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Raketen - Publikationen - Aufsätze

Kritik zur ARD-Dokumentation "Wettlauf zum Mond" - Veröffentlicht in Raumfahrt concret Ausgabe 2 und 3 2006

Dr.-Ing. Olaf Przybilski
Institut für Luft- und Raumfahrttechnik der TU Dresden:
Zusammenfassende Kritik der „Dokumentation“

Wettlauf zum Mond

Eine Ko-Produktion von BBC, NDR, Channel One Russia und National Geographic
von Deborah Cadbury (Autorin und Producerin), Volker Zielke (Redakteur) , Jill Fullerton Smith (Redakteurin), Christopher Spencer und Mark Everest (Regisseure)
Deutsche Bearbeitung: Jürgen Brühns und Thomas Crecelius

Vorwort

Das Aggregat 4 wird immer noch, Generationen nach Kriegsende, nach Aufbau der Demokratien in Westeuropa, nach dem Ende des Kalten Krieges und zum Zeitpunkt, wo man auf zwischenstaatliche und zwischenreligiöse Besonderheiten mit einem großen Maß an Sensibilität reagieren sollte, von Historikern als „Ursprünglichste Sünde“ angeprangert /1/ und die Konstrukteure als die personifizierten Teufel verleumdet. Eine besonders oberflächliche „Spielfilmvariante“ des ewigen Kampfes zwischen Ost und West, der sich auf der Raketenbühne abspielte, war ein als „Dokumentation“ getarnter, „hinter die Kulissen der offiziellen Darstellungen schauender“ Vierteiler im Deutschen Fernsehen, zu Beginn dieses Jahres 2006.
Es war gelinde gesagt eine Zumutung, was uns Montags im Februar angeboten wurde! Würde dies vor ca. 15 Jahren gesendet worden sein, könnte man sich damit abfinden. Doch seitdem gab es einen so gewaltigen Erkenntniszuwachs, vorrangig selbstverständlich aus russischer Richtung, dass es dem Autor unverständlich ist, wie so eine oberflächlich gestrickte Geschichte ohne tiefere Begutachtung über den Sender gehen konnte. Es sind dermaßen grobe Fehler, Unwahrheiten, ja regelrechte Lügen enthalten, dass man sich ehrlich fragen muss, wer das noch zu verantworten hat. In Summe hätte man fast drüber lachen können, über so viel technisches Unverständnis, Unwissen und blankes Faktenverdrehung, wenn es nicht eine Beleidigung derer wäre, die es betrifft.
Die Autoren und Redakteure hätten doch lieber bei ihren „Sieben Weltwundern“ bleiben sollen...

1. Teil
Schon im Teil „Der Aufbruch ins All“, der die recht gut bekannte Geschichte der Raketenentwicklung in Deutschland nachzeichnen wollte, offenbarten sich die Kenntnislücken der „Macher“. Doch Unwissenheit schützt vor Dummheit nicht. Sollten die Falschaussagen bewusst gemacht worden sein, müsste man sie als kriminell bezeichnen und anzeigen:
Die einleitenden Bildsequenzen, Starts von Aggregat 4-Raketen mit dem Kommentar „Hitler befielt den Einsatz einer neuen Geheimwaffe“ sollen den Zuschauer „einstimmen“. Davon mal abgesehen, dass es den Befehl „Feuer“ beim Start einer A4 nie gab (nach der Zündung des Treibstoffgemisches und Aufbau einer stabilen Vorstufenflamme gab es den Befehl „Hauptstufe“, wonach die Rakete recht langsam abhob und nicht so aggressiv impulsiv, wie bei der oft gezeigten Computeranimation), die Akteure dem Heer zugeordnet werden müssen (und nicht der Luftwaffe, wie das die Kragenspiegel vorgaukelten), zu einem Start einer A4 hunderte Mannschaften und dutzende Fahrzeuge gehören (der gezeigte „Meillerwagen war eine Katastrophe!!), ist es eine Lüge, dass diese Filmsequenzen 1944 im Pentagon amerikanischen Offizieren gezeigt wurden. Die Briten hatten erste vage  Informationen auf eine neue Raketenwaffe erhalten, die durch die Luftaufklärung über PVII erhärtet wurden.
Mit den weiteren Worten, in den Mund von Pentagonoffizieren gelegt,  „Die NAZIS haben die Raketentechnik weiterentwickelt und perfektioniert“, ließen die Produzenten gleich eine doppelte Unwahrheit auf uns los, die aber „Programm“ werden sollte. Dornberger, als Offizier des Heereswaffenamtes verantwortlich als militärischer Chefentwickler für die Auslegung des A4, war wie viele andere höhere Angehörige der Wehrmacht nie in der NSDAP. So ist der Bezug Nazi + Raketenentwicklung die gleiche Ungenauigkeit, wie die Bezeichnung der DDR als „SED-Staat“: Die „restlichen“ 15 Millionen Nicht-SED-Mitglieder hatten mit „der Partei“ meistens nichts am Hut. Somit hatte auch die NSDAP nicht die Rakete entwickelt etc. Das Geld wurde sicher dafür zur Verfügung gestellt, doch das kam ja nicht aus der Parteikasse... Genauso eine unsinnige Bezeichnung ist „Hitler-Rakete“. Er hat doch durch seine Dringlichkeitsvetos die Entwicklung nur verzögert. Nur zur Unterstreichung: Das A4 war nicht Endpunkt, sondern Etappe in einer Entwicklungsreihe, die der Artillerie eine breite, zielgenauere Waffengattung bescheren sollte, als die Kanone es konnte.

Zu General Dornberger hat der Autor sensationelle Neuigkeiten zusammengetragen, die hiermit erstmalig veröffentlicht werden sollen: 
Der spätere General Walter Richard DORNBERGER, Diplomphysiker; Dr.-Ing. h.c., am 6. September 1895 in Gießen geboren (27. Dezember 1980 gestorben) war Sohn des Apothekers Hermann Dornberger, der Ende 1894 aus Weimar kommend die Pelikan-Apotheke in Gießen übernimmt. In Gießen arbeitete seit 26.04.1778 die Johannisloge „Ludewig zur Treue“. In deren Mitgliederverzeichnis für das Maurerjahr 1926/27 werden geführt:
Ziff. 32 Dornberger, Hermann; Apothekenbesitzer, wohnhaft Gießen, Kreuzplatz 2;
geb. 24.05.1865; als Freimaurer aufgenommen am 03.04.1894.
Im Alter von 21 Jahren nahm die Loge den jüngsten Sohn von Hermann, Wolfgang Dornberger (geboren 13.Oktober 1898) als Freimaurerlehrling und Lufton (aufgenommener Sohn eines Freimaurers) auf und an. Das war am 27.06.1919. Sein späterer Beruf: Diplom-Landwirt auf seinem Gut in Butzbach. In dem Mitgliederverzeichnis wird er unter Ziffer 33 geführt.  Damit liegt die Vermutung sehr nahe, dass sein „Ausscheiden“ aus dem Landwirtschafts-Ministerium 1933 ein Rausschmiss wegen Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation war.
Neben dem Judentum war übrigens die Freimaurerei die einzige religiöse Lehre, die mit dem Machtantritt Hitlers verboten wurde. Nun liegt es sicher nicht fern, festzuhalten, dass die in der Familie gelebten Ideale der Freimaurerei (völlig unpolitisch zu sein, das Gemeinwohl zu fördern etc.) auch auf den „Raketen-General“ übersprang. In diesem Zusammenhang ist das Zitat eines SD-Führers gegenüber Dornberger in dessen Buch „V2 – Der Schuss ins Weltall“ hoch interessant: „Wissen Sie, wie dick Ihre Akte hier bei uns gegen Sie ist?“. Sollte also Dornberger, genial getarnt, bewusst gegen Hitler gearbeitet haben? Das ergäbe eine ganz andere Blickweise auf die Historie der Raketenentwicklung des Heeres und erfordert weitere intensive Untersuchungen.

