Explorer 1 am 31. Januar 1958 war Stuhlinger ebenso beteiligt wie am ersten bemannten
amerikanischen Raumflug durch Alan Shepard am 5. Mai 1961. Bis 1975 war er
beratender Forschungsdirektor.


Nach seiner Pensionierung wurde Stuhlinger Professor und leitender Forscher an der
University of Alabama. Er arbeitete gleichzeitig an der Entwicklung eines elektrischen
Antriebs für Automobile. In dieser Zeit verbrachte er einige Monate an den Universitäten in
München und Heidelberg, um sich mit Raumsonden und deren elektrischen Antrieben zu
befassen. Besonders die Entwicklung von Raumgleitern sowie Studien und Konzepte zu
einer bemannten Marsmission beschäftigten ihn immer wieder.


Zusammen mit Wernher von Braun war Ernst Stuhlinger Gründungsmitglied des
Internationalen Förderkreises für Raumfahrt Hermann Oberth – Wernher von Braun e.V.
am 24. Juni 1969 in Salzburg. Über viele Jahre bekleidete er das Amt des
Vizepräsidenten. Trotz der großen Entfernung zwischen der Vereinsbasis des IFR in
Deutschland und Ernst Stuhlingers Wohnsitz in Huntsville war er rege an der Entwicklung
und Betreuung des IFR und auch der Beratung in den großen Fragen der Raumfahrt
beteiligt. Über viele Jahre bis zu seinem Tode war Ernst Stuhlinger der höchst verehrte
Ehrenpräsident des IFR.


Ernst Stuhlinger hinterlässt seine Frau Irmgard (geb. Lotze), die zwei Söhne Tillman und
Christoph und seine Tochter Susanne.

(aus dem Nachruf des IFR/Axel Kopsch; minimal ergänzt)