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Leserbrief zu "Ein Mann will nach oben" von Christopher Lauer
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 06.01.2019
Seiten 39/40

Vorbemerkungen
Da sich die FASZ nicht entschließen konnte den folgenden Leserbrief zu veröffentlichen, soll hier an dieser Stelle nur kurz auf eine eigentlich nicht erwähnenswerte Arbeit eingegangen werden.

Ich habe den ursprünglichen „Brief“ etwas „geglättet“, punktuell ergänzt und möchte noch folgende Hinweise von „Zuarbeitern“ voranstellen, die sich der Qual hingaben, die „wissenschaftliche Arbeit“ des Herrn Lauer durchzusehen:

# 1) Ergänzung zu Polemik „Handskizzen“.
Wie jeder u.a. online bei www.digipeer.de selbst recherchieren kann, gibt es sehr wohl „Skizzen“ der Konstruktion des AGGREGAT 1, die von Wernher von Braun persönlich erstellt und autorisiert wurden. Die beispielhaft hier Beigefügte zeigt für jeden Kritiker die Qualität einer „Skizze“.

# 2) Ergänzung zur Polemik „Konstrukteur von Raketen oder nur Manager“.
Im ersten „Vertrag“ von Wernher von Braun mit dem Reichswehrminister vom 27.11.1932 lesen wir: „Entwurf, Leitung des Aufbaues und Vornahme von Untersuchungen gemäß näherer Anweisung des Wa Prw.1/I an einem Flüssigkeitsrückstoß-Prüfstand….“ Wo bitte steht hier irgendetwas von Raketenentwicklungen oder Brennkammerkonstruktionen???
Es ging um den Prüfstand, was von Braun dann auch sehr ausführlich in der Dissertationsschrift nachzeichnet.

# 3) Vorwurf des Plagiats.
Im Zeitungsartikel liest man ohne weitere Begründung oder Nachweis, dass von Braun für seine Dissertation „ein Kapitel über das Zerstäubungsproblem … fast vollständig aus der Zeitschrift des Vereins für Raumschifffahrt entnommen (hat), ohne dass dies über Fußnoten kenntlich gemacht worden wäre“. Aber genau dies steht in der Bachelorarbeit von Herrn Lauer NIRGENDS. Man würde somit sagen können, dass Herr Lauer öffentlich dreist lügt, um seine Arbeit noch „interessanter“ verkaufen zu können...

Ausführungen
Wieder einmal hat ein selbsternannter Flottensachverständiger Zweifel an Wernher von Braun´s einzigartiger Persönlichkeit angemeldet. Doch bereits die Überschrift und der erste Satz sind so falsch und irreführend, dass es nicht wert wäre, weiterzulesen. Die folgende zusammenträumende „Indizienkette“ des Autors führt aber zur Verleumdung und zum Rufmord eines der „Größten Deutschen“ weltweit, wonach ein Jurist überlegen könnte, Strafanzeige zu stellen. Das belegen auch seine Tweets auf Twitter: „Wäre von Braun in Nürnberg vor Gericht gekommen, dann wär er exekutiert worden“. Von Braun war Zivilangestellter des HWa und nicht einmal für seinen militärisch Vorgesetzten, den parteilosen Dr. Walter Dornberger war diese Anklage vorgesehen. Schämen Sie sich, Herr Lauer, für diese schäbigen Äußerungen!

Der Artikel in der FASZ soll einer wissenschaftlichen Arbeit an der TU Berlin zugrunde liegen. Da ich diese Bachelorarbeit nicht kenne und ein Leserbrief nicht geeignet erscheint, eine Gegendarstellung zu verfassen, will ich mich hier nur schlaglichtartig auf die vielen Fehler, gepaart mit wissenschaftlichem Unsinn, fachlicher Unkenntnis, technischer Naivität usw. usf. beschränken.

Ein Mann will nach oben“ – Kennt man die Biographie von von Braun sind es gerade andere Personen oder Ereignisse, die ihn auf eine Bahn lenkten, an die er in seiner „Karriereplanung“ niemals hätte denken können! Das kann man sogar belegend in Neufeld´s Werken nachzeichnen.
Siehe hierzu z.B. unter
www.amazon.de/Wernher-von-Braun-Weltraums-Biographie/product-reviews/3886809129/
die ausführliche Rezension von Ralf Bülow vom 27. September 2009

Wernher von Braun gilt als Vater der Raumfahrt“ – Diese Aussage zeugt von völliger Unkenntnis des Autors in der Materie. Denn mit diesem „Titel schmücken“ sich weltweit zumindest drei andere Personen: Konstantin Ziolkowski, Robert Goddard und Hermann Oberth. Wie der Autor anschließend selbst erläutert, hat von Braun keine grundlegenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen ähnlicher Tragweite, wie die drei o.g. Herren.
Aber auch andere „Definitionen“ von Herrn Lauer halten keiner seriösen Betrachtung stand.