Recht „schlampig“ wurden dann die Memoiren des letzten noch lebenden russischen Experten, der zu Kriegsende die Rakete für sich „entdeckte“ und als der intime Kenner der wahren Geschichte der Raketenentwicklung im Nachkriegsdeutschland und der UdSSR gilt,  verarbeitet. Nicht nur, dass man damit das Blaue vom Himmel log, nein. Auch der Name oder die Person Boris Jewsejewitsch TSCHERTOK  wird in diesen vier Teilen nicht auftauchen. Damit manövrierte man sich aufs Glatteis und stürzte in Folge jämmerlich ab. Es war nämlich so: Mitte 1944 besetzte die Rote Armee Gebiete in Polen, wo Partisanen Trümmer abgestürzter A4-Raketen versteckten und nun den russischen Technikoffizieren übergaben. Das sind nun mal keine „zurückgelassenen Hüllen der verlagerten Raketen aus Peenemünde“, sondern die Reste der Schießversuche in Blisna! Eigentlich für das Britische Königreich bestimmt, untersuchten zuerst die Russen diese Teile und konnten schon recht bald analysieren, was da in Deutschland entwickelt wurde: „Etwas, was nicht sein kann...“ /2/.

In weiterer Sequenz wurde die Person Wernher von Braun „hergerichtet“, der „seine Wunderwaffe“ entwickeln wollte, dafür „große Summen für die Entwicklung“ ausgeben konnte, um seine „besessene Idee“ durchzudrücken, das Weltall zu erobern... Zitat: „Nach 1933 nutzten die Nazis seine Weitsicht und Kenntnis aus.“
Langsam werden die Drehbuchschreiber maßlos:
Erstens entwickelte man keine Wunderwaffe - das sind Begriffe aus der Goebbelsschen Demagogiemaschinerie wie Vergeltungswaffe -  man arbeitete an Raketen, die für intelligente Menschen nichts Mystisches an sich haben;
Zweitens war das Aggregat 4 ein Entwicklungsschritt zu noch weiter reichenden Raketen – wie jede andere Entwicklung im Dritten Reich nahm Hitler zu Kriegsende „jeden Strohhalm“ und funktionierte eine noch nicht fertige punktgenaue Rakete zur breit fächernden Terrorwaffe um – noch einmal zur Erinnerung: „Hitler befahl den Einsatz...“ ;
Drittens war von Braun Zivilangestellter des Heeres und so von den Zuwendungen über seine Dienststelle abhängig;
Viertens will man ihn durch den Begriff „besessen“ zu einem geistig Kranken degradieren;
Fünftens wollen die Redakteure mit „nach 1933“ vertuschen, dass Wernher von Braun bereits seit dem 1. Dezember 1932 im Dienste der Reichswehr stand, also noch vor Machtantritt Hitlers. Zu diesem Zeitpunkt begann das Heer neuartige Waffen zu entwickeln – wie das heute immer noch überall auf der Welt passiert.
Nächste Sequenz. Kammler, „Der Generalbevollmächtigte des Führers für Strahlflugzeuge“ konnte nun wahrlich nichts gegen den schleppenden „Umzug“ von Peenemünde nach Bleicherode haben, um die Produktion im Kohnstein zu steigern – es gab gar keinen „Umzug“, sondern der engste Kreis von Entwicklern (rund 500 Personen) war mit ihren Entwicklungspapieren auf der „Flucht vor dem Russen“ von Peenemünde Anfang April in die Gegend um Bleicherode angekommen! Somit konnte Wernher von Braun darauf auch keine Antwort geben, da der Ausgangspunkt der bedrückenden Szene erlogen ist.  Bekanntlich wurde seit Januar 1944 im Kohnstein (übrigens heißt die nächstliegende Stadt Nordhausen und nicht Bleicherode; Nordhausen wurde deshalb Anfang April durch die RAF stark zerstört, wobei 8800 Zivilisten und Häftlinge den Tod fanden /3/) das A4 unter SS-Aufsicht als „Vergeltungswaffe 2“ in Serie gefertigt. Die dabei immer wieder ins Feld geführten und nun bereits „mehr als 20.000 Opfer beim Bau der Wernher von Braun Rakete“ ist die doppelte Historikerlüge, die hier endlich klargestellt werden sollte. Eine der wenigen seriös untermauerten, wissenschaftlichen Untersuchungen der „Toten des Kohnsteins“ entstand als Dissertation bereits 1968 in Berlin-Ost /4/. Darin kann jeder nachlesen, dass der „Komplex KZ Mittelbau“ über dreißig Lager und Kommandos umfasste (Konzentrationslager wurde im damaligen Sprachgebrauch abgekürzt KL und nicht KZ – das ist heute immer noch Kommunistenjargon!). Von 60.000 registrierten Häftlingen haben die Lager nicht überlebt: 10.176 nach erhaltenen Totenbüchern und anderen authentischen Dokumenten, mindestens 3.000 auf „Evakuierungsmärschen“ und fast 3.000 durch „Liquidationstransporte“. Das sind rund 16.000 Tote und nicht über 20.000. Weiterhin sollte das Augenmerk auf die 30 Lager und den Fakt gelegt werden, dass die Toten der Anfangsphase (August 1943) nichts mit der Produktion der Rakete zu tun hatten, sondern beim Ausbau des Kohnstein zu Tode geschunden wurden. Weiterhin muss der Umstand in die Rechnung einbezogen werden, dass der Kohnstein (also eine Produktionsstätte des Komplexes) Unterschlupf nicht nur für die „V2-Produktion“ der SS, sondern auch für den Junkers Flugmotorenbau, die Fliegerabwehrrakete „Taifun“, die Endfertigung des Volksjägers He 162 „Salamander“ und der Fi-103 (V1) bot. Es ist genauso unsensibel die Toten hier aufzuteilen, als alle der A4 „unterzubuttern“.
Der Einsatz dieser armen Menschen war „normal“ im Deutschen Reich der vierziger Jahre: In der Industrie, in der Dienstleistungsbranche, in allen Bereichen des öffentlichen Lebens, wo Arbeitskräfte fehlten, wurden Fremd-, Zwangs-, Ostarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge aus den Konzentrationslagern angefordert. Doch solche alltäglichen „Dienste“ waren üblich und werden schnell vergessen. Was sich fest in das Gehirn der kriegsmüden deutschen Bevölkerung festsetzte, war der Wunsch auf baldige Erlösung vom Krieg. Wie es auch der Autor aus eigenem Familienkreis hörte, egal ob mit „Endsieg“ oder „Untergang“. Hauptsache Schluss mit dem Sterben. Die in diesem Zeitabschnitt hineingetragene Hoffnung durch Wunderwaffen, deren Technik man in den Bereich des Mystischen, Übermenschlichen versetzte, brannte sich auf ewig in den Köpfen der Menschen fest. Ein im Jahr 2000 vom Autor im Rahmen einer „Besonderen Lernleistung“ initiierte Befragung von Gymnasialschülern offenbarte, dass die Problematik Peenemünde und „V2“ in keiner Silbe in den Lehrplänen enthalten war.  Und doch konnten über 40% der Befragten „V2“, die Namen von Braun und Dornberger einordnen /5/. Diese Informationen kamen aus dem Verwandtschaftsumfeld,  von den Eltern und Großeltern, die noch wussten, dass „es losgeht wie eine V2“...
Das Übermenschliche nimmt uns gefangen. Dieser Mythos um die „Vergeltungswaffe“ wird bis zum heutigen Tag von den Medienmachern missbraucht, um eine kleine Gruppe geschundener Menschen, die in der „V2-Produktion“ arbeiten musste, in Erinnerung zu halten. Das ist beschämend für die anderen nicht Genannten und unfair gegenüber der technischen Höchstleistung der Flüssigkeitsgroßrakete.
Quintessenz der deutschen Historiker, die nicht müde werden, die Gebetsmühlen in vielfältiger Varianz zu leiern: Die „Geburt“ der Rakete hat Zwangsarbeiter „beschmutzt“, das ist ungeheuerlich, deshalb sind die Rakete und ihre Macher Ungeheuer!!!

