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Raketen - USA - Personen - Biographien

Verdienstvoller Reporter der Wissenschaft gestorben

Adalbert Bärwolf baute die Wissenschaftsredaktion der WELT auf –
Schwerpunkt bei der Weltraumfahrt
Von KLAUS MÜLLER

Berlin - Es dauerte lange, ehe er die Distanz aufgab, mit der er sich Informanten und Kollegen gegenüber vor zu großer Vertraulichkeit schützte. Nur wenigen Freunden bot er das intimere Du an. Adalbert Bärwolf, der jetzt eine Woche nach seinem 74. Geburtstag starb, war - obwohl immer in einem Team eingebunden - ein Einzelgänger: als Pilot jenes deutschen Aufklärers, der im Morgengrauen des 6. Juni 1944 als erster die alliierte Invasionsflotte sichtete. Oder als überaus sachkundiger, bis ins Detail zuverlässiger, gegenüber selbst kleinen Fehlern geradezu allergisch reagierender Korrespondent, der für diese Zeitung aus den Denkfabriken Amerikas über die neuesten technischen Entwicklungen berichtete. Er war dabei ein zwar wohlwollender, aber immer auch kritischer Beobachter, der die Technik nicht um ihrer selbst willen beschrieb, sondern in ihr das Werkzeug zur Verbesserung der Lebensqualität sah.
So hat er als einziger deutscher Journalist die bemannten Raumflüge der USA von ihren ersten Anfängen bis zu den Mondlandungen des Projekts Apollo hautnah verfolgt. Er kannte jeden ihrer Repräsentanten, begünstigt natürlich auch durch die große Zahl deutscher Wissenschaftler und Ingenieure, die in jenen Jahren die amerikanische Technologie entscheidend befruchteten. Unvergessen seine großen Reportagen über die Gemini-Flüge, mit denen die USA ihr Mondprogramm vorbereiteten. Die ungeheure Fülle an Informationen, die er bei seinen journalistischen Recherchen über viele Jahre hinweg gesammelt hatte, speist auch die der ersten Mondlandung gewidmete Schilderung „Brennschluß“. Es ist wohl das farbigste und informativste Buch, das dem Ereignis in jenen Tagen gewidmet wurde.
Adalbert Bärwolf sah richtig voraus, daß der Raumfahrt nach den Apollo-Missionen die politische Unterstützung - und damit das Geld - zu neuen Höhenflügen abhanden kommen würde. So kehrte er zunächst nach Deutschland zurück, baute bei der WELT eine kompetente Wissenschaftsredaktion auf - und ging wieder als deren Korrespondent in die USA zurück. Die Fortschritte von Forschung und Technik in den Staaten, wenn auch jetzt ohne interplanetares Fernziel, reizten nach wie vor die Neugier des Journalisten. Private Entwicklungen erleichterten den Schritt.
Als „Ruheständler“ wieder zurück in Deutschland, recherchierte und schrieb er weiter: Seine „Geheimfabrik“ resümierte den technologischen Wettkampf zwischen den USA und der einstigen Sowjetunion, deren Zusammenbruch er weitgehend der amerikanischen Überlegenheit im Bereich Forschung und Technik zuschrieb. Und seine erst vor kurzem erschienene prophetische Analyse des jüngsten russischen Langzeitraumfluges unter dem Titel „Die Marsfabrik“ zeigt jenen gedämpften Optimismus in die Zukunft der Technik, der sein gesamtes journalistisches Werk auszeichnet. Der deutsche Wissenschaftsjournalismus hat einen seiner kompetentesten Vertreter, die WELT einen langjährigen Mitarbeiter, wir haben einen Freund verloren.

Klaus Müller arbeitete als WELT-Redakteur 17 Jahre lang zusammen mit Adalbert Bärwolf im Wissenschaftsressort

Artikel erschienen am 21.11.1995            © DIE WELT

 

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