Herr Lauer schreibt in kindlicher Sturheit, dass von Braun u.a. die SATURN V-Rakete „baute“. Man sollte sich doch endlich von der Mär lösen, dass ein Einzelner eine Flüssigkeitsgroßrakete, dieses komplexeste Gebilde der Technikgeschichte, zu entwickeln, zu fertigen, ja nur zu überblicken vermag! Gleiche Medienformulierungen, wie „Cheops baute sich seine Pyramide“ sind genauso absurd und degradieren das Heer der Mitarbeiter als triste Statisten.

Lauers kleiner „Ausflug“ in die Praxis verdeutlichen seine technische Naivität und sein journalistisches Unvermögen, fachliche Zusammenhänge selbst zu begreifen und darzulegen. Wenn er einige wenige Zeilen aus von Horstigs „Der Anfang der Raketenentwicklung…“ zitiert, ohne Zeitraumangaben beizufügen, liest sich das sehr konfus. Entscheidend sind doch nicht allein die „praktischen Ergebnisse“, sondern der Weg dahin und deren Auswertungen und Rückschlüsse. Einzig Wernher von Braun brachte das wissenschaftliche „Rüstzeug“ mit, um mit dem Multitalent Heinrich Grünow gemeinsam den Versuchsaufbau mit Auswertemechanismen für die unterschiedlichen Brennkammern, auch mit zugehöriger Rakete zu entwerfen, zu bauen und arbeiten zu lassen. Und dafür benötige ich keine Reißbrettzeichnungen oder 3D-Animationen. Die „Handskizze“ ist bis zum heutigen Tag unabdingbar bei Entwürfen, zumal es damals kaum Vorbilder gab.

Und wenn Lauer dann noch kolportieren will, dass von Braun „zu doof“ war, um mit flüssigem Sauerstoff (LOX) umzugehen, sollte er mal seinen Finger in diese schöne blaue Suppe stecken! LOX ist der brisanteste flüssige Stoff, den Raketentechniker kennen und mit „Respekt“ begegnen sollten. Ihn kann man selbstverständlich „praktisch beherrschen“. Wenn man aber in einem Raketenofen Brenn- und Sauerstoff optimal vermischen muss, sind Tanks, Leitungen, Ventile und der Injektor (für die Unwissenden: der „Vergaser“) im Komplex das A und O einer Verbrennungsbewertung.
Von Braun und Grünow waren bis Ende 1933 diesbezüglich praktisch und theoretisch sehr erfolgreich, zumal Hans Hüter vom „Raketenflugplatz“ heimlich versteckt „Hilfeleistung“ seinem Freund Wernher leistete. Erst als man die Firma von Dr. Heylandt aus der Raketenmitarbeit „rausdrängte“ fand Walter Riedel („Papa Riedel“) ab 15.01.1934 eine Mitarbeit bei von Braun im HWa…

Kommen wir zum „Komplex“ Dissertation. Da Herr Lauer öffentlich androht, ebenfalls sich zu promovieren, schwant mir einiges. Der frisch gebackene „Knappe“ (mit dem Bachelorabschluss hat er quasi sein Abitur „nachgeholt“) hat KEINE AHNUNG von den damaligen und heutigen Prozeduren und Bestimmungen an wissenschaftlichen Bildungseinrichtungen! Herr Lauer, eine Technische Hochschule (TH) IST und WAR immer eine Universität. Ihre ellenlangen Ausführungen und Differenzierungen zwischen Universität und TH zeugen von völliger Unkenntnis des damals und noch heute wirkenden Status quo. Und Sie vermischen beide Bildungseinrichtungen in Berlin zur „Universität Berlin“, wodurch der Leser nun nicht mehr erkennt, welche Einrichtung meinen Sie denn da nun...

Fakt ist ebenfalls, dass man nicht für eine „Dissertation qualifiziert“ sein muss! Eine Dissertation(sschrift) kann JEDER einreichen, der sich einem Promotionsverfahren stellen will.  Zur Promotion war bis in den dreißiger Jahren in Deutschland JEDER ZUGELASSEN, der ein gymnasiales Abitur und mindestens ein sechssemestriges Hochschulstudium nachweisen konnte. Das heißt auch, dass nach einer Minimalhochschulzeit von 3 (DREI!) Jahren ein Student sich der Doktorprüfung stellen DURFTE. Etliche deutsche Koryphäen kennt man, die so genial waren.
Wernher von Braun hatte selbstverständlich ebenfalls das Recht dazu, auch ohne Unterstützung von seinem Vater. Obwohl – was ist daran „schlecht“, wenn ich als Vater meinem Kind Steighilfe gebe?
Die erforderliche Beantragung zur Anerkennung seiner Studiensemester an Hochschulen mit Einreichung seiner „Zählkarte“ (3 Semester TH Berlin; 1 Semester ETH Zürich; 3 Semester Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin) vom 16.05.1934 entsprach der Dekan am 19.05.1934 mit der Entscheidung, dass die Semester an den Technischen  Hochschulen in Berlin und Zürich mit 3 Semester zu Buche schlagen.