Himmler versuchte schon seit Anfang 1944 die Aggregat 4-Serienfertigung unter Obhut der SS zu stellen. Die ablehnenden Haltung sowohl Dornbergers als auch von Brauns sollte ein Nachspiel haben: Am 15. März  wurden Wernher von Braun, sein Bruder Magnus, Hellmut Gröttrup und Klaus Riedel von der GESTAPO verhaftet und am 21. nach Stettin überführt. Dieser wichtige Fakt für Wernher von Braun wurde von den Librettoschreibern „vergessen“, stattdessen fälschten sie sein Porträt und hefteten ihm SS-Kragenspiegel an. Das ist gröbste Geschmacklosigkeit und hat mit journalistischer Freiheit nichts zu tun! Es gibt kein Foto, dass von Braun in der SS-Kluft zeigt, was bei den vielen Peenemünder Präsentationsfotografien ein Hinweis auf die „Kleiderordnung“ ist. Als glühender Verfechter der SS hätte er sich sicher gern in schwarz gezeigt, auch als „Canossagang“ zur Ausbügelung der Anschuldigungen vom 15. März. Doch nichts dergleichen. Als Himmler ihm zum Sturmbandführer „ernannte“ soll von Braun gesagt haben „Da hab` ich ´ne tolle Arbeitskombi zum Autowaschen“. Konnte er sich gegen solcherart Lobhuldigungen seitens Himmlers verwahren? Konnten die Kinder und Jugendlichen in der DDR sich dagegen wehren, nach Jung- und Thälmannpionier auch noch FDJodler zu werden? Sicher, doch wie waren dann ihre weiteren Chancen?
Die Wahrheit über die „Freilassung“ der vier soll hier endlich geklärt werden. Alle Veröffentlichungen schreiben die Freilassung General Dornberger zu. Das ist sicher richtig, doch unter welchen Bedingungen? Klaus Riedel fuhr sich am 4. August 1944 tot. Die genauen Umstände sind nie geklärt worden. In den Biographien über Wernher von Braun wird berichtet, dass von Braun nur für die Dauer von mehreren Monaten freigelassen wurde und nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli die Angelegenheit in Vergessenheit geraten schien. Wirklich? Sollte das Indiz, dass die Peenemünder Wissenschaftler, die im Oberammergauer Raum am Ende des Krieges unter massivem SS-Aufgebot argwöhnisch beäugt wurden, nicht auf einen anderen Fakt hinweisen? Glücklicherweise gibt es Aufzeichnungen von Helmut Gröttrup, der etwas ganz anderes niederschrieb. Gröttrup und seine Frau Irmgard waren oft mit Riedels und Wernher von Braun zusammen. Die in diesem Kreis genährten Ideen von Flügen ins weite Weltenall haben die vier verraten und sie wurden unter den gleichen Vorwürfen der Wehrkraftzersetzung und des Defaitismus angeklagt. So sollten auch alle vier die gleiche „Strafe“ zu erwarten haben? Gröttrup wurde nach einiger Zeit in den Gewahrsam des Sonderstabes „Feldpost-Nr. 00400“ von Dornberger überführt. Ab August arbeitete er in Pudagla. Mit gleichem Zeitpunkt wurde er mit einer „Technischen Stelle“ bei der Direktion unter Aufsicht gestellt. Man teilte ihm mit, dass das Gerichtsverfahren bis Kriegsende ausgesetzt sei, er aber in Gewahrsam bleiben müsse. Der nach der Verlagerung der Elektro-Mechanischen Werke nach Thüringen erneut ausgestellte Haftbefehl kam in den letzten Tagen des Krieges nicht mehr zur Auswirkung: Gröttrup floh am 11.04.1945 aus dem Zug und tauchte unter /6/.
Ähnliche Beweggründe sollten auch die von Brauns gehabt haben, und Dornberger ließ seine Stärken der militärischen Taktik spielen. Durch die Überstellung zu seinem Stab konnte er allen wichtigen Personen Schutz bieten. Dornberger musste die beiden Brüder vom Sicherheitsdienst abschirmen – die Vollstreckung des ähnlichen Befehls wie bei Gröttrup hätte kurz vor Kriegsende nur das standrechtliche Erschießen zur Folge gehabt! Auch hier beißt sich die „SS-Brüderschaftstheorie“. Hätte von Braun eine Zweckehe mit Himmler abgeschlossen, hätten die Kettenhunde ihn nicht so scharf bewachen müssen!
Ach, noch etwas: Wernher von Braun hatte beim Zusammentreffen mit den Amerikanern einen so genannten „Stuka“-Verband, der aus einem Autounfall herrührt. Der war im Film bereits „abgenommen“...

Die Szenen wechseln, Dipl.-Ing. Helmut Gröttrup tritt nun wirklich hinzu. Auch hier wird einer Person etwas angedichtet, was sie nachweislich nicht ausführen konnte, am Ende des ersten Teils nicht mal durfte! Gröttrup war Informationsverarbeitungsfachmann (er „erfand“ übrigens später den Begriff Informatik und wurde der Inhaber des Urpatents für unsere Chipkarten) und einer der wenigen „habhaftgemachten“ ehemaligen Peenemünder Ingenieure der Leitungsebene. Das war der Grund, dass er dort Chef wurde, als sein „Büro Gröttrup“ in die „Zentralwerke“ aufging. Doch mit seiner maßgeblichen Hilfe, den A4-Raketenmotor im Schieferbruch zu Lehesten (und nicht in einer Werkhalle) zum Laufen zu bringen, ist reiner Blödsinn und negiert die anderen involvierten Experten. Deutscher Leiter in Lehesten war zu diesem Zeitpunkt Willi Schwarz, der schon die ersten A4-Raketen in Peenemünde mit startete. Fähigster Mann dort war Bernhard Gerhardt, der schon seit Kummersdorfer Aggregat 3-Zeiten zum begnadeten Konstrukteur aufstieg (er schlug übrigens damals auch vor, an Stelle der teuren Molybdänstrahlruder solche aus Graphit zu verwenden). Hier jetzt darauf einzugehen, dass diese Herren und Oswald Putze und Werner Baum u.s.w. den sowjetischen Ingenieuren um Gluschko im sowjetischen Verschleppungsort Chimki bei Moskau ein Triebwerk „schenkten“, das heute noch in jeder SOJUS-Rakete fliegt, würde Seiten füllen. Doch die Redakteure hätten das seit Jahren nachlesen können in deutsch /7/ oder englisch /8/ und nun sogar in russisch /21/! Nur noch so viel: Nicht eine Gruppe um Gröttrup arbeitete mit den Russen, sondern mindestens 9 Gruppen in ebenso vielen Ministerien an der „reaktiven Technik“, insgesamt über 300 Experten aller Raketengebiete. Innerhalb vieler Mannjahre brachten sie die UdSSR auf Raketen-Sachstand des Deutschen Reiches vom Kriegsende. Und entwickelten gemeinsam Raketen weiter. Wer sagt „die sowjetische R1 ist eine einfache Kopie der deutschen A4“ plappert nur Historikerweisheiten nach, ohne sich der Mühe der Recherche in neuere russische Fachliteratur hinzugeben. Und man sollte sich die Leistungswerte der Raketen anzusehen – weiterer Kommentar überflüssig:


Vergleich der Betriebsparameter

Art 
Korbkopfofen 39 (A4)
RD-100 (R1)
Brennstoffverbrauch (kg/s)
58
57,8
Sauerstoffverbrauch (kg/s)
72
74
Eintrittsdruck in Brennkammer (bar)
19,3
20,2 Alkohol
     
19,3
20,4 Sauerstoff
Druck in Brennkammer (bar)
14,8
16,2
Temperatur in Brennkammer (°C)
2000
2300
Ausströmgeschwindigkeit (m/s)
2000
2130
Schub (kN)
257 (in 1,8 km Höhe)
267 (Boden)

Wer denn dann auch noch behauptet, die nächste Rakete R2 der „Ahnenreihe“ von Koroljow sei keine Weiterentwicklung, sondern eine neue Rakete, dem sollte man wiederum die Fakten der Rakete und des Triebwerkes unter die Nase halten /7/,/8/,/21/. Es war eine gestreckte R1 mit einem leistungsgesteigerten Alkoholtriebwerk, was man bei der R5 später als RD-103 noch weiter frisierte. Ab der R2 nun wurde besonders ein Vorschlag der „Gröttrup-Gruppe“ umgesetzt: Der abtrennbare Gefechtskopf. Doch das hatte eine grundstürzende philosophische Auswirkung. Damit wurde die Rakete reines Transportmittel, wie das Schiff, das Auto, das Flugzeug, was sowohl eine Bombe, als auch eine zivile Nutzlast transportieren könnte. Und der Ideengeber waren Deutsche in der UdSSR!! Die dazu Koroljow in den Mund gelegten Worte strotzen nur so von technischem Unwissen, so dass er sich sicher im Grabe umdrehte. Jeder Raumfahrtstudent im 1. Fachsemester weiß, dass allein durch das Abtrennen der Antriebsstufe der Sprengkopf nicht schneller werden kann und damit weiterfliegt. Das benötigt schon noch etwas anderes…
Als am Schluss des ersten Teils der so genannten Dokumentation, nach dem Flug der R2, Gröttrup aus dem Feuerleitwagen stieg, war die gefährlichste „Ente“ im Anflug. Zitat: „Für die deutschen Experten unter Gröttrup war das der Anfang vom Ende der Zusammenarbeit mit Koroljow“. Ja wie denn nun? War die R2 nicht, wie gerade vernommen, der erste sowjetische Eigenbau? Fakt ist, dass 15 deutsche Raketenspezialisten 1948 in Kapustin Jar dabei waren, als Koroljow die in Deutschland aus Einzelteilen zusammengeschraubten Raketen vom Typ A4 startete. Danach wurden Sie nie mehr zu aktuellen Tests in welcher Art und Weise auch immer zugelassen. Sie projektierten fleißig weiter und schufen für die Sowjetunion die technologische Grundlage für die ersten sensationellen Weltraumerfolge. Doch darüber im nächsten Teil.
Abspann: Die „Träume zweier Männer“ sollen ein „beispielhaftes Wettrüsten“ initiiert haben. Ja, für wie blöd wünscht man sich eigentlich den deutschen Fernsehzuschauer?! Das hätte man gern, dass die Milliarden an Rüstungsausgaben von Braun und Koroljow anzulasten sind. So dürfen keine Politikerhände rein gewaschen werden! Die jeweiligen Staatsmächte hatten voreinander solch eine Angst, dass kein militärisches Programm zu kostspielig schien: „Ich will alles sehen, hören, wissen...!“ Letztlich hat sich dadurch die UdSSR zuerst tot gerüstet.