Die Dissertation ist seit 1959 im Nachdruck bekannt. Ein Original liegt im Museum in Huntsville. Dass es einen Anlagenband mit Versuchsprotokollen gibt, kann man in der Originalschrift (nicht im Nachdruck) deutlich erkennen. Ich habe in meinem Buch „Raketentriebwerke aus dem deutschen Heereswaffenamt“ von 2014 dieses explizit hervorgehoben. Schon das ZDF zeigte im Juli 2009 in ihrer Dokumentation dieses „Photo- und Kurvenmaterial zur Doktordissertation v. Braun“. Aber auch in der nachgedruckten Arbeit sind selbstverständlich Messergebnisse zu finden…

Bereits in meiner o.g. Veröffentlichung habe ich mich kritisch mit dem Inhalt der Dissertation auseinandergesetzt und feststellen müssen, dass sie inhaltliche Mängel aufweist und vermutete, dass der Doktorand beim Integrieren möglicher studentischer Zuarbeiten „unsauber“ konfigurierte. Doch fachlich genügt sie selbstverständlich den Ansprüchen einer wissenschaftlichen Arbeit, auch wenn wir heute vielleicht andere Maßstäbe anlegen würden. Der Mangel einer fehlenden ausführlichen Quellenangabe („Fußnote“ ist falsch, Herr Lauer!) hatte ich ebenfalls grundlegend angeführt, was aber die damaligen honorigen Gutachter „tolerieren“ durften.

Als Ingenieur kann ich alle Formeln und Ausführungen der Dissertation nachvollziehen. Mit überzeugender fachlicher Unkenntnis versucht der Autor aber der Leserschaft z.B. nachzuweisen, dass der Doktorand „Kraft seiner Wassersuppe“ verschleiernd oder verfälschend  Formelzeichen verändert. Wie kann er nur! Unglaublich!
Was aber ist daran erwähnenswert, wenn ich die mathematische Beschreibung der Kraft aus Masse und Beschleunigung so aufschreibe: K = m x b. Ich gebe ja prosaisch im Anhang preis, was ich meine.
Wenn solcherart „Aufdeckungen“ seitenweise die erste akademische Arbeit von Herrn Lauer zieren, verzichte ich auf das Lesen…

„Lustigen Unsinn“ gibt der Autor preis, in dem er dem „Doktorvater“ eine ganz anderen „Zweck andichtet“.  Karl Emil Becker war und bleibt der Doktorvater von von Braun. Als Leiter des Prüfwesens im HWa wählte Becker gezielt das entsprechende zukünftige Humankapital seines Amtes mit aus. So ist es nicht verwunderlich, für den jungen von Braun als Betreuer und Richtungsgeber während seiner Dissertationszeit zu fungieren. Als „Raketenentwicklungsleiter“ war er sicher sofort als Gutachter für die Dissertationsschrift bei von Braun gesetzt, doch dann später wegen seiner Betreuertätigkeit, also als „Doktorvater“, wieder gestrichen und von Prof. Arthur Wehnelt (neben Prof. Erich Schumann) „ersetzt“ worden.
Was ist daran so schwer zu verstehen?

Ebenso scheint Herr Lauer nicht zu begreifen, dass das zweiteilige Promotionsverfahren aus der Dissertationsschrift (die durch Schumann und Wehnelt begutachtet wurden) und der mündlichen Prüfung bestand. Aus den Unterlagen kann jeder erkennen, dass die mündliche Prüfung durch die Professoren Schumann, Wehnelt, Bodenstein und Bäumler am 07.06.1934 ein hohes fachliche Niveau und Breite widerspiegelt, was schwer beeindruckt, wobei das Themengebiet der Dissertationsschrift überhaupt keine Rolle spielte.

Der akademische Grad an einer Philosophischen Fakultät ist auch auf der Urkunde von Wernher von Braun verewigt und bescheinigt ihm „die Würden und Ehren eines Doktors der Philosophie und Magisters der freien Künste“, abgekürzt  Dr.phil.
Und das wird auf ewig so bleiben!

Fazit
Mit den ausschweifenden Polemiken und unwürdigen Äußerungen über von Braun wird sich die Leserschaft sicher ihr eigenes Bild des „Emporwollenden“ machen können…

© Olaf Przybilski
20.01.2019

 

Scan des Artikels der Frankfurter Allgemeien Sonntagszeitung vom 06.01.2019

Skizze Behälter FL 19