2. Teil
Der Teil „Der Sputnik-Schock“ schockierte dermaßen, dass es fast nicht mehr ansehbar war. Hier die „Highlights“:
Maßgeblicher militärischer Drahtzieher war der Minister für Bewaffnung und Munition, Dimitrie Ustinow, der dann auch der Verantwortliche im Ministerrat wurde. Nedjelin war „nur“ späterer Chef der Raketentruppen. Das ist schon lange bekannt. Weiterhin weiß man, dass „Baikonur“ anfänglich ein „Schießplatz“ des Ministeriums von Ustinow war (NIIP-5). Auch das heutige russische Flugleitzentrum firmierte unter dem Bewaffnungsministeriums für militärische Weltraumoperationen. Nur musste man ab dem „Apollo-Sojus-Test-Projekt“ von sowjetischer Seite etwas vorzeigen. So wandelte sich das „stinkgeheime“ Kontrollzentrum zum zivilen ZUP.
Gluschko war immer „nur“ der „Triebwerkszar“ gewesen und lieferte (fast) alle „Öfen“ für Koroljows Raketen. Das hing mit der ministeriellen Zuständigkeit zusammen. Das Ministerium für Bewaffnung und Munition bediente das Heer, wobei die Rakete der verlängerte Arm der Artillerie schon seit deutschen „V2“-Zeiten war. Dem Ministerium für Luftfahrtindustrie unterstand Gluschkos OKB 456, das Raketenbrennkammern als Zulieferer baute /9/.
Zur Bündelung von Brennkammern: Damit ist KEINE Bündelung von Triebwerken gemeint: Mehrere Triebwerke ist gang und gebe. Gluschko musste, aus Ermangelung der thermofluiddynamischen Beherrschung größerer Düsen, mehrere kleinere Düsen (4 Stück) mit einer GEMEINSAMEN Turbopumpe beschicken. Doch das ist EIN Triebwerk, nur mit vier Expansionsdüsen.
Bündelung von Triebwerken: Das Layout von Raketen bestimmt ihren Zweck. Habe ich starke Motoren für eine Erststufe, so werden die folgenden Stufen einfach „übereinander gestapelt“. Siehe z.B. die dreistufige SATURN V.  Habe ich aber Probleme mit der Zuverlässigkeit der Triebwerke (Mitte der 50ger Jahre in der UdSSR: 86% Sicherheit), so muss ich mir etwas anderes einfallen lassen. Was nützt es mir denn, wenn ich die erste Stufe gut gezündet bekomme, aber die 2. Stufe in einigen Kilometern Höhe nicht „anspringt“? Also der Clou von Koroljow: 1. und 2. Stufe nebeneinander legen (so genannte Parallelstufung) und gemeinsam zünden. Wenn da ein Triebwerk nicht so „will“, kann ich den Start abbrechen…
Was die Triebwerksgenesis nach dem Krieg und den maßgeblichen Anteil der beteiligten deutschen Spezialisten angeht, hat die Dokumentation nicht mal ein „ungenügend“ erreicht. Noch einmal der Hinweis auf entsprechende Veröffentlichungen im „Markführer“, dem „Journal of the British Interplanetary Society“ /8/, die nun endlich sogar in großen Abschnitten der russischen Leserschaft vorgestellt wurde /21/.
Die Hündin Laika starb schon während des Starts in ihrer überhitzten Kabine und nicht erst auf der Umlaufbahn /10/.
Zur Sputnik-Legende. Bereits am 27. Mai 1954 legte Koroljow Ustinow eine Studie über „Künstliche Erdsatelliten“ vor. Am 30. Januar 1956 erfolgte der Regierungsbeschluss (nicht an der Werkbank zwischen Butterbrotpapier!) über die Schaffung des ersten Satelliten „Objekt D“. Da es zu den beschriebenen Verzögerungen kam, bestätigte eine hohe Regierungskommission den Start eines einfachen Satelliten (abgekürzt PS). Als dann „D“ immer noch nicht fertig war, kam Laika an der Reihe (03.11.1957) – in Hinblick auf die Forderung von Chruschtschow, etwas Sensationelles zum 40. Jahrestag der „Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“ (07.11.1957) beizusteuern. Der erste Start von „D“ war übrigens ein Fehlstart (27.04.1958). Bei einer „planmäßigen“ Herangehensweise, ohne eigenem Risiko für Koroljow, wären die USA dann doch die ersten mit ihrem Explorer geworden….
Es gab keinen „Wettlauf zum Mond“ von Anfang an, so dass auch beide herausragenden Manager der beiden Raumfahrtmächte sich nicht gegenseitig „bekriegten“. Das ist Legende, die immer und immer wieder genährt wird. Es war der alleinige Traum von von Braun! In der UdSSR rangierte der bemannte Flug zum Mond bis ca. Mitte 1964 an hinterer Stelle. So wurde auch nie eine Trägerrakete entwickelt, die spezielle wie die SATURN V dafür geeignet war. Der „Schwanengesang“ Koroljows, die „N-1“ mit Namen HERKULES war grundlegend nur für ca. 70 t Nutzlast ausgelegt. Auf politischem Druck hin musste Koroljow aus der N1 die bemannte Mondflugrakete N1-L3 entwickeln. Ein Fiasko bahnte sich an, da diesmal Gluschko die Triebwerksentwicklung ablehnte. Ab diesem Zeitpunkt hechelten die UdSSR den USA in der Raumfahrt hinterher. Ausführlich darüber, auch die Meinung des nahen Freundes des Autors, Wassili Pawlowitsch MISCHIN dazu, sind in der einzigen Dokumentation weltweit zu lesen, die vom Autor erstellt wurde /11/. Aktuelles darüber in der neuesten TU Dresden-Veröffentlichung /12/.
Wie genau nicht mal die Amerikaner ihren „Mr. Moon“  kennen, offenbart sich in der „Wechselhaftigkeit“ des „Dokumentationshelden“: Einmal den Scheitel nach links, dann wieder mal nach rechts. Er kämmte die Haare aber immer streng nach hinten! Und: Wernher von Braun sah man fast nur mit „Einstecktuch“…
Das „Taufen“ der Rakete, indem man sie mit Urin „begoss“, war eine Tradition der Deutschen. General Dornberger hatte das schon beim Aggregat 3 „eingeführt“. Aufzuführen, was alles die Sowjetunion von der deutschen Raketenentwicklung übernommen hat, würde hier den Rahmen sprengen… Doch das ist die GRUNDLAGE!
Übrigens: In einer Montagehalle für Raketen, auch in der UdSSR, ist es ein Ding der Unmöglichkeit, dass mit einem Trennschleifer mit „hübschen“ Funkenflug in unmittelbarer Nähe zur Flughardware hantiert wird. Das erinnert immer an die Dampffontänen bei Havarien wie bei „Star Treck“ etc., die aber nur eins bewirken sollen – primitive Show.

3. Teil
Im Teil „Der erste Mensch im All“ der „Dokumentation“ sind folgende Fehler aufzulisten:
Gagarin wurde nicht aus einer Gruppe von 6 Männern ausgewählt. Anfänglich umfasste die erste Kosmonauten-Auswahlgruppe 20 Personen, die durch die unterschiedlichsten Ausscheidungsgründe auf 11 sank. Im April 1961 wählte eine Kommission Gagarin, Titow und Neljubow aus, die sich auf den ersten Raumflug vorbereiteten. Am 8. April wurde Gagarin als Fliegerkosmonaut ausgewählt und Titow als Double bestimmt /13/.
Die Modifikation der R7, die extra für einen bemannten Flug gefertigt wurde (Code 8K72K), hatte eine überaus gute Startstatistik! Von 11 geflogenen Raketen zeigten nur zwei in der Anfangsphase der Testung Anomalien /14/.
Die kugelige Kapsel, in der dann die WOSTOK- und WOSCHOD-Kosmonauten (sprich Was-chod) um die Erde flogen (auch die Hunde und Kosmonautenattrappen), hatten ihre Grundlage in den Foto-Aufklärungssatelliten der ZENIT-Reihe, die die riesigen  Fotoapparate, einschließlich der langen Objektive aufnehmen und zur Erde mit den belichteten Filmen zurück bringen konnten. Also doch ein hübsches „dual use“, was den „Erbsenzählern der Raumfahrt“ eigentlich ein Entzücken entlocken müsste...
Dass Koroljow dem Westen unbekannt gewesen sein soll, ist die Legende, die immer und immer wieder gern gestrickt wird. Schon durch die Geheimdienstberichte nach der „Operation Backfire“ wusste man über Koroljow Bescheid. Weiterhin hatte man selbstverständlich in Fachkreisen über seine fähigen Kollegen weltweit Kenntnis. Ein bezeichnendes Gespräch gibt Mark Gallai wieder, das ein sowjetischer und ein französischer Ingenieur auf dem Aerosalon in Le Bourget 1960 u.a. über Koroljow führten und dessen Kernaussage von Seiten des Franzosen lautet: „Aber Nikolai, der (gemeint ist Koroljow) ist doch jetzt bei Euch der Alleroberste für die Raketen“ /15/.
Bei den Amerikanern hatten selbstverständlich auch Affen einen Namen erhalten /16/. Was den Schimpansen Ham angeht, hätte sicher kein normaler Amerikaner ihn „Schinken“ genannt! Er kam aus einer Trainingsgruppe der Holloman AFB. Somit ist auch klar, dass „HAM“ ein Akronym ist aus „Holloman Aerospace MedicalCenter“ /17/. Sein Grab mit Gedenkstein befindet sich auf dem Gelände des „Space Camps“ in Huntsville.
Sehr lustig fand der Autor den abrupten Richtungswechsel beim Abbremsen von WOSTOK aus der Umlaufbahn. Da haben sich die Autoren wahrscheinlich zuviel STAR WARS reingezogen. Solch Flugbahnen sind im All UNMÖGLICH!
Auch zu diesem Teil noch einmal: Die WOSTOK hatte keine „seitlichen Hilfsraketen“ – das war die vierteilige ERSTSTUFE! Man sollte sich schon an Definitionen gerade im Technischen halten.
Kennedys Mond-Programm wurde nicht erst durch Gagarins Flug initiiert: „Das wird bis heute immer noch von den Journalisten als unmittelbare Reaktion des epochalen ersten Raumfluges des sympathischen russischen Fliegeroffiziers Juri Alexejewitsch Gagarin gewertet. Sicher war dies publikumswirksam so verpackt nur ein Garant für die breite Unterstützung eines neuen Raumfahrtprogramms. Eigentlich wollte die politische Führung doch damit auf der einen Seite vom Sterben in Vietnam ablenken und andererseits einem bereits seit dem 15. August 1958 heimlich begonnenen Programm zur Entwicklung der militärischen Raketenfamilie SATURN, diesem laufenden, teuren Entwicklungsprogramm für schwere Trägerraketen, einen zivilen Deckmantel umhängen: Den bemannte Flug zum Mond... Denn schon am 3. Februar 1959 ging man mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit, die eine neue zivile Trägerrakete versprach, die den Projektnamen „C-Klasse“ erhielt“ /12/.
Da das außergewöhnliche URINIEREN scheinbar sehr wichtig ist – Shepards nasse Hosen in diesem Teil – vom Autor noch eins drauf: Gagarin verspürte auf der Fahrt vom Vorbereitungsgebäude zur Startrampe den Drang zum Wasserlassen. So wurde angehalten, sich mit zwei Hilfskräften an den linken hinteren Reifen des Busses gestellt und Gagarin holte mühselig aus dem kompliziert verschnürten Skaphander sein „bestes Stück“ heraus… Da der Flug dann fast perfekt verlief, müssen bis zum heutigen Tag alle Raumfahrer und Raumfahrerinnen, die von den Rampen im Baikonur abheben, diese Prozession wiederholen! Das wäre doch was fürs Auge gewesen…

Teil 4
Der vierte Teil „Die Apollo-Mission“ der „Dokumentation“ war der „stärkste Tobak“, den man uns in der Reihe anbot. Der Autor kann es aber nicht so leichfertig abtun, auch wenn sowohl die „Macher“, als auch die, die das Senden zu verantworten haben, selbstherrlich diese Zeilen negieren werden…
Es ist kriminell, wenn die Redakteure einem Mann Unvermögen vorwerfen und wider allen Veröffentlichungen seine Karriere nach einem misslungenen Raketenstart enden lassen. Völliger Unsinn ist, das veranschaulichten auch bereits die vorherigen Teile, wenn sie die „Chefkonstrukteure“, wie Koroljow, Gluschko, Issajew, Barmin, Kusnetzow etc. wie kleine Schuljungen agieren lassen. Das sind auch heute noch in Russland „Götter“, über deren technische Leistungen keine Diskussion notwendig ist, die aber, wie jeder Mensch auch, menschliche Schwächen hatten oder subjektive Fehler begingen. Keiner aus dieser Chefkonstrukteursriege wurde durch technisches Unvermögen abgesetzt! Nur Mischin musste sich durch politische Intrigen des „Triebwerkszaren“ Gluschko geschlagen geben.
Nun der Reihe nach die „Lacher“ (wenn der Autor so arbeiten würde, gingen auslachend die Studenten und würden nie wiederkommen…):
Der einleitenden „Zwist“ zwischen Koroljow und Gluschko bezog sich wirklich auf den BRENNSTOFF, nur war dies der WASSERSTOFF und nicht der Oxidator SAUERSTOFF. Sauerstoff war doch schon bei den Deutschen eine praktikable Angelegenheit. Wieso sollte sich Gluschko dagegen sträuben? Seit 1960 arbeitete sein Konstruktionsbüro OKB-456 aber an einem Erststufentriebwerk, das auf seiner „Lieblingsoxidatorbasis“ N2O4 beruhte und UDMH verbrannte. Doch der Spezifische Impuls war recht schlecht und besonders die toxischen Eigenschaften bewirkten, dass Koroljow es für einen bemannten Flug als nicht geeignet einstufte, so dass es für die N-1/Herkules ausschied. Als modifiziertes Triebwerk RD-253 (und nicht RD-235 wie im Film) tut es heute noch seinen Dienst in der PROTON. Für die Oberstufen forderte Koroljow Sauerstoff-Wasserstoff-Triebwerke, genau wie es die Amerikaner angingen. Doch Gluschko lehnte unter diesen Bedingungen eine weitere Teilnahme an der Entwicklung der N-1-Triebwerke ab. Seine Worte: „Flüssiger Sauerstoff ist bei weitem nicht der beste Oxidator und flüssiger Wasserstoff wird niemals breite Anwendung in der Raketentechnik finden“ (Nachzulesen in seiner Monographie „Chemische Energiequellen“). So wurden Konstruktionsbüros von Issajew, Ljulka und Kosberg beauftragt, diese Kryogentriebwerke zu entwickeln. Die sind in den siebziger Jahren fertig geworden, doch dem „Herkules“ war da schon von Gluschko der Garaus gemacht worden /11/. Warum ist so etwas möglich geworden? Man könnte vermuten, dass das dem Fehlen eines demokratischen Regulativs geschuldet ist. Der UdSSR fehlte einfach das Pendant zur NASA.
Was die „Hintergrund-Experten“ alles dem lieben Wernher von Braun andichten wollen! Er war der fähige Manager, der das MSFC leitete, das die Saturn als Gesamtgerät entwickeln ließ und damit die Menschheit zum Mond führte. Doch dass er beim Entwickler des riesigen Raketentriebwerks F-1, bei Rocketdyne aktiv mit an den Testpulten gesessen haben soll, ist gelinde gesagt, ein Hirngespinst. Solch große Aufgaben sind ein Teamwerk von zigtausenden Spezialisten aller Industriezweige und nicht von einer handvoll Individualisten, wie man uns das weismachen will /18/.
SOJUS war nie der Raumflugkörper, der zum Mond fliegen sollte. Es ist aber so, dass SOJUS, die unbemannte ZOND und das eigentliche „Mondorbitalraumschiff“, kurz LOK genannt, die gleiche Wiedereintrittskapsel integriert hatten. Diese „Scheinwerfer ähnliche“ Form mit flachem Hitzeschild war nur für den Zweck entwickelt wurden, mit „2. Kosmischer Geschwindigkeit“ in die Erdatmosphäre einzutauchen.
So tastete man sich an den bemannten Mondflug heran:
A) ZOND: Kapsel und Gerätesektion mit Solarflächen; zum Eintrittstest der Kapsel;
B) SOJUS: Kapsel, Gerätesektion mit Solarflächen und Orbitalsektion (= Luftschleuse) zum Test des Umstiegs von einem Raumschiff in ein anderes durch den freien Weltraum, wie das bei dem sowjetischen Mondflug vorgesehen war. Deshalb auch der Projektname SOJUS = VEREINIGUNG. Mit Sojus 1 und 2 wollte man die Schleuse, die Kopplung und die Vereinigung zweier Raumschiffe testen – auch was die Bahnverfolgung, Navigation etc. angeht.
C) LOK: Orbitalsektion, Kapsel und neuer, fortschrittlicher Gerätesektion mit leistungsfähigen Brennstoffzellen zur Energieproduktion – also keine Solarzellenflächen.
Warum versagten die Fallschirme bei Sojus 1? Darüber wurde kein Wort verloren... Durch das lange Stehen der Rakete mit Sojus 1 auf der Rampe in den Temperaturwechselspielen der Steppe in Baikonur entstand Kondenswasser, das die Fallschirme aufsogen. Dadurch wurde beim Hauptfallschirmöffnen die Entfaltung verzögert. Da zur geforderten Zeit/Höhe der Fallschirm nicht draußen war, kam das Signal zur Aktivierung des Reserveschirms. Doch auch hier das gleiche „Spiel“. Irrtümlicherweise wurde der Hauptfallschirm nicht abgetrennt und beide „Fallschirmwürste“ verdrillten sich, was den freien Fall von Kamarow leider nicht hemmte… Wäre der Start von Sojus 2 nicht abgesetzt worden, hätten auch die drei Kosmonauten Bykowski, Chrunow und Jelissejew den Tod finden können.
Zur „Geschichte“ um Kusnetzow und seinen NK-15 Triebwerken kann der Autor nur wieder die bereits erwähnten Quellen zur N1 „Herkules“ empfehlen. Denn da steckt der Schlüssel zum Verstehen der Problematik.
Wassili Pawlowitsch Mischin wurde erst ein halbes Jahr nach Koroljows Tod zum Nachfolger und Konstruktionsbüroleiter berufen. Das sollte bereits ein Hinweis sein auf die politischen Machtkämpfe im militärisch-industriellen Komplex, die im Hintergrund liefen und die später Mischin „ausbaden“ musste. Scheinbar ist den „alles Wissenden“ weiterhin entgangen, dass mit der N1 „Herkules“ vier Teststarts durchgeführt wurden: 21.02.1969, 03.07.1969, 27.07.1971 und 23.11.1972. In den Monaten danach wollte man endlich ein Erfolgserlebnis abliefern. Neue, zuverlässigere Triebwerke standen bereit und das (geplante und „von oben“ bestätigte!) Konzept des Einsparens der erdgebundenen Prüfstandskapazität für die Startstufe, dafür ausführliche Flugtestung des gesamten Raketenkomplexes (im Gegensatz dazu wurde bei der NASA viel Wert auf Bodentestung der ersten Stufe gelegt) schien aufzugehen: Der vierte Flug zeigte bereits „Licht am Horizont“. Mischin schrieb über das Testkonzept: „…dafür war aber die Herstellung einer großen Anzahl materieller Teile für die automatisch gesteuerten Starts erforderlich. So planten wir vor den bemannten Flügen zwölf automatisch gesteuerte Starts des Raketenkomplexes N1-L3“/11/. Die Gesamtaufwendungen für die Schaffung des Komplexes N1-L3 mit Stand vom 1. Januar 1973 machten einen Betrag von 3,6 Milliarden Rubel aus, wovon 2,4 Milliarden Rubel auf die N-1 entfielen. Und der Gesamtvoranschlag der geplanten Ausgaben einschließlich der Kosten von 16 Flugmustern (Nr. 3 bis 18) betrug 4,97 Milliarden Rubel. Die Kosten auf Seiten der USA zum Vergleich: 7,5 Milliarden $ für die Raketenentwicklung und 25,5 Milliarden $ Gesamtkosten.
Mischins Karriere endete also nicht nach dem ersten und auch nicht nach dem vierten Flug, wo er durch Krankheit nicht einmal am Start anwesend war! Erst am 15. Mai 1974 kamen zu einer routinemäßigen Sitzung der Büro-Leitung der Minister für allgemeinen Maschinenbau, Afanasjew, mit einer Gruppe aus seinem Ministerium, postierte den mitgebrachten Gluschko neben sich und verkündete: „Guten Morgen, Genossen. Das Politbüro hat beschlossen, Wassili Pawlowitsch Mischin von der Leitung Eurer Organisation zu entbinden, und der neue Chefkonstrukteur, das war er auch schon vorher in einem andern KB, ist Walentin Petrowitsch Gluschko. Eure Organisation heißt ab sofort Wissenschaftlich-Technische Vereinigung ENERGIJA. Ich wünsche guten Erfolg. /11/“  Sprach`s und verschwand. Die Karriere vom gutmütigen Wassili endete aber nicht hier, sie endete nie. Er hatte bereits seit 1959 eine Professur an der Moskauer Luft- und Raumfahrt-Eliteschule M.A.I. inne und sorgte dafür, dass man auch heute noch die konstruktiven Elemente des bemannten Mondflugs dort ansehen kann. Seine Verdienste, die sich in verschiedenen gesellschaftlichen und staatlichen Orden und Prämien (auch nach dem 15.05.1974), oder den erfolgreichen Doktoranden belegen lassen, zeugen von einem gewaltigen, schaffensreichen Leben. Die filmische „Kasperlefigur“ ist eine zutiefst entwürdigende Beleidigung.
Die rührendste Geschichte ist den „Machen aus vier Ländern“ auch diesmal entgangen: Völlig unwichtig ist doch, WELCHEN Sternenbanner die drei Apollo-11-Astronauten mit zum Mond nahmen. Bezeichnend ist doch, WAS sie weiterhin im „Gepäck“ hatten. Doch das ist der Hintergrund, vor dem die angebliche „Mondwettlauftheorie“ und „verbissener Kampf der Systeme“ wie ein Kartenhaus zusammenfällt. Als Armstrong und Aldrin vom Mond zurückkehrten, lagen im Mondbodenstaub auch Dinge, die eine Honoration an den ersten Raumfahrer, eine Achtung des Unterlegenen im technischen Wettstreit manifestieren: Drei Orden, die einst Juri Gagarins Brust schmückten /19/.
©copyright Pi Olaf Przybilski

 

Quellen:

/1/ Villain, Jacques: France and the Peenemünde legacy.
IAA-92-0186; 43. IAF-Kongress, Washington 1992
/2/ Tschertok, Boris Jewsejewitsch: „Raketen und Menschen“ in russisch
Maschiniostroenie, 1994, S. 88
/3/ Bornemann, Manfred: Geheimprojekt Mittelbau
Bernard & Graefe Verlag, Bonn 1994
/4/ Dieckmann, Götz: „Existenzbedingungen und Widerstand im Konzentrationslager Dora-Mittelbau unter dem Aspekt der funktionellen Einbeziehung der SS in das System der faschistischen Kriegswirtschaft“
phil. Diss. Berlin 1968, darin Anhang 1: „Übersicht über die Lagerstärken, Totenzahlen und Außenkommando“; S. 443 - 452
/5/ Betty Teschner: Peenemünde – Auch nach 50Jahren ein Phänomen?
Darin: Befragung Klasse 10, Gymnasium Dresden – Cotta, 03.01.2001
/6/ Dokumente Helmut Gröttrup, privat
/7/ Przybilski, Olaf: Die Deutschen und die Raketentriebwerksentwicklung in der UdSSR
DGLR-Fachzeitschrift  „Luft- und Raumfahrt“ Teil 1, 2/99; Teil 2, 3/99; Teil 3, 4/99
oder unter http://www.raketenspezialisten.de/pdf/lrf1.pdf
/8/ Przybilski, Olaf: The Germans and the Development of Rocket Engines in the USSR,
Journal of the British Interplanetary Society, Vol. 55 No. 11/12, November/December 2002.
/9/ z.B. http://www.raketenspezialisten.de/ unter „Gerät“
/10/ Harro Zimmer: Der Rote Orbit, 1996
/11/ Przybilski, Olaf: N-1 Herkules (Coautor: Wotzlaw, Stefan)
Schriftenreihe der Deutschen Raumfahrtausstellung e.V. + TU Dresden, 1996
/12/ Przybilski, Olaf: Der Flug zum Mond – gestern, heute, morgen
Wissenschaftliche Zeitschrift der TU Dresden
Band 54 2005 Heft 1-2, ISSN 0043-6025
/13/ www.astronautix.com
/14/ Wotzlaw, Stefan: R-7 „Semjorka“ Teil 2; Raumfahrt-Info-Dienst, Februar 2000
/15/ Gallai, Mark: Was nicht in der Zeitung stand. Flieger-Revue 11/1991, S. 427ff
/16/ http://groups.msn.com/spacecowboysaloon
/17/ Bärwolf, Adalbert: Die Geheimfabrik, Herbig 1994, S. 178
/18/ http://history.msfc.nasa.gov/saturn_apollo/giant.html
/19/ Bärwolf, Adalbert: Die Geheimfabrik, Herbig 1994, S. 66
/20/ Wetrow, G. S.: Koroljow i ewo delo, Nauka, Moskwa, 1998
/21/ Afanasjew, I.: „Korni“ dwigatelei dla Semjorki
Nowosti Kosmonawtiki, 7 und 8/2005
/22/ Public Record Office: AIR 20 / 9194; AIB.No. 77/47; Bethke-Bericht 1947

Nicht genannte Quellen: Archiv Przybilski

Arbeitsvertrag WvB:
Wer das Glück hat und eine gute Kopie des ersten Arbeitsvertrages Wernher von Brauns mit der Reichswehr besitzt, wird feststellen müssen, dass alle bisher veröffentlichten Daten des Dienstantritts falsch sind. Der Vertrag ist vom 27.11.1932 datiert, so dass der Arbeitsbeginn auf den 1. Dezember festzulegen ist.



Kammler Vollmacht:
Eine recht einmaliges, weil spätes "Lebenszeichen" vom verschwundenen Kammler ist diese Vollmacht für Dornberger. Sie gab ihm und seinem Stab den Freiraum, von Mitteldeutschland in die Alpen zu fahren.




Werkstoffe A4 R1:
In diesen wenigen Zeilen verbergen sich gewaltige Anstrengungen der sowjetischen Nachkriegsindustrie, sich auf den Stand der deutschen Kriegsproduktionsvielfalt zu bringen. Hier werden die Anzahl der adaptierten Werkstoffe der Raketen R1 (oben) und A4 (darunter) gegenüber gestellt.
Für nicht russisch sprechende Leser die Chargen: Stahl/ Gusseisen/ Buntmetalle/ Nichtmetalle/g alvanische Schichten/ Farben /20/.


Die „Affengalerie“ von Florida – untergebracht im Blockhouse vom Launch Complex 26.


Ein vom Autor kürzlich entdecktes deutsches Dokument offenbart glasklar, dass sich die Russen nicht nur technische Lösungen oder personelles Know-how, sondern auch technologische Arbeitsgrundlagen, wie „Buchlisten“ aneigneten: Hier die Gliederung der „Vorratsliste für Sondergerät Nr. 906“, die grundlegende Einzelteilliste des Aggregat 4 - sie übernahm die UdSSR haargenau. Dass die sowjet-russische Raketenindustrie diese deutschen Vorlagen total assimilierte, offenbart sich schon in der russischen technischen Codierung. Schon nur das Titelblatt ist ein Schlüsselelement zum Verstehen der Kodierungen. Was man hier unter „Erläuterungen“ lesen kann, würde einem Experten „echt russisch“ vorkommen: 8C410!



Die Geheimdienste wussten Bescheid: Koroljow wurde als fähiger Kenner des A4 schon frühzeitig „geoutet“ /22/.